Die Kinder hatten an diesem ersten Tag in Gesellschaft der Soldaten geschlafen wie Steine, trotzdem waren sie wach und auf, kaum dass der Weckruf vom letzten Wachhabenden in der Abenddämmerung ertönte. Sam versuchte, sich soviel Dinge wie möglich von den neuen Reisegefährten abzugucken und sich in deren Ablauf so gut es ging einzufügen, damit sie nicht zu sehr als Belastung empfunden wurden. Das Essen vor dem Aufbruch, dass stets nahrhaft aber nicht zu reichhaltig ausfiel, weil es sich mit vollem Bauch schlechter marschieren ließ, brachte dem Jungen neue Sorgen. Seine eigenen Vorräte hätten für die zwei Kinder nicht mal mehr bis Europa gereicht. Nun, wo sie es mit dem ganzen Trupp teilten, würde es maximal noch für ein letztes Essen nach diesem Marsch genügen. Dennoch zögerte er nicht, seine Sachen mit den Männern ebenso zu teilen wie die ihre mit ihnen.
Auf dem nächsten Marsch wurden seine Sorgen noch größer, denn er erkannte einiges auf dem Weg wieder und begriff, dass sie in entgegengesetzter Richtung unterwegs waren, zurück zum Startpunkt ihrer Reise. Redlich darum bemüht dem kleinen Bruder diese Sorgen zu ersparen ließ er dennoch in unbeobachteten Momenten seine Schultern hängen. Seine Eltern hatten stets soviel Wert auf ihre Unabhängigkeit gelegt, doch ihr ältester Sohn hatte die Kinder geradewegs in die Abhängigkeit von diesem Trupp manövriert und er sah mit Angst in die Zukunft. Was, wenn er und sein Bruder für diesen Trupp nur noch zu einer Bürde werden würden? Hätte er vielleicht doch versuchen sollen, sich allein mit seinem Bruder durchzuschlagen?
Während der Pause war er sehr still und in sich gekehrt und die neugierigen Blicke der Erwachsenen machten es ihm nicht leichter, ebenso wenig wie die besorgten Augen von Max, die sich auf ihn hefteten. "Sammy was ist mit dir, warum bist du so traurig?", flüsterte sein Bruder ihm irgendwann zu und ihm entkam ein lauter Seufzer der die anderen aufsehen ließ. Er wusste, dass er ihren fragenden Blicken nun Rede und Antwort stehen musste und erklärte deshalb leise: "Wir sind nicht auf dem Weg nach Europa, im Gegenteil." Der Anführer sah ihn interessiert an. "Woher weißt du das?" Er zuckt nur mit den Schultern. "Ich habe mir den Weg gemerkt." Die Soldaten tauschten daraufhin interessierte Blicke und einer von ihnen klopfte Sam schließlich aufmunternd auf die Schultern. "Mach dir keine Sorgen, wir haben einen Auftrag und ein Ziel, danach machen wir uns auf den Heimweg und nehmen euch mit."
Sam hatte ihn schon länger als den ruhigen Wortführer ausgemacht. Wie seine Mutter konnte er den Leuten ansehen, wie die sich fühlten und wie sein Vater fand er stets die richtigen Worte um eine Situation bestmöglich zu lösen. Auch die wenigen Male in denen sie auf andere Leute trafen war es meist dieser rothaarige Soldat, der die Gespräche führte. Er hatte auch ein besonderes Händchen mit Max, verstand es diesen abzulenken ohne seine Ängste zu wecken und stoppte seine Kameraden, wenn die es mit dem Jüngsten zu bunt trieben. Dennoch war es gerade diese Aufmerksamkeit, die Sam auf Abstand hielt. Schließlich darf man Fremde nicht zu nah an sich heran lassen.
Für die zweite Hälfte des Weges begleitete der Junge den Späher, der ihn immer wieder zu den Wegen und der Gegend befragte und ehe er es sich versah, waren sie bei ihrem nächsten Schlafplatz angekommen.
Als er mit einem leisen Seufzen aber erneut ohne zu zögern seine letzten Lebensmittel an den Koch gab nickte dieser. "Ihr habt euch heute gut geschlagen, aber nur mithalten reicht nicht, wenn man Teil eines Trupps ist." Er grinste die Jungs frech an, die ihn mit vor Angst weit aufgerissenen Augen anstarrten und deutete dann mit seinem Kochlöffel auf die Kameraden. Die beiden sahen sich um. Natürlich stand einer von ihnen Wache während sich ihr Ansprechpartner um das Essen kümmerte. Doch auch die anderen waren alle mit etwas beschäftigt. Einer reinigte seine Waffe, ein anderer putzte Schuhe, der Anführer schrieb in ein Buch die Berichte über die Entdeckungen des Tages und der nächste baute bereits die Nachtlager für sich und seine Kameraden auf. "Bisher habt ihr euch hervorragend um euch selbst gekümmert, aber was genau wollt ihr eigentlich zu unserer Gemeinschaft beisteuern?" Der Koch war ein lustiger Geselle und lachte dabei, Sam verstand durchaus, dass er nur aufgezogen wurde, doch er erkannte auch das Quäntchen Wahrheit in seiner Frage.
Erschöpft von dem Tag schafften es die Jungs trotzdem nicht, wach zu bleiben und über eine Lösung nachzudenken, doch die Sorgen bescherte Sam Alpträume und so erwachte er eine Stunde früher und grübelte nach. Dabei erinnerte er sich vor allem an ihre Begegnung mit dem Ziegenhirten der sie nutzloses Pack genannt hatte. Vorsichtig weckte er seinen Bruder ein paar Minuten vor dem eigentlichen Weckruf und flüsterte ihm zu: "Max, wir dürfen nicht so nutzlos sein, dass man uns davon jagt wie der Ziegenhirt es tat. Zuhause haben wir auch geholfen. Ich werde beim Essen unsere Hilfe anbieten, bist du dabei?" Der kleine Junge nickte sofort begeistert. Mit 4 Jahren war er noch in einem Alter in dem er alle unliebsamen Dinge gerne und mit Spaß tat und Sam freute sich darauf, dabei viele neue Dinge zu lernen, die der Trupp ihm beibringen könnte und so fiel diese Entscheidung nicht wirklich schwer.
Als sie, bevor sie ihre Teller hinhielten um Essen zu bekommen, voller Inbrunst verkündeten, dass sie gerne helfen wollten, als Boten, beim Geschirr spülen und Schuhe putzen und bei allem, was sie sonst tun könnten, nickte der Anführer anerkennend und der Koch klatschte fröhlich in die Hände. "Alles klar, hiermit ernenne ich euch zu unseren Knappen und wenn ihr uns gute Dienste leistet, dann werden wir auch weiterhin unser Essen mit euch teilen." Max begann sogleich mit seiner neuen Aufgabe und verteilte an alle Soldaten etwas Wasser, brachte jedem einen Teller mit Essen und nahm erst dann Platz, um selbst zu essen. Nach dem Essen übernahm Sam das spülen der Teller und des Bestecks die von Max eingesammelt und dann den Besitzern zurückgebracht wurden und füllte auch die Wasserflaschen aller Soldaten an der hier existierenden Wiederaufbereitungsanlage nach derselben Methode auf. Außerdem bot er sich an, einige Dinge in seinem Rucksack zu tragen, da dieser jetzt fast leer war.
Der Weg wurde jetzt noch anstrengender, denn die Kinder mühten sich redlich ab, ihrer neuen Aufgabe gerecht zu werden. Sam teilte jetzt auch großzügig sein Wissen über die Gegend mit dem Späher und zeigte dem Koch eine Stelle, die er auf dem Hinweg entdeckt hatte, an der es Nüsse zu ernten gab, die den Speiseplan aufwerteten. Im Gegenzug brachten die Soldaten vor allem Sam von Nacht zu Nacht mehr bei, ob wissentlich, weil sie ihm etwas erklärten, oder unwissentlich, weil er es sich abgucken konnte und so fiel auch die Manöverkritik in den Pausen immer freundlicher aus. Diese waren allerdings auch nicht mehr so erholsam, da die Kinder sich auch hier gefordert fühlten, sich nützlich zu machen. Dafür schliefen sie aber am Ende jedes Marsches mit dem guten Gefühl ein, sich den Respekt der Leute ebenso wie deren Hilfe redlich verdient zu haben.
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Sam & Max ✅
AdventureDiese Geschichte handelt von Sam und Max Jakobi. Sie gehört zu meinem Buch "Die Scharfschützin" und ich empfehle daher, diese zuerst zu lesen. Zwar wird die Welt weitgehend im Vorwort beschrieben und soweit nötig auch innerhalb der Geschichte erkl...