Nachdem Sam und ich die Veranstaltung für beendet erklärt haben, formieren sich die Gruppen im Raum neu. Überall höre ich die Leute über das, was sie erfahren haben, reden und diskutieren und natürlich sind nicht alle mit allem, was sie gehört haben, einverstanden. Ich gehe erneut mit meiner Schwester zum Tisch unserer Retter, doch zum ersten Mal verspüre ich nicht die geringste Angst. Dort angekommen nehme ich jeden einzelnen in die Arme und danke ihm herzlich dafür, dass sie uns geholfen und meiner Schwester ein neues Leben ermöglicht haben, denn erst heute habe ich begriffen, was sie wirklich alles für uns getan haben, sogar noch lange nachdem wir Europa erreicht hatten. Frank gesellt sich zu mir und sein Arm um meiner Schulter gibt mir Kraft und Bestätigung. "Es tut mir so leid, dass ich meine erste beste Freundin vergessen habe", erkläre ich gegenüber Tassilo und er umarmt mich gleich noch mal. "Wir waren froh, dass nichts von all dem Schrecklichen, was du in dieser Zeit erlebt hast, bei dir hängen geblieben ist, dass es okay war, dass auch ein paar gute Erinnerungen damit verloren gingen."
Ich kann es kaum glauben. Diese Männer haben es wirklich nicht verdient vom mir so vergessen und ins Abseits gedrängt worden zu sein und ich ahne, dass Mom auch daran ihren Anteil hatte. "Ist es okay für euch, wenn ich euch ab heute ebenfalls meine Dads nenne?" Die Reaktionen der Männer fallen so unterschiedlich aus wie ihre Charaktere. Veliko und Damien nicken nur. "Für mich bist du immer mein Mäxchen geblieben", zwinkert letzterer und mein Herz macht einen Luftsprung vor Freude. Bassam legt mal wieder beide Handflächen übereinander auf sein Herz und spielt den von einer Kugel getroffenen während er seufzt: "Junge - ich mein Mädchen - dass ich den Tag noch erleben darf" und ich kann nicht anders, als laut aufzulachen. Habbo umarmt mich erneut und ich kann Tränen der Rührung in seinen Augen blitzen sehen, als er sich wieder löst. Tassilo hingegen beschwert sich: "Komm schon, lieber wieder Freundinnen fürs Leben, dein Vater zu sein macht mich alt", woraufhin Armand seine Augen rollt und nur warnend knurrt. "Er gehört mir." Doch die Tatsache, dass auch Frank mich in diesem Moment besitzergreifend an sich zieht um klar zu stellen wohin ich gehöre, hilft dabei, die Situation zu entspannen. Der kleine Tozzo schlingt dem Riesen seine Arme um die Hüften und kuschelt sich an den Mann, dessen Gesichtszüge sofort weicher werden. "Meine Liebe gehört allein dir, du Brummbär, das weißt du doch, oder?"
Mitten in dem Geplänkel taucht auf einmal Mom auf. Ihre Blicke auf die Umstehenden wirken bedrohlich als ob sie jeden warnt, ihr ja nicht zu nahe zu kommen, doch als sie vor mir steht, sehe ich auch etwas Flehendes in ihnen. "Können wir irgendwo reden?" Ich bin so wütend. Wieso taucht sie jetzt auf? Hat sie die Show verfolgt? Und wenn ja, hat sie dann nicht kapiert, dass sie diesen Männern und meiner Schwester Dank schuldet, wenn sie mich wirklich so sehr liebt wie sie immer behauptet? Nicht einmal Sam gönnt sie einen Blick, geschweige denn ein freundliches Wort. "Ich weiß nicht, ob ich noch mehr deiner Vorwürfe gegenüber Soldaten hören will." Ich will schon ein Mom anfügen, beiße mir aber auf die Zunge um es zu unterdrücken. Doch sie hat es gemerkt und eine schmerzvolle Erkenntnis macht sich in ihr breit. "Bitte, nur ein paar Worte und nichts schlechtes über irgendwen, ich verspreche es." Ich sehe meine von mir neu anerkannten Dads an, doch finde nur zustimmende Aufmunterung in ihren Blicken. Als ich in Sams graue Augen blicke erkenne ich auch in ihr die Aufforderung, mich dem zu stellen. "Sie ist hergekommen, mitten in die Höhle der Löwen. Damit zeigt sie Größe. Höre was sie zu sagen hat und entscheide dann deine weiteren Schritte." Sie hat recht. ich habe ihr ein Ultimatum gestellt und jetzt muss ich es auch bis zum Ende durchziehen.
Wir gehen durch den Saal zu einer Tür hinter der ein kleiner Raum als Garderobe dient. Frank und Sam begleiten mich, bleiben aber an der Tür zurück und schließen sie hinter uns. Sie werden dafür sorgen, dass wir für den Moment ungestört sind, und gleichzeitig in der Nähe sein, um mir beizustehen, wann immer ich darum bitte. Ich liebe sie beide für diese Form von Support und sehe, wie Mom davon überaus überrascht ist. Das macht mich allerdings nur wütender. Sie hat sich nie die Mühe gemacht einen der beiden richtig kennen zu lernen, und bei Sam hatte sie immerhin fast 10 Jahre Zeit dafür, während sie gemeinsam unter einem Dach lebten. Doch dann tut sie etwas, was mich wirklich überrascht. Von jetzt auf gleich lässt sie ihr stolzes Gehabe fallen. Ihre Schultern sacken nach vorne und ihre Blicke weichen mir aus und suchen den Boden des Raumes nach etwas ab, was dort sicher nicht zu finden ist.
"Es tut mir leid, Maxine. Ich habe es nicht gewusst und ich muss gestehen, ich wollte es auch nie wissen. In meiner Jugend habe ich eine ganz schlechte Erfahrung mit einem Trupp von Soldaten gemacht und am Ende lernen müssen, dass man sie nicht einmal für ihre Verbrechen an mir bestraft hat, weil das Militär sie beschützt hat. Seit dem war ich nur noch wütend und nicht mehr bereit, auch nur einem von ihnen zu trauen." Ich schüttle ungläubig den Kopf. "Und warum hast du dich von ihnen anheuern lassen und ihr Geld angenommen?" Sie zuckt nur mit den Achseln. "Ich fand, das Geld stand mir zu, es war wenigstens eine gewisse Entschädigung für das, was mir passiert ist. Doch hauptsächlich hab ich den Job angenommen, um euch beiden aus ihren Fängen zu befreien und euch vor ihnen zu retten." Ich runzle die Stirn. "Willst du mir damit sagen, dass einer von ihnen etwas mit deinen Erlebnissen damals zu tun hatte? Oder sogar alle?" Ich bin geschockt aber ziemlich sicher, dass das nicht sein kann. Zum Glück dementiert sie das auch sofort. "Um Gottes Willen, nein. Um ehrlich zu sein haben diese Männer nie etwas getan um meine Abneigung zu verdienen. Trotzdem brauchte ich damals ein Ultimatum in Form einer Kündigungsdrohung, um endlich loszulassen und nicht mehr gegen sie oder Sam zu kämpfen."
Sie seufzt und sieht mich vorsichtig an. Ich habe noch nichts gehört, was mich erweichen lässt und das Gefühl, dass sie etwas damit zu tun hat, dass ich meinen Dads nicht schon früher näher gekommen oder meine Freundschaft mit Tassilo vergessen habe, verstärkt meine ablehnende Haltung ihr gegenüber nur noch mehr. "Ich muss zugeben, es musste mir wieder jemand die Pistole auf die Brust setzen, damit ich mich erneut öffnen konnte, aber ich habe deine Drohung ernst genommen und mir die Show angesehen." Sie schüttelt den Kopf, über sich selbst, wie mir klar wird. Ich war so versessen darauf, dir eine neue Zukunft zu bieten, dass ich mir nie die Mühe gemacht habe, die Vergangenheit mit einzubeziehen. Was konnte gutes kommen aus einem Leben in den Außenlanden und einer Beziehung zu Soldaten? Und als deine Schwester sich mit Händen und Füßen gegen das gewehrt hat was ich ihr bot, bestätigte das meinen Glauben in die negative Beeinflussung dieser anderen Welten nur um so mehr."
Ich knurre ungeduldig auf, als sie still wird. "Mom, ich habe das Gefühl, dass du mir deinen Hass und deine Angst vor Soldaten irgendwie übergestülpt hast und ich bin nicht mehr bereit, dir darin zu folgen. Ich wusste immer, dass sich nichts und niemand zwischen mich und meine Schwester drängen könnte, aber heute ist mir klar geworden, warum das so ist. Es ist also an dir. Du musst deinen Hass endlich ablegen, oder du verlierst mich für immer, verstehst du das?" Sie nickt und seufzt erneut. "Ich werde niemals Soldaten lieben oder zu meinen Freunden zählen, aber ich muss eine Soldatin lieben die meine Ziehtochter gerettet und zu mir gebracht hat und ich bin bereit ihre und deine Freunde zu akzeptieren und zu respektieren, selbst wenn sie Soldaten sind." Das war alles, was ich hören wollte. Mom war nie ein Mensch der etwas sagte, was er nicht auch so meinte und ich weiß, wie schwer es ihr auch fallen wird, sie meint es ernst. Ich schlinge meine Arme um sie und sie erwidert ohne zu zögern. "Es tut mir wirklich leid. Ich dachte wirklich, dass ich das Richtige tue." Sie weint und mir entkommen ebenfalls Tränen. "Du hast ja auch nicht alles falsch gemacht, nur bitte, hör auf gegen die zu kämpfen, die ich liebe, denn du zwingst mich dann dazu, jemanden fallen zu lassen, den ich ebenfalls liebe - dich."
Sie nickt an meiner Schulter und ich weiß, sie hat es verstanden. Ja, es ist hart und gemein, ihr so deutlich zu sagen, dass sie nicht an erster Stelle steht, doch sie war es in erster Linie, die diese Bewertung eingefordert hat und daher muss sie auch wissen, wo sie steht. Die Tür geht auf und Sam schaut vorsichtig herein. "Alles Okay?", fragt sie vorsichtig. Mom zieht sich zurück und sieht meine Schwester endlich mit tränenverhangenen Augen an. "Sam, es tut mir so leid, dass ich dir das Leben, das so schon hart genug für dich war, noch schwerer gemacht und dich schließlich sogar von mir gestoßen habe." Sie lächelt und kommt nun, gefolgt von Frank, herein der sofort zu mir eilt und mich in seine Arme zieht. Mom nickt auch ihm zu um ihm Respekt zu zollen und mir zu zeigen, dass sie es ernst meint, und ich nehme es als gutes Zeichen. Wie es weitergeht wird sich zeigen, aber es ist ein guter Anfang. Gemeinsam gehen wir wieder zur Party und nach einem kurzen wenn auch etwas kühlen Austausch mit unseren Dads haben wir plötzlich alle ein Sektglas in der Hand und stoßen auf die Zukunft an. "Aber ich werde dich nicht Mom nennen", erklärt Sam ernst und erhält ein einvernehmliches Lächeln von meiner Mom. "Ruth ist vollkommen okay."
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Sam & Max ✅
AbenteuerDiese Geschichte handelt von Sam und Max Jakobi. Sie gehört zu meinem Buch "Die Scharfschützin" und ich empfehle daher, diese zuerst zu lesen. Zwar wird die Welt weitgehend im Vorwort beschrieben und soweit nötig auch innerhalb der Geschichte erkl...