Epilog ✔️

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Verträumt ließ ich den Blick aus dem Fenster in den Garten schweifen. Angelo nuckelte zufrieden an meiner Brust. Wir hatten unserem Sohn diesen Namen gegeben, weil er uns nach der Geburt wie ein kleiner Engel vorgekommen war. So winzig und hilfsbedürftig, dass vor allem Luca Angst gehabt hatte, ihn auf den Arm zu nehmen, ja überhaupt anzufassen. Die erste Nacht hatte er auch friedlich geschlafen, vermutlich erschöpft von den Strapazen. Doch seitdem hatte er sich als kleiner Teufel entpuppt. Lautstarkes Weinen, wenn ich nicht sofort meine Brust zur Verfügung stellte. Für ihn war ich ein laufendes Büffet, eine Wärmflasche und ein Bett. Denn er schlief liebend gern auf mir, sehr zum Leidwesen seines Vaters, der sich schon einige Male über die fehlende Zweisamkeit beklagt hatte. Tja, er wollte so schnell nach unserer Hochzeit ein Kind. Dann brauchte er sich jetzt nicht beschweren. Vor allem, da seine Mutter uns regelmäßig den Kleinen abnahm, sodass wir etwas Ruhe hatten. Mittlerweile hatte ich meinen Frieden damit geschlossen, dass Lucas Eltern bei uns wohnten. Lorenzo war eh oft für die Familie unterwegs, entweder für Onkel Sergio oder er musste meinem Cousin helfen. Und Sofia liebte es, den Haushalt zu schmeißen. Und keine frischgebackene Mutter legte sich mit der Mamma eines Italieners an. So abenteuerlustig war nicht einmal ich. Abgesehen davon konnte sie fantastisch kochen und backen, was mir als Leckermaul mehr als recht war.

„Soll ich ihn dir abnehmen, damit du einige Sachen im Büro erledigen kannst?", fragte sie mich leise. Ich nickte ihr zu, dann löste ich vorsichtig meinen Sohn von meiner Brust, an der er nuckelnd eingeschlafen war. Alle wiesen mich immer wieder darauf hin, dass ich das nicht zulassen durfte, doch er sah so knuffig aus, wenn er im Schlaf an meiner Brustwarze nuckelte. Ein Ausdruck absoluter Glückseligkeit auf seinem kleinen Gesicht. Vorsichtig legte ich ihn in Sofias Arm und verkrümelte mich ins Büro. Ich war froh, dass sie mittlerweile akzeptierte, dass ich weiterhin Ilimitada leitete. Die Organisation war meine Idee gewesen und ich ließ es sicher nicht zu, dass jemand sie mir streitig machte. Giulia verwaltete die Immobilien wie ein Profi. Das Geld von denen, die wir verkauft hatten, hatte ich Michael anvertraut, um Projekte in den Reservaten der Lakota zu unterstützen. Nicht zu viel Geld auf einmal, sodass keine Fragen aufkamen, aber doch genug, damit sich nach und nach etwas verbesserte. Ich zuckte beim Gedanken an diese wohltätigen Aktionen mit den Schultern. Ich schloss es nicht aus, dass ich es nutzte, um mein Gewissen zu beruhigen, weil ich Teil einer Mafiafamilie war und zig Leute gekillt hatte. Doch diese Art zu leben hatte auch Erfreuliches gebracht. Ohne meine Kenntnisse hätte ich nie Lucy retten können. Ich lächelte bei dem Gedanken an den zauberhaften Lockenkopf.

Lucy. Mein liebenswerter Cousin hatte sie unserer Vermutung nach direkt in der Hochzeitsnacht geschwängert. Mittlerweile hatte sie eine größere Kugel als ich kurz vor der Entbindung. Dabei musste sie noch einige Wochen durchhalten. Das hielt sie nicht davon ab, für uns immer wieder neue Gadgets zu erfinden. So besaßen wir inzwischen Tracker, die mit gewöhnlichen Mitteln nicht zu entdecken waren. Die Armbanduhren hatte sie verbessert. Zu meinem Nachteil, falls mich doch mal wieder die Abenteuerlust oder Ähnliches packte und ich abhaute. Denn Lucy konnte sich in jede Uhr hacken, ob es uns gefiel oder nicht. Praktisch, wenn man entführt wurde. Blöd, wenn man für ein paar Tage seine Ruhe wollte. Jetzt musste ich mich immer abmelden, wenn ich mich kurz abseilte.

Dann hatten wir da Jeanne. Sie und Matteo hatten ebenfalls klein beigegeben und würden in einigen Monaten Eltern werden. Jeanne regelte zum einen für meinen Cousin alle medizinischen Notfälle, andererseits stand sie mir zur Verfügung, falls ich sie benötigte. Zum Glück war der Bündnisfall bisher nicht eingetreten.

Zufrieden widmete ich mich dem Papierkram. Komischerweise erledigte ich ihn gerne, obwohl ich ein wenig die Action von früher vermisste. Vermutlich war die allabendliche Frage, wie lange ich ungestört schlafen durfte, momentan Nervenkitzel genug. Grinsend las ich eine E-Mail aus Las Vegas. Wie zu erwarten, ging es nicht um Geschäftliches. Nein, die Mädels fragten nach, wie es Angelo ging, wie viel er bereits gewachsen war und wie viel er zugenommen hatte und ob ich ihnen endlich mal wieder Bilder von ihm schicken konnte. Die Letzten wären zu lange her. Schon klar, die letzten Fotos hatte ich vor fünf Tagen geschickt. Kopfschüttelnd schrieb ich eine Antwort, lud drei Bilder, die ich heute von meinem Kleinen geschossen hatte, hoch und hängte sie ran. Tja, das war es mit der Arbeit für an diesem Tag. Ich stand vom Schreibtisch auf und spazierte Richtung Tür, als diese aufflog und Michael mich fast umrannte. Für seine Verhältnisse bleich reichte er mir sein Smartphone. Ich nahm es ihm, ohne zu zögern, ab. Etwas Furchtbares war seinem entsetzten Blick nach passiert.

Tempestuoso - A Storm is ComingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt