XIV: Das unschuldige Lächeln eines Hermeskindes

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Nico lag auf seinem Bett und hörte seinem eigenen Magenknurren zu. Außer die Pfannkuchen, die Percy ihm gestern vor die Tür gestellt hatte, hatte er die letzten zwei Tage nichts gegessen. Stöhnend rollte er sich auf den Rücken, aber es brachte nichts.
Er musste was essen.
Das hieß, er musste raus. Nico stand auf und lief zum Fenster.
Von hier aus hatte er einen guten Blick auf das Volleyballfeld und die Erdbeerfelder. Überall lungerten Camper rum, pflücken Erdbeeren oder folgten dem Beispiel von Chris, der lachend vor Clarisse flüchtete. Wenigstens hatte die Knallbirne die Liebe ihres Lebens gefunden, dachte Nico.

Er zog sich frische Sachen an und lief in die Schatten. Achlys Stimme war tagsüber und die letzten beiden Nächte nicht mehr zu hören gewesen, doch er wusste, dass sie ihn noch lange nicht aufgegeben hatte.
Nico kam bei den Waschräumen an und duschte sich in Rekordzeit, um einen Zusammenstoß mit einem anderen Halbblut zu vermeiden. Der Halbgott wartete ungeduldig, die seine Haar nicht mehr ganz so nass waren, dann rannte er zum Speisepavillon.
Hier hatte er nicht ganz so viel Glück. Am Hermestisch saßen zwei, ihm allzu bekannte Hermeskinder und diskutierten. Nico lief an ihnen vorbei, um sich einen Teller vom Stapel zu nehmen und schnappte einige Gesprächsfetzen auf.

"Du bist am Arsch.", erklärte Travis. Connor schlug sich daraufhin gegen die Stirn.
"Nein, ich bin verliebt. Wie oft noch?"
Nico wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte, so sehr trafen diese Sätze auf ihn zu. Er nahm sich einen Teller und wollte sich schon an den Hadesstisch setzen, als er Rufe hinter sich hörte:
Die Stollbrüder hatten ihn entdeckt. Normalerweise ein Satz, den Niemand gerne auf sich bezieht, doch heute bedeutete er für Nico ausnahmsweise etwas Positives. Er änderte seine Richtung und lief zum Hermestisch.
Zögernd setzte er sich zu den Brüdern, opfern musste er nicht, da das Feuer in der Feuerschale sowieso nicht an war. Abgesehen davon hatte er im Moment eh nichts, wofür er seinem Vater danken konnte.

"Äh...", Nico überlegte fieberhaft, was er wohl sagen sollte.
"Hört mal...es tut mir leid. Das mit Will und das ich so... überreagiert habe. Ich wollte das nicht und...", er vergrub sein Gesicht in den Händen. "Ich bin verdammt schlecht im entschuldigen." "Stimmt.", sagte Connor, worauf Nico ihm einen Dein-Ernst?-Blick zuwarf.
"Schon gut.", meinte Travis.
"Wir wissen ja,...", fuhr Connor fort.
"...dass du ihn nicht mit Absicht verletzt hast.", beendete Travis den Satz. Damit war das Thema für die beiden offenbar geklärt.

Nico überflutete ein seltsames Gefühl der Erleichterung, dass die Stolls ihn nicht verurteilten. Er hatte die beiden Hermessöhne in der letzten Woche trotz ihrer nervigen Kommentare lieb gewonnen.
"Aber jetzt müssen wir über was wirklich wichtiges reden. Connor", Travis warf seinem Bruder einen Blick voller Resignation zu, "hat sich in Mirander verliebt." Er packte Nico an den Schultern und schüttelte ihn, während er "Miranda Gardiner! G-a-d-i-n-e-r!" rief, als sei Nico schwer von Begriff.
"Ist ja gut.", murmelte dieser und wischte Travis Hände von seinen Schultern.
"Nein.", erklärte Travis bestimmt.
"Dabei ist er ganztägig damit beschäftigt, ihr irgendwelche Streiche zu spielen. Echt, er sollte Stundenlohn dafür bekommen!", beschwerte er sich weiter, während sein Bruder ein unschuldiges Lächeln aufgesetzt hatte, was ziemlich misslang.
Denn das unschuldige Lächeln eines Hermeskindes ist ungefähr so vertrauenserweckend wie eine alte, morsche Schaukel.
Nämlich gar nicht.

Nico zuckte mit den Schulter und stand auf. Er wollte nicht noch mehr Drama, als er sowieso schon hatte.
Schweigend ging er rüber zu seinem Tisch, während die Stollbrüder hinter ihm wieder anfingen, zu diskutieren. Er aß zwei Portionen Rührei mit Würstchen und nahm sich noch einen Granatapfel mit, dann mache er sich wieder auf den Weg zurück zu seiner Hütte. Weit kam Nico jedoch nicht.
"Hey, Todesknabe."

Nico erstarrte. Er brauchte sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Will hinter ihm stand.
Langsam drehte er sich um. Drüben am Hermestisch hatten Connor und Travis die Köpfe zusammen gesteckt und beobachteten die Situation interessiert.
"Ähm...Hallo, Will...", Nico fühlte sich schrecklich unwohl. Er hatte diesen wunderschönen Jungen vor sich schwer verletzt. Sein Blick wanderte zu Wills Gesicht, das noch etwas blass aussah, dann zu seinem Arm. Es war immernoch ein Verband darum gewickelt. Will bemerkte Nicos Blick und lächelte nervös.
"Ich wurde heute mittag entlassen. Noch ein paar Tage, dann kann ich den Verband abnehmen."
Nico schluckte. Er dachte abwechselnd "Wieso sind diese Sommersprossen so unfassbar süß?" und "Ich darf ihm nicht zu nahe kommen."
Aber er sagte nichts.
Will lächelte jetzt breiter und ignorierte Nicos Schweigen.
"Lass uns zum See gehen.", sagte er und wollte Nico mit sich ziehen. Dieser wich Wills Arm gerade noch aus.
"Ach, komm schon, di Angelo." Will verschrenkte die Arme vor der Brust.
"Ärtzliche Anordung."

Nico war kurz davor, zu nicken. Er musste nur darauf achten, Will in keiner Weise zu berühren.
Plötzlich hörte er lauter werdende Rufe. Will und er schauten sich suchend um.
Zwei Camper, ein Junge, ungefähr Fünfzehn, und ein Mädchen, das Gleiche, dass Nico vor zwei Tagen im Pavillon runtergemacht hatte, rannten auf sie zu.
Dahinten lief einer von Wills jüngeren Brüdern. Nico verkrampfte sich noch mehr, als er sowieso schon war, und legte seine Finger um den Schwertgriff. Im Augenwinkel sah er, wie Travis und Connor aufstanden, und beobachteten was passierte, bereit, einzugreifen.
"Will, Will!", schrien das Mädchen und Wills Bruder laut, als wollten sie ihn auf ein Monster aufmerksam machen, dass hinter ihm stand. Und Nico hatte das ungute Gefühl, dass er das Monster verkörperte.

Schon spürte er, wie er nach hinten gezehrt wurde. Der Fünfzehnjährige hielt ihn fest und zog ihn von Will weg.

Nico merkte, wie er wütend wurde.
Er hatte Will weder bedroht oder versucht, ihm irgendwas anzutun.
Es verbesserte die Situation nicht gerade, dass das Mädchen und der Apollosohn sich schützend vor Will stellten.
"Bist du okay?", fragte die Tochter der Athene. Nach ein paar Sekunden schien Will aufzugehen, dass Nicos Wutausbruch nicht so einfach in Vergessenheit geraten war, wie er es sich vielleicht gewünscht hatte. Sein Gesichtsausdruck änderte sich von verwirrt und wütend.
Er stieß die beiden anderen zur Seite und lief auf Nico und den größeren Jungen, der ihn immer noch fest hielt, zu.
"Will, blieb da weg.", das Mädchen zog ihn zurück.
"Sonst verletzt er dich noch.", das sagte sie, als ob sie über ein wildes Tier sprechen würde. Diese Tatsache gab dem Hadessohn den Rest. Er schrie wütend auf und den Junge hinter ihm sackte zu Boden, worauf das Mädchen aufkreischte.
"Er hat ihn umgebracht!", schrie sie in einer sicherlich ungesunden, ziemlich hohen Tonlage.
"Er schläft.", erklärte Nico genervt.

"Das kann ja jeder sagen.", Sherman Yang stürmte, gefolgt von ein paar anderen Halbgötter in den Pavillon. Travis und Connor liefen zu ihnen hinüber.
"Halt die Fresse, Sherman.", rief Connor. "Siehst du nicht, wer hier wen angreift?"
"Ich sehe sehr wohl, dass-" Travis Faust landete in Shermans Bauch und Connors Knie in seinem Rückrad.
Er schlug Travis daraufhin gegen die Nase, dann kassierte er eine nicht gerade sanfte Kopfnuss von Connor. Will schaute die anderen Camper an.
"Verpisst euch!" rief er.
"Und du holst Kayla und Austin.", sagte er seinem kleinen Halbbruder mit einem Blick auf die Prügelei.
"Aber ich kann dich doch nicht einfach mit diesem gefährlichen -"
"Du holst jetzt verdammt nochmal Austin und Kayla!" unterbrach ihn Will unwirsch.

Nico war froh darüber, dass er nicht hören musste, welche Beleidigungen der Kleine für ihn hatte und versuchte, Sherman von Connor runter zu ziehen. Als alles zerren nichts brachte, legte er seine Hand um den Hals des Aressohns, und zog ihn weg.
Sobald dieser nicht mehr auf Connor saß, ließ Nico los, um ihn nicht zu verwunden.
Sherman röchelte, und wollte schon auf Nico losgehen, da ertönte ein lautes "KLONG!" und er fiel zur Seite.
Hinter ihm stand Kayla mit schaumigen Händen, eine Bratpfanne in ihnen haltend.
Nico zog eine Augenbraue hoch und packte den bewusstlosen Aressohn unter den Achseln, um ihn weg zu zerren.
"Jetzt muss ich sie nochmal abwaschen.", murrte Kayla, dann riss sie den Mund auf und brüllte:
"Haaaaaaaaalt!"
Ihr Geschrei übertönte das der Anderen mühelos. Alle hielten inne und schauten zu ihr. "Ich habe keine Lust, die hier noch mal zu benutzen.", sie hielt die Bratpfanne hoch.
"Also verzieht euch. Das ist nicht eure Angelegenheit."

Die meisten Camper zerstreuten sich auf diese Aufforderung hin zögerlich. Sobald Nico Sherman halbwegs sanft auf dem Boden abgelegt hatte, lief Will auf ihn zu.
Nico trat rückwärts, um ihm nicht zu nahe zu kommen.
"Nico, bleib verdammt noch mal stehen!", fluchte der Heiler, doch Nico dachte nicht daran. Er drehte sich um und flüchtete in die Hadeshütte.
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Habe ich euch jetzt einen gemeinsamen Feind gegeben?
Hier ist Kaylas Bratpfanne. Viel Spaß.

𝚃𝚛𝚞𝚜𝚝 𝚖𝚎 || 𝚂𝚘𝚕𝚊𝚗𝚐𝚎𝚕𝚘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt