II: Die Kunst vom Essen und gleichzeitigem Mundhalten

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Als Nico die Augen aufschlug, hörte er bereits Rufe und Poltern von draußen. Anscheinend waren die anderen Camper schon auf den Beinen. Er blieb noch einen Augenblick liegen, dann schwang er die Beine aus dem Bett, zog sich an und lief zu den Waschräumen.

Das Muschelhorn forderte alle, auch Nico, auf in den Pavillon zu kommen.
Der Hadessohn stöhnte und lief los. Der einzige Grund, warum seine Laune nicht im Tartarus war, war Hazel. Sie würde heute mit Reyna, Gwen und einigen Anderen aus dem Camp Jupiter anreisen.
Frank hielt als Prätor Stellung, da er in letzter Zeit öfter hier war als Reyna.

"Hadeshütte, marsch!", befahl er seinen nicht vorhandenen Hüttengenossen.
Nico überlegte ernsthaft, ob er sich nicht vielleicht ein paar Skelette zulegen sollte, die eben diese fehlenden Hüttengenossen ersetzten.
Der Vorteil daran war, dass sie ihn nicht von morgens bis abends vollquatschten, wie es echte Geschwister wahrscheinlich machten. Im Pavillon angekommen, schaute Nico sich gleich nach Hazel oder Reyna um. Er hoffte inständig, dass sie schon da waren. Sein Wunsch ging natürlich nicht in Erfüllung.
Kein Römer weit und breit.

Dafür stand Will plötzlich vor ihm.
Nicos Puls beschleunigte sich unmerklich und er schaute schnell auf seine Füße.
"Guten Morgen.", begrüßte Will ihn fröhlich. "Morgen.", nuschelte Nico.
Der Heiler runzelte die Stirn.
"Was ist los, Nico?"
"Alles bestens.", fauchte dieser.
Sofort bereute er seinen scharfen Ton. Will schüttelte den Kopf.
"Ich bin nicht blöd. Irgendwas stimmt mit dir nicht. Was ist passiert?", fragte er und Nico überlegte, ob die Sorge in seiner Stimme wohl echt war.
"Nichts, was dich angeht.", log er schließlich. "Oh doch. Ich glaube, dass geht mich sehr wohl etwas an.", erwiederte Will trotzig und stemmte die Hände in die Hüfte.
"Schließlich bin ich dein Freund."
Nico schaute verwundert auf. Großer Fehler. Fast sofort verlor er sich in den hellblauen Augen seines Gegenübers. Nico riss sich zusammen und starrte hartnäckig auf Wills rechte Augenbraue.

"Oder etwa nicht...?", fragte dieser jetzt.
Nico schluckte, doch traute sich immer noch nicht, ihm wieder in die Augen zu sehen. "Ich...ich weiß nicht...", stotterte er.
Will zog seine Augenbrauen hoch.
"Ich persönlich wäre sehr gerne mit dir befreundet, di Angelo."

Nico stutzte. "Ich...also...okay?", gab er schließlich zum Besten, es klang aber eher nach einer Frage. Will grinste wieder, war mit einem "Bis später, Todesknabe." verschwunden und ließ einen vollends verwirrten Nico zurück.
Er schüttelte kurz den Kopf, um die Gedanken an blonde Locken und blaue Augen zumindestens für eine Weile loszuwerden.

Die nächste Turbulenz kam mit Percy und Annabeth, die gerade, zusammen mit der Athenehütte, den Pavillion betraten und Nicos Gedankenwirrwar nicht besser machten.
Nico schnappte sich schnell Teller und Besteck und lief zu seinem Tisch.
Percy hob kurz die Hand und Annabeth musterte ihn durchdringend, Nico starrte einfach nur zurück.
Er schaute auf seinen Teller und entschied sich letztendlich für einen einfachen Toast. Schnell stand er auf und opferte den Göttern, er hasste das Gedränge bei der Opferschale. Nun traten auch die anderen Tische vor und opferten ihren Eltern etwas von ihrem Essen.

Nico spürte durchdringende Blicke im Rücken und fuhr herum. Einige jüngere Apollo- und Hermeskinder starrten ihn mit einer Mischung aus Ehrfürcht und Angst an.
Auch die neuen Halbblute hatten inzwischen von seiner "Heldentat" gehört, allerdings war er immer noch ein Sohn des Hades.
Die Älteren Camper behandelten ihn jetzt größtenteils wie Ihresgleichen, doch es gab immer noch dieses Vorurteil, das besagte, Hadeskinder seinen böse, gefährlich und töteten gerne. Nico starrte die Camper an, die daraufhin beschämt die Köpfe sinken ließen.

Chiron räusperte sich.
"Guten Morgen, Helden und Heldinnen.
Nach zwei Wochen ist nun endlich auch wieder Mr.D vom Olymp zurück. ...Äh... Mr.D, das war ihr Stichwort."
Der Weingott erhob sich stöhnend.
Wenn er nicht nur so getan hatte, dann war Chiron garantiert der Einzige, der sich freute, ihn wieder zu sehen.
"Ja, ich bin wieder da.", begann Mr.D seine Rede.
"Yippy-Skippy. Also, der Krieg ist vorbei, alles in Butter. Stellt keinen Scheiß an. Annabelle Chance und Jenson Green werden heute zusammen mit Peer Johansen ins Camp Jupiter fahren, wegen neuen Hütten und so. Jetzt esst euer Frühstück und haltet gefälligst eure Münder."

"Wie sollen wir denn essen und gleichzeitig den Mund halten?",
fragte Travis Stoll vom Hermestisch aus. Einige Halbgötter lachten, doch Mr. D fand das anscheinend gar nicht lustig, woraufhin Connor, Travis jüngerer Bruder, eine Grimasse zog.
Nico fand das sehr mutig von ihm, angesichts von...naja...Mr. D. Dieser ließ sich wieder auf die Bank neben Chiron fallen und begann zu essen, nachdem er sich daran versucht hatte, die Stolls mit Blicken zu erdolchen.
Nico wandte sich wieder seinem Essen zu. Vorsichtig linste er zum Apollotisch hinüber, wo Will saß. Der Heiler lachte über irgendwas, dass seine Halbschwester Kayla gerade erzählt hatte. Dann sagte sie etwas zu ihm, woraufhin Will die Arme verschrängte und widersprach.
Bevor er sich noch länger in Wills Anblick verlieren konnte, stand Nico auf und lief zum Poseidontisch hinüber. Er baute sich vor Percy auf.

"Warum hast du mir nicht erzählt, dass ihr wegfahrt?", stellte er ihn zur Rede. Percy zuckte nur mit den Schultern.
"Ich hätte es dir schon noch erzählt."
Nico verdrehte die Augen, während Annabeth gespannt zwischen den beiden hin und her sah.
"Vielleicht wäre ich ja gerne mitgekommen?", fauchte er Percy an.

"Das, mein Lieber", konterte dieser, "Ist eine ganz große Lüge."
"Ach.", machte Nico und ließ sich auf der Bank gegenüber von Percy nieder.
"Ist es das?"
Der Poseidonsohn grinste.
"Ich darf dich an Hazels Besuch erinnern? Und außerdem", sein Grinsen wurde breiter, "Bleibt Will auch hier im Camp."

Percy zwinkerte ihm zu. Das war zu viel.
"Noch ein Wort und ich schmeiße dich eigenhändig in die Lethe!", drohte er.

Das er nun die gesamte Aufmerksamkeit der Camper im Pavillon hatte, interessierte ihn in diesem Moment herzlich wenig.
Der Sohn des Hades sprang auf und lief mit schnellen Schritten zu seiner Hütte.
Wills Rufe hörte Nico nicht mehr.

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Ich habe versucht, ein paar mehr Absätze einzubauen, weil ich im letzten Kapitel mehrfach darauf hingewiesen wurde.
Ich hoffe, es liest sich so besser.
LG

𝚃𝚛𝚞𝚜𝚝 𝚖𝚎 || 𝚂𝚘𝚕𝚊𝚗𝚐𝚎𝚕𝚘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt