„Wo zum Teufel seid ihr gewesen?" Der große Italiener starrte Michael mit wie zu Gewitterwolken zusammengezogenen Augenbrauen an. Dieser schob sich schützend vor mich.
„Wir waren das Wochenende nicht in der Stadt, wie du sicher bemerkt haben dürftest", erwiderte er nur kühl.
„Ohne uns etwas zu sagen? Luca ist halb durchgedreht und ich habe mir auch Sorgen gemacht. Verdammt nochmal!" Beim scharfen Klang Emilianos Worte duckte ich mich hinter Michaels Rücken. Es hörte sich an, als ob er kurz vorm Explodieren war. Mein Beschützer dagegen blieb ausgesprochen gelassen. Seine angespannten Muskeln, ja, seine ganze Körperhaltung, verrieten mir, dass er auf einen Angriff gefasst war. Dennoch ließ er sich nicht von der Wut seines Gegenübers anstecken. Ich bewunderte seinen Gleichmut. Wäre ich das Ziel Emilianos Wut gewesen, würde es für uns beide weniger glimpflich verlaufen.
„Außerdem, wer hat das Schloss eingebaut? Jetzt kommt man ohne Schlüssel nicht mehr rein."
„Das ist auch Sinn der Sache", piepste ich aus meiner sicheren Deckung heraus. „Wenn du zur Seite gehst, kann ich aufschließen."
Kurz war er still und gab bereitwillig den Weg frei. Ich traute mich hinter Michaels Rücken hervor, öffnete meine Haustür und huschte in den kühlen Flur. Beide Männer folgten mir nach drinnen.„Angelina, pack deine Sachen. Du kommst mit in die Villa."
Meine Hände ballten sich automatisch zu Fäusten. Was bildete der Mistkerl sich ein? Ich drehte mich abrupt um.
„Angela bleibt hier! ICH werde sie ab jetzt beschützen." Michaels Stimme war kühl und fest, aber ich bemerkte, wie seine Kiefermuskeln arbeiteten. Nicht nur mich störte das anmaßende Verhalten unseres Gegenübers.„Du widersetzt dich also deinem Don." Die Aura des Italieners versprühte regelrecht eiskalte, aggressive Funken, die sich in meine Haut bohrten. Ich überlegte, an welcher der Waffen wir am dichtesten dran waren, um notfalls meinen Beschützer zu retten. Ich wich langsam in die Richtung des losen Dielenbretts zurück.
„Falsch, ich habe es bereits mit deinem Vater besprochen. Hast du vergessen, dass ich eigentlich zu ihm gehöre?" Auch Michael klang nun eisig, spielte seine Dominanz gegen die des Sohnes seines Bosses aus. Er gehörte also entgegen meiner ersten Annahme zum alten Pensatori. Das erhöhte die Wahrscheinlichkeit, ihn vor der unweigerlich folgenden Verhaftungswelle am Ende meiner Mission zu schützen.Emiliano ging auf die halbversteckte Herausforderung nicht ein, sondern lief wutschnaubend zur Haustür. Dort drehte er sich kurz zu uns um und warf dem Lakota einen finsteren Blick zu.
„Ich warne dich. Wenn Angelina etwas passiert, dann bist du dran." Damit verließ er das Haus und schlug die Tür mit einem lauten Knall zu, so dass es im Flur widerhallte. In der Küche meinte ich einige Gläser klirren zu hören. Die arme Haustür. Und was für ein Abgang. Das hätte ich trotz meines Temperaments nicht besser hingekriegt.
„Den wären wir erst einmal los", brummte Michael zufrieden und rollte seine Schultern, um die aufgestaute Spannung abzubauen. „So Kleines, ich hole jetzt noch ein paar Sachen aus meiner Bude, dann komme ich wieder her. Geh du schlafen. Du hast morgen wieder Schule."
„Ich darf hin? Ich dachte Mario ist noch nicht wieder fit." Stirnrunzelnd sah ich ihn an. Nicht, dass ich etwas dagegen einzuwenden hatte. Es wunderte mich nur, dass er es so bereitwillig erlaubte, als ob nicht der Hauch einer Gefahr drohte.
„Klar darfst du hin. Es wird schon nichts passieren." Ich fiel meinem Bodyguard um den Hals und drückte ihm einen Knutscher auf die Wange. Mein Held. Er grinste und verschwand fürs Erste aus dem Haus. Breit grinsend sah ich auf die geschlossene Tür. Das Wochenende hatte mir erstaunlich gut getan.
Moment, Michael würde die nächste Zeit bei mir wohnen? Gar nicht gut! Ich flitzte durchs Haus und suchte unter den losen Bodenbrettern die Waffen zusammen, holte das Buch über Giulia und Vincente Pensatori hervor und stopfte alles in eine Reisetasche. Diese versteckte ich vorläufig im Kleiderschrank, in der Überzeugung, dass Michael nicht zwischen meinen Klamotten herumstöbern würde. War so ein Gefühl. Aber als Mafioso würde er seine eigenen Waffen sicher verstecken wollen. Und da waren die Dielenbretter ideal, abgesehen davon waren sie nicht gerade unauffällig. Ich stellte mir kurz vor, wie er als Handwerker die losen Bretter reparieren wollte und ihm damit eine Desert Eagle in die Hände fiel. Auf das darauffolgende Verhör hatte ich keine Lust. Wie erklärte eine kleine Streberin einem Mafioso, dass sie Schusswaffen besaß? Genau, gar nicht.
Ich nahm mir fest vor, meine Waffen in einem unbeobachteten Moment zu einem Schließfach zu bringen. Ich gähnte und schaute auf die Uhr. Michael hatte recht, es war Schlafenszeit. Ich lief nach oben, putzte die Zähne, zog mich um und verschwand unter der Bettdecke.
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Tempestuoso - A Storm is Coming
ChickLitAngela Hudson, eine auf den ersten Blick unscheinbare Achtzehnjährige, kommt neu in die Stadt. Ihr Auftrag? Die Mitglieder einer Mafiafamilie hinter Gitter zu bringen. Eine Leichtigkeit, denkt sie, als sie ihre Wohnung in Philadelphia bezieht. Zusam...