Kapitel 5

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Jiraiyas Stuhl war leer.

„Wo ist er hin?", ich richtete mich etwas auf, um mich besser umsehen zu können. Es fehlte jedoch jede Spur von Jiraiya.

„Sicher nur kurz austreten. Keine Sorge.", meinte Kakashi, während er immer mehr hinter der Speisekarte in seinen Händen verschwand.

Wers glaubt, wird seelig...

Der wusste sicher, was ihm blüht, der alte Sack... Hatte er es doch tatsächlich so eingefädelt, dass mir sein Freund noch des Öfteren vorgeführt wird – ob ich es nach diesem Abend wollte oder nicht. Was kommt als Nächstes? Hab ich vielleicht schon einen Eheschließungsvertrag im Suff unterzeichnet? Der konnte noch was erleben!

„...Nur kurz austreten...", wiederholte ich mürrisch. „Der rennt doch sicherlich irgendeinem Frauenrock hinterher..."

„...Gut möglich..."

Seufzend sah ich in Kakashis Richtung. Lediglich die Spitzen seines silbernen Haares waren von ihm noch zu sehen. Der Rest von ihm wurde vollständig von der aufgeschlagenen Speisekarte in seinen Händen bedeckt.

Ich wandte mich mit kraus gezogener Stirn meiner eigenen zu und hoffte, Kakashi würde schnell genug von diesem Abend haben.

~~~
Da Jiraiya auch nach einer halben Stunde immernoch nicht zurück gekommen war, gaben wir unsere Bestellung einfach ohne ihn auf. Kaum dass die nette Bedienung uns den Rücken zugekehrt hatte, erhob ich mich.

„Ich geh' mich kurz frisch machen...", teilte ich Kakashi kurz mit und schlurfte an ihm vorbei, in Richtung der WC-Schilder am Ende des Flures, nachdem ich sein Nicken hinter der noch immer vor seinem Gesicht aufgeschlagenen Speisekarte abgewartet hatte.

Als die Toilette mit einem Klacken abgeschlossen war, fuhr ich mir genervt durch mein rotes Haar. Meine Unlust hätte nicht größer sein können. Am liebsten wäre ich einfach abgehauen, aber das wäre Kakashi gegenüber nicht fair gewesen. Wer konnte schon wissen, was Jiraiya ihm erzählt hatte. Vielleicht hatte Kakashi sich ja was von diesem Treffen erhofft und ahnte nichts davon, dass Jiraiya mich genötigt hatte her zu kommen. Der arme Kerl... Ich musste wohl oder übel das beste daraus machen und diesem Abend einfach eine Chance geben.

Auf dem Flur kam mir dann einer der Männer entgegen, auf die ich gleich am Eingang des Lokals aufmerksam geworden war. Als sich unsere Blicke wieder trafen, machte er sofort einen Schritt zur Seite, damit ich ungehindert an ihm vorbei gehen konnte. Ein Lächeln konnte ich mir bei dieser zuvorkommenden Geste nicht verkneifen. Der Fremde zwinkerte mich grinsend an und setzte seinen Weg fort.

Wäre ich alleine gewesen, hätte ich vermutlich angefangen zu kichern, wie ein albernes Schulmädchen, schließlich war es eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich von einem Mann angeflirtet worden bin, doch hatte ich nun fast Kakashis Hörweite erreicht und keine Lust einen seltsamen Eindruck zu machen. Mein Gang war nun nicht mehr schlurfig, sondern wieder etwas eleganter.

Immernoch über beide Ohren strahlend steuerte ich unseren Tisch an, wo Kakashi immernoch mit aufgeschlagener Speisekarte saß.

Merkwürdig.

Wir hatten doch längst bestellt. Was er sich wohl so lange ansah...Vielleicht den Getränketeil?

Ich wurde bei diesem Gedanken gleich etwas langsamer und schlich mich unbemerkt von hinten an ihn heran und warf einen flüchtigen Blick über seine Schulter.

Und da sah ich es: es war nicht die Speisekarte, in die er so vertieft war.

Ohne mir etwas anmerken zu lassen, setzte ich mich auf den Platz gegenüber von ihm. Das Lächeln war inzwischen vollkommen aus meinem Gesicht verschwunden und machte wieder Platz für meine griesgrämige Miene. Ich wollte Kakashi einen allessagenden Blick zu werfen, doch er reagierte nicht einmal darauf, dass ich wieder zurück war.

Ich stellte meinen Ellenbogen auf dem Tisch ab, damit ich mit der geballten Faust meinen Kopf stützen konnte. Der Zeigefinger meiner freien Hand lag neben meinem Ellbogen und klopfte drohend mit dem Nagel auf der Tischplatte. Ich wartete darauf, dass er die Karte endlich herunter nahm, damit ich ihn mit meinem Blick vernichten konnte. Es ging mir jedoch alles nicht schnell genug, zu empört war ich gewesen.

„Du kannst die Speisekarte herunter nehmen, ich habe gesehen, dass du in Wirklichkeit ein Buch liest....",zischte ich in einem harschen Tonfall und starrte auf die Karte, die sich nun zu senken begann.

„Oh, Verzeihung. Ich dachte, du bräuchtest etwas länger...", er sah mich sichtlich verlegen über den Rand der Speisekarte an, doch ich war kein Narr. Die Szene am Nachmittag auf der Straße hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen, der sich nun verfestigte.

„Und ich dachte schon, dieses Restaurant hätte eine so gute Auswahl an Gerichten, dass man sich einfach nur schwer entscheiden kann. Welches Buch ist denn nun so interessant, das man es nicht einmal aus der Hand legen kann, wenn man das Haus verlässt?", fragte ich, wobei ich meinen Unmut nicht gerade versteckte. Da er die Karte immernoch schützend vor sich hielt, zog ich sie ihm aus den Händen, bevor er das Buch dahinter wegstecken konnte.

„Ich wollte wirklich nicht unhöflich sein.", beteuerte er, doch ich hörte ihm nicht zu.

„Nein...", staunte ich ungläubig, denn ich erkannte das Buch, welches er flink in seiner Tasche verschwinden ließ.

„Das Flirtparadis? Im Ernst? Wie kann man so ein Buch an einem solchen Ort lesen?! Im Beisein einer Frau auch noch?!", ich war dermaßen schockiert, dass ich mich nicht mehr zurückhalten konnte.

Ich ließ seine Speisekarte in der Mitte des Tisches fallen und sah ihn entsetzt an.

„Ich wollte dich wirklich nicht verärgern, Mari.", ich brachte ihn sichtlich ins Schwitzen, aber das reichte nicht, um mich milde zu stimmen. Wieder bekam meine Laune einen Knick.

„Warum ließt man so ein Buch, wenn man mit einer richtigen Frau Essen geht?!"

„Es ist jetzt bestimmt nicht der günstigste Moment, um das hier loszuwerden, aber auch wenn Jiraiya es gut meint, ich habe nicht vor, mich hier verkuppeln zu lassen. Es hat wirklich nichts mit dir zu tun. Ich hoffe, du bist jetzt nicht allzu enttäuscht.", er rieb sich den Hinterkopf und sah mich ein wenig bedrückt an, als würde er mich in diesem Augenblick allen Ernstes bedauern.

Binnen eines Wimpernschlages sprang ich auf und schob dabei den Stuhl mit einem lauten Quietschen nach hinten. Mir fehlten die Worte. Ich funkelte Kakashi böse an und wusste nicht, wo ich anfangen sollte.

„Soo...Einmal habe ich hier für Sie...", plötzlich stand die Bedienung von vorhin mit zwei großzügig beladenen Tellern in den Händen an unserem Tisch, da kam mir eine Idee.

Ich grinste sie freundlich an.

„Er zahlt.", meinte ich mit süßer Stimme und ging mit großen Schritten an der Kellnerin vorbei, die mich ebenso verdutzt ansah wie Kakashi.

„Hey Mari, warte doch mal!", hörte ich ihn noch hinter mir rufen, aber ich drehte mich nicht mehr um und ging stattdessen zielstrebig zur Ausgangstür, die ich ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, durchschreitete.

Dieser Kerl war einfach unglaublich.

Icha Icha Marriage - Das Flirtparadies hat ausgedient (KakashixOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt