IV: Römische Nasen und miese Verräter

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Der einzige Lichtblick für Nico an diesem Tag war Hazel. Und sie war endlich gekommen.
Nico lief schneller, sobald er sie sah. Sie und Reyna standen mit etwa 20 anderen römischen Nasen im Pavillon, wo Chiron und ein paar Camper sie willkommen hießen.

Dort angekommen lehnte Nico sich im Schatten an eine Säule, unsichbar für diejenigen, die ihn nicht erwarteten, und beobachtete die Szenerie.
Hazel machte sich schnell von dem Trubel los, und suchte den Pavillon nach Nico ab. Als sie ihn entdeckte lief sie zügig auf ihn zu.

"Hallo, Nico.", sie lächelte, als sie vor ihm zum stehen kam und zu ihrer Verwunderung lächelte er zurück, auch wenn dieses Lächeln nicht seine Augen erreichte.
Das hatte keines mehr getan, seit fast fünf Jahren nicht.
"Gehen wir in die Hütte.", schlug Nico vor, nicht zuletzt, weil Will Solace ebenfalls im Pavillion war.
"Nicht so schnell.", erklang eine feste Stimme hinter ihnen. Dort stand Reyna und Nico sah, dass sie so gelöst wie schon lange nicht war. Ob es an ihrer hinzugewonnenen Unterstützung namens Frank Zhang oder an ihren jetzigen Urlaub lag, konnte Nico schlecht sagen.
Die Prätorin lief festen Schrittes auf ihn zu und stoppte kurz vor ihm.
"Hallo, Nico.", etwas verlegen krazte sie sich am Nacken, als er nichts erwiederte. "Schön dich zu sehen...ich meine, also...darf ich dich umarmen?" Nico starrte sie an und runzelte die Stirn, dann nickte er langsam. Sofort fiel Reyna ihm um den Hals. "Ich habe dich auch vermisst.", flüsterte Nico in ihre Haare, so leise, dass es niemand sonst verstand.

Er merkte, wie Reynas Hände vorsichtig über seinen Rücken strichen und verspürte den Wunsch, sie nie wieder los zu lassen. Es verband sie so viel Schmerz, so viel Hoffnung und so viel Entschlossenheit. Beide hatten viel durchgemacht und Nico vertraute ihr vollkommen, was sonst bei viel zu wenigen der Fall war.
Er wollte sich in diesem Moment einfach an ihr festklammern, wie an einem Fels in der Brandung.
Der Sohn des Hades hatte sich wieder ein Stück weiter ins Licht getraut.

"Also, wie gehts dir?" Hazel hatte sich auf eines der Hochbetten geschmissen und baumelte jetzt kopfüber hinunter. Nico seufzte und ließ sich auf einem Stuhl nieder.
"Es geht."
Hazel legte den Kopf schief, was kopfüber recht komisch aussah. Er schüttelte den Kopf. "Du hast entschieden zu viel Zeit mit Rachel verbracht."
Hazel lächelte.
"Der Krieg ist doch vorbei."
"Und? Manchmal wünschte ich, er wäre es nicht. Zu viel Zeit zum Nachdenken ist auch nicht so gut.", Nicos Stimme klang verbittert.

Hazel zog sich am Bettfosten hoch, kletterte die Leiter herunter und stellte sich vor Nico. "Was ist los? Wenn du dir so etwas wünscht, dann muss dir echt langweilig sein."
Nico schnaubte und ließ sich auf sein Bett fallen. Hazel setzte sich daneben, nachdem sie einen eiergroßen Saphir aufgehoben hatte. Ihr Bruder betrachtete ihn eine Weile und begann dann, zu sprechen.
"Ich war heute auf dem Half-Blood Hill...Athene nervt. Nichts weiter.", erklärte er.

Seine Schwester war die einzige, der er erzählt hatte, dass die Statue manchmal zu ihm sprach.
Damals hatte sie ihn nicht für verrückt gehalten, doch jetzt glaubte sie ihm nicht, dass wusste er.
"Wieso warst du oben?", sie schaute ihn neugierig an.
"Weil ich einen Rat brauchte."
"Das weiß ich selber. Aber warum?"

Nico biss sich auf die Lippe und winkte ab. Hazel musterte ihn aufmerksam. Vor ihr konnte man nichts geheim halten.
"Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du bist verliebt."
Da sieht man es, dachte Nico. Er konnte sich eine noch so gute Ausrede einfallen lassen, sie würde ihn immer durchschauen. Nico vergrub seinen Kopf in den blutroten Laken, während Hazel zufrieden grinste.
"Wer ist es?"
"Wer?"
"In wen bist du verliebt?"
"Achso."
"In wen?"
Hazel beugte sich vor und schaute in gespannt an. Nico biss sich abermals auf die Lippe.
"Will.", brachte er schließlich hervor. Hazel zog die Augenbrauen hoch.
"Wer, bitte?"
"Will Solace. Der Typ, der mir geholfen hat, Octavian in die Luft zu schießen."
Hazel nickte.
"Er scheint mir sehr sympathisch."
Nico musste leicht grinsen.

Seine Schwester erhob sich zögernd.
"Ich werde zu Piper gehen.", meinte sie und lief Richtung Tür, während Nico nur abwesend nickte. Bevor sie verschwand drehte Hazel sich noch einmal zu Nico um.
"Nico? Ich bin froh, das du es mir erzählt hast." Die Plutotochter lächelte noch einmal aufrichtig, dann schloss sie die Tür.

Nico ließ sich nach hinten aufs Bett fallen.
Er wollte bei Will sein. Ihn beobachten, durch seine lockigen Haare fahren und seine besorgte Stimme hören, die ihn rügte, nachdem er wieder durch die Schatten gesprungen war.
Und gleichzeitig hasste er sich. Er hasste sich dafür, dass er so empfand.
Liebe ist ein mieser Verräter, schoss es Nico durch den Kopf, als er so dalag und die schwarze Decke der Hadeshütte anstarrte.

So vertieft in seine Gedanken nahm er das Klopfen an der Tür erst beim zweiten Mal wahr. Nico stand genervt auf, lief zur Tür und erwischte sich dabei, wie er sich wünschte, Will würde davorstehen.
Und tatsächlich:
Der Apollosohn grinste Nico leicht an und fragte, ob er reinkommen dürfte, doch anstatt eine Antwort abzuwarten trat er einfach ein.

Will drehte sich zu Nico um und schnaubte. "Wie kannst du nur hier drinnen leben?"
Nico zuckte mit den Schultern.
"Leben kann man es nicht nennen. Ich schlafe nur hier."
Er setzte sich wieder auf sein Bett.
"Was willst du, Solace?", fragte er schließlich und bemühte sich um einen genervten Unterton. Will kratze sich etwas verlegen am Nacken.
"Naja... Du bist heute morgen so schnell weggerannt. Ich wollte mal nach dir sehen." Nico schnaubte erneut.
"Ich dachte, nach den drei Tagen auf der Krankenstation währe ich dich wieder los."

Will setzte sich nun auch aufs Bett.
"Ich bin doch nicht nur deswegen hier.", erklärte er.
"Ich meine, wenn wir Freunde sind, ist es doch klar, dass ich mich um dich kümmere."
Nico schaute ihn wütend an.
"Ich brauche keine Hilfe.", fauchte er. Will stämmte die Hände in die Hüfte.
"Oh doch, mein Lieber. Wenn du jetzt auch nur einen Schattensprung machen würdest, könntest du dich auflösen. Ein falscher Schritt und du kann nie mehr zurück." Der Schwarzhaarige sprang auf.
"Ich kann sehr gut für mich sorgen. Ich brauche kein nerviges Apollokind, dass ständig um mich rum läuft und mich bemuttert."
Das hatte gesessen.

Will schaute ihn seine Moment lang verletzt an, bevor er ebenfalls aufsprang.
"Was ist eigentlich dein Problem, Nico? Ich habe dir geholfen, dich einigermaßen auf die Beine zu bekommen, und das ist der Dank?!", schrie er nun.
"Ich habe dich nie um deine Hilfe gebeten! Du hättest mich auch einfach stehen lassen können. Warum eigentlich nicht? Haben alle anderen doch auch gemacht.", rief Nico, zum Ende hin wurde sein Tonfall verbitterter.

"Ich habe dir geholfen, weil ich dich mag und dich nett finde! Und du weißt genauso gut wie ich, dass du ohne mich nicht mal in der Lage wärst, einen Hühnerknochen herauf zu beschwören!"
Nico war kurz irritiert.
Hatte Will ihn gerade nett genannt?
Doch er schob er diesen Gedanken schnell zur Seite.

"Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich komme sehr gut ohne dich klar, also kümmere dich um deinen eigenen Scheiß!", zischte er noch und rannte aus der Hadeshütte.
"Siehst du? Du rennst vor deinen Problemen weg, anstatt dich ihnen zu stellen und sie zu lösen! Warum lässt du dir nicht einmal im Leben helfen?!", schrie Will ihm noch hinterher, dann lag die Hadeshütte außer Hörweite.

Eris* meinte es heute echt nicht gut mit ihm, dachte Nico. Er lief zur Arena und zerstach, wie schon am morgen, warlos Pappkameraden.
Er war wütend.
Auf Will.
Und auf sich selbst.
Warum?

Weil alles, was Will gesagt hatte, stimmte.

*Eris ist die Göttin der Zwietracht und des Streites.

𝚃𝚛𝚞𝚜𝚝 𝚖𝚎 || 𝚂𝚘𝚕𝚊𝚗𝚐𝚎𝚕𝚘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt