X: die Kraft der Schatten

2.4K 158 86
                                    

Travis, der bei den Mitgliedern des anderen Teams gelauscht hatte, lief voraus, genau auf Zeus Faust zu.
Nico drehte sich immer wieder in alle Richtungen und entzog großen Bäumen mit gesammelter Kraft ihre Schatten, um zu sehen, was sich dahinter verbarg.
Noch waren sie niemandem begegnet. Noch nicht.

Doch das sollte sich schnell ändern, als eine Partie Pfeile aus den Bäumen auf sie zugeschossen kamen.
"Die Bogenschützen!" rief Travis unnötigerweise.
"Ach, auch schon bemerkt?", fragte Nico in sarkastischem Tonfall. Um sich vor weiteren Pfeilen zu schützen, warfen die drei schnell hinter eine große Eiche.
"Okay, los geht's."

Connor holte einen Böller mit der Aufschrift "selbstzündend" aus seiner Hosentasche und grinste seinen Bruder verheißungsvoll an.
Travis hielt eine Hand hinter dem Baum hervor, wie um zu prüfen, ob es noch Pfeile regnete. Die Bogenschützen hatten sich nicht die Mühe gemacht, sie hinter dem Baum hervor zu jagen, sondern warteten seelenruhig und mit gespannten Bögen, dass sich irgendwas tat.

Dieses Etwas kam ein paar Sekunden später in Form eines Silvesterknallers auf sie zu geflogen.
Eine Stimme, die Nico ziemlich genau als Will Solace erkennen konnte, rief
"Achtung!", worauf die Bogenschützen die schönsten Ausschmückungen griechischer Flüche riefen und auswichen.
Ein paar verschwanden hinter den Bäumen und letztendlich standen nur noch sieben da. Darunter Will.
Nico hätte sich eigentlich einfach in die Schatten zurückziehen können, allerdings hatte der Apolloheiler in einem Punkt Recht:
Er konnte nicht Schattenreisen, selbst wenn er es gewollt hätte.

Nico zog sein Schwert mit einer eleganten Bewegung aus der Scheide und trat hinter Travis und Connor hervor.
Er hatte kaum Zeit, sich einen Überblick über die Lage zu machen, da ihm bereits zwei Schwerter entgegen gestreckt wurden. Den Hephaistoskinder, ein Junge und ein Mädchen, war deutlich anzusehen, dass sie Angst hatten.
Sie dachten gar nicht daran, Nico anzugreifen. Nico hielt dem leichten Druck ihrer Schwerter stand und lächelte, wohl wissend, dass er die beiden kleinen Halbblute auf diese Weise so lange ablenken könnte, wie er wollte.

Der Junge versuchte, Nico das Schwert aus der Hand zu drücken, was allerdings sichtlich nicht funktionierte.
Etwa eine Minute lang beobachtete Nico aus dem Augenwinkel den restlichen Kampf. Travis und Connor gingen langsam die Böller aus und sie warfen Nico wütende Blicke zu. "Okay, okay, ich komm ja schon.", murmelte dieser und wollte mit seinem Schwert gerade ausholen, um die beiden Kinder des Hephaistos zurück zu drängen, als er etwas sehr Spitzes an seinem Rücken spürte.

Mit einem kurzen Blick über den Kampfplatz wusste Nico auch, wem das Schwert, das er in seinem Rücken vermutete, gehörte.
"Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du damit durchkommst, oder?", hörte er auch schon Wills Stimme hinter sich. Die Hephaistoskinder ließen erleichtert von Nico ab und rannten zu ihren Teamkameraden, um sich über Connor und Travis herzumachen. Nico konnte förmlich spüren, wie Will hinter seinem Rücken die Augen verdrehte.

Diesen Moment nutzte er und ließ sein Schwert in die andere Hand gleiten, um es dann wiederum blitzschnell an Wills Seite, die von dem Brustpanzer unbedeckt war, zu pressen. Will zischte wütend auf, im gleichen Moment fuhr Nico herum, die Klinge aus stygischem Eisen auf den Heiler gerichtet. Will seufzte, dann schlug er sein Schwert widerwillig gegen Nicos.
Das metallische Klingen erschütterte Nico, doch er versuchte, sich zu konzentrieren und nicht daran zu denken, dass er hier gerade gegen Will kämpfte.
Schon bald gab es in seinem Kopf nur noch den Rhythmus des Kampfes.
Ausweichen, zustechen, parieren.

Er drehte sich weg, als Will sein Schwert vorschnellen ließ.
Stach zu, verfehlte um ein Haar. 
Will drängte ihn langsam aber sicher immer weiter zurück. Nico spielte mit dem Gedanken, durch die Schatten zu reisen. Hätte er doch wenigstens den Einhorntrunk von Will getrunken.
Der Hadessohn hatte heute morgen mindestens Zehn Minuten damit verbracht, den Trank anzustarren und zu überlegen, ob er ihn trinken sollte.

Letztendlich hatte er sich dann dagegen entschieden. Will war trotz allem noch im gegnerischen Team und Nico wurde schon viel zu oft in seinem Leben hintergangen, als dass er seinen potenziellen Feinden trauen könnte.
Doch als er dann plötzlich die raue Rinde der großen Eiche an seinem Rücken spürte, sah er keinen anderen Ausweg mehr.
Nico sammelte seine Kraft, machte schnell einen großen Schritt, um auf die andere Seite der Eiche zu kommen, hörte Will noch etwas wie
"Das wagst du nicht, di Angelo!" rufen und verschwand in den Schatten. Es war schwierig, das Gleichgewicht zu halten.

Nico lief vorwärts, doch er wusste, dass ein falscher Schritt ihn ins Nichts befördern konnte. Die Geister streckten ihre Finger nach ihm aus.
Komm zu uns, flüsterten sie. Erinnere dich an uns.
Nico presste die Lippen aufeinander und setzte einen Fuß vor den anderen. Als er am nächsten Baum aus den Schatten stolperte, hatte er das Gefühl, einmal vom Hauptgebäude bis zum Waldrand und wieder zurück gerannt zu sein.

Ein Blick auf seine Hände, die das Schwert hielten, ließ ihn aber erleichtert feststellen, dass er sich noch nicht mal ansatzweise aufgelöst hatte.
"Du hirnloser Idiot!"
Will kam in Nicos Richtung gerannt, der an den Baum gelehnt versuchte, die Schwindelgefühle abzuschütteln.
"Du hast den Trank nicht genommen, oder?", schimpfte Will.
Zwei seiner Geschwister, Kayla und ein anderes Mädchen, liefen hinter ihm her. Will war vor Nico zum stehen gekommen und holte eine weitere Phiole aus seiner Hosentasche. Er versuchte, sie Nico einzuflößen, doch dieser stieß seine Hand weg.

"Lass mich.", fauchte er, leicht schwankend und das Schwert fest umklammert. Will stöhnte frustriert und wütend auf.
"Wieso vertraust du mir nicht? Weil ich im blauen Team bin oder was? Wieso kannst du nicht begreifen, dass ich dir helfen möchte? WIESO?!", zum Ende hin wurde er immer lauter und verzweifelter.

Nico sah Will an, dann schnellte sein Kopf zu Kayla, die ihn ebenfalls wütend musterte, dann wieder zurück zu Will. In seinen Ohren rauschte das Blut, er spürte seine Finger kaum noch, so fest drückten sie auf den Schwertgriff.
"Wieso?", fragte Will nochmal eindringlich und lief langsam auf ihn zu.

Und dann, irgendwo in Nicos Kopf brannte eine Sicherung durch.
Er schrie.
Er ließ alle seine Wut, Frust, Angst und Kraftlosigkeit in diesen Schrei einfließen. Das Gras verwelkte, die Temperaturen fielen bis unter den Nullpunkt.
Einer Welle aus Dunkelheit fegte über den Kampfplatz. Nico hob seine Hand und eher dieser sich versah, klaffte eine große Wunde in Wills linkem Arm. Es hätten noch so viele, schlimmere Dinge passieren können, hätte Nico noch die Kraft dazu gehabt.

Doch in dem Moment, wo seine Klinge die Haut des Apollosohnes berührt hatte, brach Nico zusammen.
Er hatte es getan.
Das, wovon er am meisten Angst gehabt hatte. Er hatte Will verletzt, eine weitere Freundschaft zerstört.
Im Nachhinein begriff Nico, dass die indirekte Berührung mit Will die Aura des Todes, die er aufgebaut hatte, zerstört hatte.

Wills Heilungskräfte hatten in diesem Moment auf ihn gewirkt und so sein Überleben ermöglicht.
Aber Nico war am Ende.
Durch einen Schleier bekam er noch mit, wie Will neben ihm zusammenbrach und aus dessen Wunde schwarzer Rauch quoll. Irgendwo weit entfernt wurde in das Muschelhorn geblasen.
Nicos Blick wanderte auf seine Hände, die durchscheinend waren und sich langsam auflösten.

________________

MUUUUHAHAHAHAHAHA!

Cliffhanger, ihr b*tches!

Okay, seriously, ich bitte euch, mich zu verschonen. Mir liegt nen bisschen was an meinem Leben...

𝚃𝚛𝚞𝚜𝚝 𝚖𝚎 || 𝚂𝚘𝚕𝚊𝚗𝚐𝚎𝚕𝚘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt