Broken | Teil 2 - Kaputte Freundschaft

1.4K 74 7
                                    

Ein Jahr. Ein verdammt langes Jahr ohne Aiden. Ohne unsere Freundschaft. Ohne Lachen. Ohne Vertrauen.

Ohne ihn.

Ich hatte schon damals das Gefühl, dass es Konsequenzen nach sich ziehen wird, wenn ich meiner Lust freien Lauf lasse, aber ich konnte einfach nicht anders. Ich musste ihn spüren. Und ich weiß, dass er das gleiche empfinden hat wie ich.

Kurz darauf ist er ein Jahr lang ins Ausland verschwunden und hat wer weiß der Geier was gemacht.

Und nun stehen wir hier. An unserem letzten Tag in dieser Schule.

Auch bekannt als Abschlussball.

Ich stehe hier am Rand der Tanzfläche und beobachte meinen ehemaligen besten Freund, wie er mit Emma Arm in Arm tanzt.

Nein, die beiden sind nicht zusammen, aber im Gegensatz zu uns hat ihre Freundschaft gehalten.

Warum auch nicht? Mit ihr hat er ja schließlich nicht geschlafen.

Oder gefickt, wie er es nennen würde.

Es ist bereits kurz vor Mitternacht und gleich wird die Ballkönigin beziehungsweise der Ballkönig ernannt und ich kann mir gut vorstellen, wer dieses Jahr gewinnen wird.

Er war schon vor seinem Auslandsjahr beliebt und sie... naja da das Gerücht kursiert, dass die beiden ein Paar sind, wird sie automatisch ebenfalls gewinnen.

So läuft das nun mal an unserer Schule.

Aber mich stört das nicht und ich gönne es den beiden von ganzem Herzen, das könnt ihr mir glauben.

Plötzlich ertönt Applaus und die Musik verstummt, bevor ich noch Ohrenkrebs bekomme. Nichts gegen Popmusik, aber die vielen Lieder von Beyoncé und Lady Gaga haben mich dann doch genervt. Von der Lautstärke ganz zu schweigen.

,,Liebe Absolventen und Absolventinnen... ", der Schülersprecher betritt die Bühne und im Saal wird es ganz still, während meine Ohren gleichzeitig auf Durchzug schalten. Mein ehemaliger bester Freund legt eine Hand auf Emmas Rücken und diese grinst ihn leicht an.

,,... Zeit gekommen, um die diesjährige Ballkönigin und seinen König zu ernennen, der dann eine kurze Rede halten darf."

Er tritt zur Seite und zwei jüngere Mädchen erscheinen jeweils mit zwei Kronen und Blumensträuße in der Hand.

Dann zieht die eine einen Umschlag aus der Tasche und überreicht sie dem Jungen.

,,Kommen wir nun zu den diesjährigen Gewinnern unserer Herzen."

Ich verziehe kurz schmerzhaft die Lippen, denn mein Herz wurde schon lange gestohlen.

,,Die diesjährige Ballkönigin ist..."

Eine kurze Kunstpause. Seufz.

,,Emma Hailey."

Applaus ertönt und Aiden küsst sie kurz auf die Wange und lässt sie danach los. Dann bahnt sie sich einen Weg nach vorne und steigt die paar Stufen hinauf auf die Bühne, wo ihr eines der Mädchen die Krone auf den Kopf setzt und ihr den Rosenstrauß überreicht.

,,Kommen wir nun zu dem König."

Emma wird kurz rot, während die Menge gespannt nach vorne starrt.

,,Der diesjährige Ballkönig ist niemand anderes als unser ehemaliger Superstar Aiden!"

Der Applaus ist tatsächlich noch lauter als bei Emma, obwohl ich es ganz und gar nicht verstehen kann.

Okay, ich gebe zu, ein klein wenig ist es gelogen. Aber nur ein ganz ganz kleines bisschen.

Aiden bekommt ebenfalls seine Krone und Blumen und bevor ihm das Mikrofon in die Hand gedrückt wird, flüstert der Schülersprecher ihm noch etwas ins Ohr, woraufhin Aiden erst erstaunt und dann ängstlich drein blickt.

,,Okay, ähm, also danke, schätze ich mal.", beginnt er mit zitternder Stimme und keiner rührt sich. So nervös kenne selbst ich ihn kaum. Okay außer an dem einen bestimmten Abend.

,,Ich sollte jetzt eigentlich eine Rede über diese wunderschöne Ballkönigin neben mir halten und wir sehr ich es verdient habe, diese Krone zu bekommen, aber... aber ich kann es nicht."

Getuschel ertönt und ich ziehe verwirrt die Augenbraue zusammen. Was zur Hölle veranstaltet er da vorn?

Er scannt die Masse bis er mich entdeckt und dann bleibt sein Blick an mir haften.

,,Ich habe diese Krone nicht verdient, weil sie eigentlich dem Menschen gegeben werden soll, der ein gutes Herz hat. Ich habe keines, weil ich einen Menschen verletzt hat, der mir unglaublich wichtig ist. Ich habe ihn verletzt, weil ich Angst vor der Meinung anderer hatte, aber vor allem hatte ich Angst vor mir. Angst vor meinen Gefühlen, weil ich vorher nie so etwas intensives gespürt habe. Dann bin ich ins Ausland gegangen, weil ich gehofft habe, dort wieder klar denken zu können, aber das Gegenteil ist passiert. Ich musste jede Sekunde stärker an die Person denken und der Abstand hätte mich innerlich fast zerrissen. Also bin ich zurückgekommen um hier mit der Person meinen Abschluss zu feiern. Naja, immerhin hatte ich es vor, aber selbst jetzt bin ich... okay, ich gebe es zu, dass ich nicht der Superfootballer bin, für den ihr mich alle haltet. In Wahrheit bin ich verdammt feige und würde lieber vor dem Ball wegrennen, so wie ich vor der Person weggerannt bin. Jetzt wisst ihr, dass das alles nur Fassade ist und - "

,,Was er euch eigentlich sagen möchte", unterbricht Emma ihn harsch und funkelt ihn eindringlich an, ,,Aiden, es tut mir leid für die Unterbrechung, aber das kann sich keiner mehr anhören, also nehme ich dein Liebesleben selbst in die Hand."

Empörend geht er auf sie zu, aber sie drückt ihn geschickt weg.

,,Was er eigentlich sagen möchte", beginnt Emma erneut, ,,ist, dass er Angst vor seinen Gefühlen hat und vor der Meinung andere. Obwohl wir alle gesehen haben, dass er total in Luke verliebt ist und keiner ihn je dafür verurteilt hat. Aber beide waren blind vor Liebe und haben nicht gesehen, was wir alle schon vor einem Jahr bemerkt haben. Aiden, du liebst deinen besten Freund schon seit über einem Jahr und nun wird es endlich Zeit, dazu zu stehen."

Erschrocken reiße ich die Augen auf, als ich spüre, wie ich zur Bühne geschoben werde.

Der ganze Augenblick verschwimmt vor meinen Augen und plötzlich finde ich mich zwischen Emma und Aiden wider.

,,Und ich finde", setzt Emma strahlend fort, ,,dass Luke die Krone viel mehr verdient hat als ich, denn eigentlich sollte er hier an Aidens Seite stehen."

Energisch schüttel ich den Kopf, doch Emma ignoriert mich einfach und setzt mir die Krone auf.

,,Jetzt ist es perfekt. Der König und sein König Seite an Seite auf dem Schulball..."

Ich sehe zu Aiden hinüber, der intensiv zu mir schaut und leicht berühren seine Finger an meine.

Ein kaum merkliche Lächeln liegt auf seinen Lippen und auch meine Mundwinkel zucken leicht nach oben.

Und ich glaube, wir beide sind auf einem guten Weg.

Boyxboy OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt