ENDE JULI 2019
Wie eine kopfloses Huhn lief ich durch mein Wohnzimmer und starrte immer wieder wie besessen auf mein Handy. Sobald ich die Wohnung betreten hatte, warf ich es auf die Couch und behielt es genau im Auge, als wäre es ein wildes Tier, vor dem ich mich in Acht nehmen musste, weil es mich jederzeit attackieren könnte. Noch immer konnte ich nicht glauben, dass er sich wirklich gemeldet hatte. Vier lange Wochen gab es keinen Kontakt zwischen uns, da er sich nicht gemeldet und mich zusätzlich auf sämtlichen Apps geblockt hatte.
Mein Körper drehte völlig durch, von meinen Emotionen ganz zu schweigen. Mir war heiß und kalt zugleich, ich zitterte, mein Puls war jenseits von Gut und Böse und mein Herz war kurz davor aus meiner Brust zu springen. Ich freute mich so sehr über das Lebenszeichen von Lukas, doch fast genauso sehr machte es mir Angst.
Dag war natürlich nicht sonderlich glücklich über die Nachricht, doch er meinte auch, dass ihm klar war, dass Lukas sich wieder melden würde und es nur eine Frage der Zeit war. Mir war das alles überhaupt nicht klar und egal wie oft ich seine Nachricht mittlerweile auch gelesen hatte, glauben konnte ich es immer noch nicht so richtig. Nicht nur die Tatsache, dass er geschrieben, sondern viel mehr was er geschrieben hatte, sorgte für dieses Gefühlschaos in meinem Körper. Unglaublich, wie viel Wirkung drei kleine Worte haben konnten.
Lukas (3:57 Uhr): Ich vermisse dich!
Je nachdem wie lange seine Schicht ging und wo er eingeteilt war, musste er die Nachricht direkt zum Feierabend, oder als er gerade nach Hause kam, abgeschickt haben. Sein Profilbild war eigentlich immer ein Bild von uns beiden gewesen, doch natürlich hatte er das nun gegen ein Landschaftsbild ausgetauscht. Wo genau das war konnte ich nicht allerdings erkennen.
Eigentlich war es völlig verrückt, sich so aufzuführen, denn ich wusste genau, dass ich ihm und auch wie ich ihm antworten würde. Ich hatte einfach nur Angst davor, danach keine Antwort mehr zu bekommen. Vielleicht war er abgerutscht oder betrunken oder hatte es bereits bereut, mir geschrieben zu haben. Dass ich sein Bild noch sehen konnte war jedoch ein gutes Zeichen, also schob ich meine Zweifel beiseite, atmete tief durch und begann zu tippen.
Timi (13:35 Uhr): Ich vermisse dich auch!
Minutenlang starrte ich auf das Display, als könnte ich ihn mit meinen Blicken online zaubern, bis ich mich endlich einmal zusammenriss, das Handy hinlegte und in die Küche ging, um mir etwas zu trinken zu holen. Mein Zoom Meeting wurde gestrichen, worüber ich mehr als dankbar war, denn ich hätte nicht einen klaren Gedanken fassen können. Um ein bisschen runterzukommen, drehte ich mir einen Joint und rauchte ihn in aller Ruhe auf dem Balkon. Tatsächlich erzielte er auch die gewünschte Wirkung und beruhigte mich für einen Moment. Als ich danach zurück ins Wohnzimmer kam, blinkte mein Handy, und mein Herz setzte einen Schlag aus.
Lukas (13:52 Uhr): Können wir uns sehen?
Es war also weder ein Versehen, noch war er betrunken. Er wollte sich wirklich bei mir melden, und er möchte mich wiedersehen. Ein Lächeln legte sich auf mein Gesicht und ich spürte, wie eine Tränen meine Wange runterlief, die ich sofort mit meiner leicht zitternden Hand wegwischte.
Timi (13:59 Uhr): Sag mir wann und wo...
Lukas (14:02 Uhr): Holst du mich vom Club ab? Viertel nach 3 am Hintereingang?
Timi (14:04 Uhr): Ich werde da sein! Ich freue mich!
Lukas (14:05 Uhr): Ich mich auch!
Der restliche Tag zog sich irrsinnig in die Länge und je näher die Zeiger der vereinbarten Uhrzeit kamen, desto nervöser wurde ich. So viel Gras konnte ich gar nicht rauchen, um mich auch nur ansatzweise zu beruhigen. Selbst die Wahl meines Outfits fiel mir unglaublich schwer, obwohl das eigentlich eher zweitrangig sein sollte. Lukas kannte mich, besser als viele andere Menschen. Ich musste ihn weder von mir überzeugen noch beeindrucken, ich musste ihn zurückgewinnen. Und dabei würde mir kein Outfit der Welt helfen.
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Decisions
RomanceSchwarz oder weiß, Sommer oder Winter, Tag oder Nacht, Berge oder Meer, Schoko oder Vanille, Pizza oder Pasta. Timi war schon immer hin und hergerissen, wenn es darum ging, sich für eine Sache zu entscheiden. Doch warum alles verkomplizieren, wenn m...