Sam erinnert sich (4)

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Im Saal wird laut gemurmelt als Max das Kapitel beendet hat, da einige der Anwesenden wohl nicht ganz einverstanden sind mit der Art, wie die Soldaten mit uns Kindern damals umsprangen. Ich sehe lächelnd zu meinen Dads und weiß es umso mehr zu schätzen, dass sie sich auch diesen Anfeindungen stellen. Schnell beginne ich mein Publikum zu beruhigen. "Das Buch sollte unerzogene Kinder in Europa daran erinnern, wie gut sie es haben im Vergleich zu einem Leben im Außenland, wo es hart zugeht und man schnell erwachsen werden muss, um zu überleben. Aber ihr könnt mir glauben wenn ich euch sage, dass meine Dads es uns so leicht gemacht haben, wie sie konnten." Hauptmann Fischer ist natürlich nicht überzeugt und ein glückliches Lächeln umspielt meine Lippen, als ich erkenne, welch große Sorgen er sich noch nachträglich um mich macht. Erneut mache ich eine beruhigende Geste. "Ich werde euch meine Sicht der Dinge erzählen, dann versteht ihr es vielleicht besser." Ich warte geduldig, bis sich alles wieder beruhigt hat, dann beginne ich zu erklären.

"Die Befehle, die wir unterwegs erhielten, waren nicht so schlimm wie man aufgrund des Buchs denken könnte. Es war zu allererst mal ein Spiel für Max wie es jeder kennt: Fangen und Verstecken." Erneut bringe ich das vereinzelte Schnauben mit einer beruhigenden Geste meiner Hände zur Ruhe. "Für mich hingegen war es ein Training in Tarnung, Ausdauer und Geschwindigkeit" fahre ich dann fort, und jetzt sind die Anwesenden wieder bei mir und erkennen, welch großes Geschenk mir die Soldaten damit gemacht haben. "Wir mussten wissen was zu tun ist, sollte es gefährlich werden und durften dann den Soldaten nicht im Weg stehen und ihr könnt sicher sein, dass die Männer bei uns durchaus auf Vorwissen in dieser Angelegenheit stießen, auf das sie aufbauen konnten." Mein dankbarer Blick begegnet wieder denen meiner Dads und ich nicke ihnen zu. "Ich habe jede einzelne Kritik wie ein Schwamm aufgesogen, denn ich wusste, dass diese Männer mir etwas beibringen und nicht einfach auf mir rumhacken wollten und ich nahm mir vor, eines Tages so gut zu sein, wie sie. Dass ich heute so reaktionsschnell bin, verdanke ich ihrem Training ebenso wie ich es Damien verdanke, dass ich gelernt habe, all meine Sinne zu benutzen und mit meinen Fähigkeiten zu kombinieren." Dann seufze ich und lasse für einen Moment alle Anwesenden sehen, welch große Zuneigung ich zu diesen Männern empfinde, bevor mein Blick zu Mark weiter wandert. 

"Ich weiß, es erscheint unverständlich, dass die Männer ihre Mission nicht abgebrochen und uns direkt nach Europa in Sicherheit gebracht haben, doch wenn ihr genau darüber nachdenkt wisst ihr, warum das nicht möglich war." Es ist interessant von der Bühne aus zu beobachten, bei wem die Erkenntnis einsetzt und wer noch im dunkeln tappt. Ich will niemandem vor den Kopf stoßen und so bin ich Bassam dankbar, als der es geschafft hat, dass Mikrophon doch noch zu erobern. "Leute, SAM WAR ACHT!" Ein erneutes Raunen geht durch die Menge, doch jetzt enthält es Bewunderung statt Ablehnung für die Männer und ich nicke. "Ganz genau." Maxine ist vermutlich die Einzige, die jetzt noch auf dem Schlauch steht und ich zwinkere ihr zu. "Ich erkläre es dir später," flüstere ich ihr zu und komme dann zu der Geschichte zurück.

"Diese Männer beschützten uns und gingen so gut es ihnen möglich war auf uns und unsere Bedürfnisse und Befindlichkeiten ein. Selbst dass ich mich mit Max zur Pinkelpause stets in ein Gebüsch zurück zog und uns so vor ihnen verbarg, nahmen sie ohne weitere Beschwerden hin, nachdem ich ihnen erklärt hatte, dass Max sehr scheu sei und einfach nicht pinkeln konnte, wenn jemand dabei zu sah." Ich sehe erneut meine Dads an und erhalte ein erneutes Zwinkern von Damien Mayhew. Na klar - unser stiller Beobachter hatte vermutlich auch dazu schon früh einen Verdacht. Ich grinse ihn an, gehe aber auch darauf erst einmal nicht ein. "Aber natürlich lief nicht alles reibungslos."

Maxine sieht mich fragend an und ich lächele zurück. "Und ein Grund dafür warst du. Die Soldaten verlangsamten zwar ihren Marsch für uns etwas, konnten sich aber auch nicht zu sehr durch uns aufhalten lassen. Sie mussten einen gewissen Zeitrahmen einhalten und auch den jeweils nächsten Unterschlupf mussten wir schließlich rechtzeitig erreichen. Du hast dich am Anfang aber sehr dagegen gesträubt, dich von irgendwem Huckepack nehmen zu lassen." 

Meine Schwester bekommt wieder dieses schuldbewusste Gesicht. "Oh nein. Ich hab dir wirklich nur Ärger gemacht, oder?" Ich kann sie in dieser Sache nicht anlügen, sie war definitiv damals die größte Hürde, die ich zu meistern hatte, doch deshalb trifft sie noch lange keine Schuld daran. Deshalb winke ich ab. "Du warst eine Herausforderung an der ich gewachsen bin. Doch dich davon zu überzeugen, dich tragen zu lassen, war nicht so einfach. Um dir die Angst zu nehmen habe ich mich selbst eine viertel Stunde lang vom größten und stärksten unter den Soldaten auf dem Rücken tragen lassen bis du eingewilligt hast, es auch zu probieren." 

Ein lautes Lachen vom Tisch meiner Dads lockt alle Blicke dorthin und meine Schwester zuckt regelrecht zusammen. Sie errötet mit vor Schreck geweiteten Augen, als sie die Aufmerksamkeit des so bedrohlich wirkenden Soldaten auf sich spürt. "Du hast bis heute Angst vor mir," schüttelt er bedauernd den Kopf und sie kopiert diese Bewegung. "Nein, Angst ist es wohl nicht mehr, aber den größten Respekt.", versucht sie einzulenken, doch niemand nimmt ihr diesen kleinen Selbstbetrug wirklich ab. 

Natürlich war es Bassam Ciceron, der gelacht hatte und der jetzt die Spannung auflöst, indem er fröhlich erklärt: "Ich fands toll, dass du dich so lange gesträubt hast. Dadurch bin ich ebenfalls dazu gekommen, eine Stunde getragen zu werden." Das gespielt wütende Grollen des Riesen am Tisch lässt ihn nur noch lauter Lachen. "Du hast dich nicht tragen lassen sondern mich geritten," grummelt der und Maxines Kichern erinnert mich daran, wie gut dieser Trick auch damals funktioniert hat. "Dieser hünenhafte Krieger, meine Lieben, ist Armond Pepperell und er hat recht. Maxine hat bis heute Angst vor ihm, wenn sie vor ihm steht. Doch als sie damals hoch oben auf seinen Schultern reiten durfte während unser Quatschkopf, Bassam Ciceron sich beschwerte, dass er da auch hoch will, lachte sie und genoss den Ausblick." Beide Männer erheben sich und unter dem Lachen der Zuhörer springt Cicero unserem Pepper auf den Rücken und beide winken in die Runde. Neben mir höre ich Maxine noch immer ungläubig kichern. 

Sam & Max ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt