Meeting in the Club

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Er sitzt auf dem Sofa im Wohnzimmer, mit dem Bier in der einen und der Fernbedienung in der anderen Hand. Auf der Suche nach einem passsenden Sender tippt er durchgängig auf der Fernbedienung herum. Gelegentlich nippt er an seinem schon fast lauwarmen Getränk.

Dann sieht er sich langsam im Wohnzimmer um. Sein Blick gleitet über den teuren Flachbildfernseher und dann über die Schrankwand daneben, auf der unzählige Bilder von ihm und seiner Frau platziert sind.
An einem bleibt sein Blick hängen: es ist das Hochzeitsfoto, aufgenommen vor fast vier Jahren. Das war für ihn das aufregendste und gleichzeitig einsamste Jahr, das er je erlebt hatte.

An Tagen wie diesem bereut er es, sie geheiratet zu haben. Klar, sie ist wahnsinnig attraktiv und intelligent und viele Männer liegen ihr zu Füßen, aber für ihn ist diese Frau nicht die richtige. Zumindest nicht auf Dauer. Dabei wollte er die Wahrheit - die anfänglich für ihn so schreckliche Wahrheit - einfach nur verdrängen. Und er dachte, mit der Heirat einer so schönen Frau könnte er sich verändern. Heterosexuell werden. Noch nie hat er sich so sehr in sich getäuscht wie in diesen vier Jahren.

Durch das Klacken des Schlüssels im Türschloss wird er plötzlich aus seinen Gedanken gerissen. Vor Schreck lässt er die Fernbedienung mit den Tasten nach unten fallen, sodass wie von Geisterhand ein anderer Sender erscheint. In dem Moment, in welchem seine Frau das Wohnzimmer betritt, wird gerade eine Kussszene zwischen einem Mann und dessen Freund gezeigt. Die Kamera zoomt näher heran. Jedes Detail ist erkennbar.

Sie gibt ihrem Mann auf der Couch einen kurzen Begrüßungskuss auf die Lippen, bevor sie zum Fernseher schaut und sofort wieder angeekelt wegsieht.

,,Warum siehst du dir so etwas an? Das ist ja widerlich!", ruft sie auch sogleich.
Sein Herz setzt für ein paar Sekunden aus und wird ganz blass im Gesicht. Er wusste nicht, was er darauf antworten soll, denn er hat Angst, sich durch die kleinste Geste zu verraten. Denn die Wahrheit würde ihre Beziehung nicht verkraften. Würde seine Frau nicht verkraften. Und er wahrscheinlich auch nicht.

Solche Bemerkungen hat sie schon öfter von sich gegeben, aber normalerweise kann er diese geschickt ausblenden. Nur heute Nacht scheint es ihm nicht so recht zu gelingen. Dafür ist die sich seit nun fast vier Jahren anstauende Lust zu groß.

Um eine mögliche Antwort hinauszuzögern, nimmt er einen großen Schluck von seinem nun fast leeren Bier. Die Sendung läuft immer noch, aber mittlerweile ist die Kussszene vorbei. ,Schade eigentlich', denkt er sich insgeheim. Aber diesen Gedanken würde er nie laut auszusprechen wagen. Diese Erkenntnis schnürt seinem Brustkorb eng zu, sodass er ruckartig aufsteht und den Rest seines Bieres auf dem Wohnzimmertisch auskippt.
Seine Frau guckt ihn empört an, denn Ordnung und Sauberkeit ist für sie alles. Sie hasst es, wenn ein Schrank auch nur ansatzweise verstaubt ist. Aber dies interessiert ihn im Moment nicht das geringste, sondern er hastet ohne auch nur einen Gedanken zu verschwenden, eilig in den Flur und zieht sich seine Jacke über. Die, die er im letzten Urlaub zusammen mit seiner Frau gekauft hat. Als er seine innersten Gefühle noch unterdrücken konnte. Als noch alles in Ordnung war.

Er schüttelt den Gedanken ab und greift nach dem Schlüssel, der neben der Tür hängt und stößt diese gleichzeitig auf, sodass sie fast an die Wand knallt.

Seine Frau steht im Flur und beobachtet stumm das Geschehen. Solche Aussetzer kennt sie von ihm. Solche Phasen hat er öfter. Aber sie hat sich noch nie getraut ihn danach zu fragen.

Wahrscheinlich aus Angst vor der offensichtlichen Wahrheit.

Die laute Musik der Bar bringt sein Innerstes zum Vibrieren. Er versteht den Text nicht, aber das muss er auch nicht, um sich im Takt rhythmisch zu bewegen. Viele andere schwitzende Körper tanzen um ihn herum und mit einem stößt er immer häufiger zusammen. Aber er kann nicht herausfinden, wer es ihm so angetan hat, denn außer ein paar bunten, tanzenden Lichtern gibt es keine weitere Lichtquelle, sodass er kaum etwas erkennen kann.

Das kurze braune Haar ist feucht vom Schweiß und dieser beginnt langsam, an seiner Schläfe hinabzulaufen.
Er tanzt so voller Energie, dass er alles um sich herum vergisst. Ort, Zeit und Personen blendet er geschickt aus.

Plötzlich wird er von seinem Gegenüber an der Hand gepackt und mit zum Tresen gezogen. Hier ist es ein wenig heller als auf der Tanzfläche, sodass er nun ein paar Details erkennen kann. Sein Tanzpartner ist ein junger Mann in ungefähr dem gleichen Alter wie er selbst und hat ebenfalls kurzes, braunes Haar und unglaublich helle, blaue Augen. Bei diesem Anblick stockt ihm der Atem und er vergisst für eine gefühlte Ewigkeit Luft zu holen. Sein Herz pocht schnell. Seine Wangen färben sich leicht rot.

Derweil versucht der hübsche blauäugige Mann ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
,,Du tanzt richtig gut. Also so richtig richtig gut."
Wegen dem Kompliment färben sich seine Wangen noch ein wenig mehr rot und er spürt dessen Hitze und natürlich die seines Gegenübers noch intensiver.

Da er vor lauter Nervosität nicht antwortet, versucht es sein Gegenüber mit einer Frage, aber vor allem versucht er, die Situation aufzulockern und die Nervosität beider abzulegen.

,,Wie heißt du?", probiert er es noch einmal und dies gibt den Anstoß für eine lange und immer intensiver werdende Konversation.

***


Die beiden sind so ineinander vertieft, dass sie überhaupt kein Zeitgefühl mehr haben.

,,Ich gehe langsam nach Hause, ich bin echt müde.", meint er, woraufhin ihn sein Gesprächspartner ein wenig traurig anschaut, denn er will ihn noch nicht gehen lassen.

,,Bekomme ich deine Nummer?", fügt er noch eilig hinzu und dabei hellt sich sein Gesicht auf.

,,Na klar.", bekommt er schnell als Antwort und ist schon dabei, sein Handy aus der Tasche zu kramen, bis ihm ein plötzlicher Gedanke kommt. Ohne groß nachzudenken spricht er diesen hastig aus: ,,Der Abend muss nicht enden. Wie könnten ihn zu Hause auch zusammen ausklingen lassen. Also gemeinsam. Wir beide. Wenn du willst. Du musst aber nicht. Wäre aber echt schön. Für mich. Für uns. Ganz bestimmt."

Als ihm auffällt, was er da gebrabbelt hat, wird er vor Verlegenheit ganz rot. Vielleicht hätte er sich seine Worte doch lieber vorher zurechtlegen sollen.

Aber dafür ist es jetzt zu spät.

Nervös wartet er auf eine Antwort. Schaut peinlich berührt in die Augen seines Gesprächspartners, von welchem er gar nicht weiß, dass dieser unglücklich verheiratet ist und noch in dieser Nacht Ehebruch begehen wird. Gemeinsam mit ihm.

Die Antwort kommt recht schnell, denn er weiß, dass er früher oder später seiner Lust nachgeben und seine Frau betrügen wird. Bei diesem Gedanken zuckt er einmal kaum merklich zusammen, denn er ist normalerweise ein sehr treuer Mensch, der echt alles für den Partner geben würde. Aber nach diesen vier Jahren Ehe wünscht er sich auch mal eine befriedigende Nacht. Wenigstens eine. Egal wo.

Ohne groß nachzudenken, vertraut er auf sein Bauchgefühl, welches in den meisten Fällen richtig liegt. Deshalb bereut er seine Antwort keineswegs.

,,Zu mir oder zu dir?"

Boyxboy OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt