Hoppípolla

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Heute regnet es. Ich habe mein zusammenfaltbares, dunkelblaues Sitzkissen dabei und einen großen, schwarzen Regenschirm. Mir macht Regen nichts aus. Es gibt weniger zu beobachten, aber das ist nicht schlimm. Ich sitze auf meiner Bank, mein orangefarbenes Notizheft liegt auf meinem Schoß. Es ist fast voll, denn es ist nicht mehr lange Oktober.

Die Frau im grünen Mantel ist wieder da. Auf ihrem Kopf trägt sie diese durchsichtige Bedeckung, die man nur bei alten Damen sieht. Durchsichtig, wie ein Frischhaltebeutel für Obst. Ich frage mich, wo man diese Kopfbedeckungen kaufen kann. Ihr Yorkshire Terrier ist heute oben beige und unten braun. Der braune Blättermatsch klebt an seinem Fell und seinen Pfoten. Der hellbraune Haufen, den er auf dem Rasen fallen lässt, wird liegen gelassen.

Das Herbstlaubtrittvergnügen ist nun sechs Tage her. Henry, so hieß der Mann, ist seitdem nicht wieder aufgetaucht. Zumindest nicht in der Zeit, in der ich hier sitze. Herbstlaubtrittvergnügen - das Wort gefällt mir bei jedem Mal, das ich es lese, mehr. Dr. Cooke hat mir geraten, mehr schöne Worte zu sammeln, denn ihm fiel auf, dass ich bei der Erwähnung gelächelt habe. Ich lächele nicht oft. Aber wie kann man bei Herbstlaubtrittvergnügen nicht lächeln?

Gestern schien die Sonne und der Park war erfüllt von diesem Duft. Herbstduft. Und der Haufen Blätter, den der Mann in der leuchtend orangefarbenen Weste zusammengeharkt hatte, wirkte so verlockend. Wie es sich wohl anfühlt, wenn man die Blätter zum Rascheln bringt? Doch das ganze Chaos, das ich damit auslösen würde, hielt mich zurück.
Stattdessen nahm ich auf dem Weg zu Jennifee ein besonders schönes gelbes Blatt mit. Es roch nach Herbst.

Heute riecht es nach dem braunen Blättermatsch. Er riecht nicht unangenehm, aber auch nicht so gut wie Blätter in der Sonne. Außer der Frau im grünen Mantel, ihrem Terrier und mir ist niemand zu sehen. Der Blätterhaufen ist heute alles andere als einladend, denn er ähnelt nun fast dem braunen Matsch, der die Ränder und teilweise ganze Bereiche der Parkwege bedeckt.

Ein lautes Platschen gefolgt von einem Kichern überrascht mich und ich drehe meinen Kopf in die Richtung des Geräuschs. Meine Augen werden größer als ich den jungen Mann - Henry ist sein Name - erkenne. Er trägt wieder enge, schwarze Hosen und einen schwarzen Mantel, aber über seiner Schulter hält er einen riesigen weinroten Regenschirm und an seinen Füßen sind weinrote Gummistiefel. Und er springt kichernd in die Pfützen, die sich auf dem Weg vor ihm gebildet haben. Mit Absicht.

Das braune Matschwasser spritzt in alle Richtungen und er kichert dabei wie ein kleines Kind. Sein ganzes Gesicht leuchtet praktisch. Plötzlich schaut er auf und mir wird bewusst, dass ich ihn wohl gerade anstarre. Schnell senke ich meinen Blick und schreibe wild in mein orangefarbenes Oktoberheft.
Platschende Schritte signalisieren mir, dass er sich wohl in meine Richtung bewegt, ohne Rücksicht, ob seine Gummistiefel eine der Pfützen treffen oder nicht.

„Hey", lacht er mich an, als er vor mir zum Stehen kommt. Ich blicke nach oben und sehe nur seine braunen Augen, die wieder dunkel betont sind, seine schwarzen gestylten Haare und dahinter drehendes Weinrot. Er dreht den Schirm auf seiner Schulter und lacht mich an.
„Du bist ja auch hier." Ich nicke zur Antwort. Es ist offensichtlich, dass ich auch hier bin, wenn wir uns hier begegnen.

„Ist das nicht unbequem?", fragt er und ich blicke verwundert auf mein Heft und den Stift in meiner Hand. Mit meinem Schirm über der Schulter ist das Schreiben heute nicht so einfach wie sonst.
„Du könntest dich doch auch einfach in ein Café setzen und dort schreiben", redet er weiter. Ich schüttele den Kopf.
„Magst du den Regen auch so?"
Ich zucke mit den Schultern. Der Regen ist mir egal.
„In Phoenix hat es fast nie geregnet. Und wenn, dann war es hinterher gleich wieder so trocken, als hätte es überhaupt nicht geregnet."

Ich schreibe weiter. Er redet so viel, dass es für uns beide reicht. Erschrocken sehe ich auf die Seite in meinem Buch, denn ich habe unbewusst das Wort Herbstlaubtrittvergnügen geschrieben.
„Kennst du hoppípolla?", fragt Henry nun.
„Wen?"
„Nicht wen", lacht er. „Die Frage lautet was. Hoppípolla. Noch ein schönes Wort. Es ist isländisch und bedeutet ‚in Pfützen hüpfen'. Ist das nicht toll? Es gibt ein einziges Wort genau dafür."
Irritiert sehe ich ihn an. Woher weiß er so etwas? Und noch viel wichtiger: Warum erzählt er es mir?

„Hast du es mal gemacht?"
„Was?"
„Hoppípolla."
„In Pfützen hüpfen? Nein."
„Solltest du, es macht unglaublich Spaß."
Ich hebe eine Augenbraue.
„Es macht unglaublich nass", antworte ich zweifelnd.
„Und nass trocknet auch wieder." Damit macht er ein paar Schritte zurück und springt mit voller Wucht in eine der Pfützen, dass das Wasser in alle Richtungen sprüht.
Seine weinroten Gummistiefel sind mit Tropfen übersät und die Hosenbeine seiner schwarzen Jeans sind anscheinend auch schon triefnass.

„Ach schade", seufzt er, als er mich ansieht.
„Was?"
„Du hast keine Gummistiefel an."
„Ich besitze keine Gummistiefel."
„Warum hast du keine Gummistiefel, wenn du den Regen doch magst?"
Wann habe ich gesagt, dass ich Regen mag? Bevor ich eine Antwort weiß, plappert er schon weiter.
„Ich finde, gelbe Gummistiefel sähen fantastisch an dir aus", überlegt er laut.
Ich runzele meine Stirn.
„Ich besitze kein einziges gelbes Kleidungsstück."
„Nicht? Nicht mal ein T-Shirt? Oder einen Regenmantel? Oh, kein gelber Regenmantel. Sonst hättest du ihn bei diesem Wetter sicher an. Aber ein gelbes T-Shirt würde deine blauen Augen noch mehr zur Geltung bringen", erklärt er.

Während ich noch überlege, wie man hoppípolla schreibt, stocke ich plötzlich. Wann ist ihm aufgefallen, dass meine Augen blau sind? Ehe ich ihn fragen kann, sehe ich, wie er sich langsam wieder von mir entfernt.
„Denk über die Gummistiefel nach. Und man schreibt es genau wie man es spricht", ruft er mir lachend zu, dreht sich um und springt in die nächste Pfütze.

Verwundert blicke ich ihm nach und schreibe dann schnell auf meine aktuelle Seite das neue Wort.

Hoppípolla.

Ich bin wirklich noch nie in eine Pfütze gehüpft und ich habe noch nie ein gelbes T-Shirt getragen. Zögerlich sehe ich an meinen langen Beinen nach unten. Ich trage einfache braune Boots. Wie immer bei diesem Wetter.

Gelbe Gummistiefel wären vollkommen absurd.

Ich blicke wieder auf und sehe Henrys weinroten Regenschirm, wie er sich in der Ferne auf seiner Schulter dreht und darunter weinrote Gummistiefel, die hoppípolla - in Pfützen springen. Sein Lachen ist bis hierher zu hören.

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