Kapitel 1

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Jayden

Ich sitze mitten im Matsch. Seitlich an meinen Schuhen drückt sich der Schlamm an dem abgenutzten Leder nach oben. Noah, mein bester Freund, zittert neben mir von der unvorstellbaren Kälte des Windes. Wir warten darauf, dass etwas passiert. Doch außer dem Blatt, das von meiner Schulter auf dem Boden gleitet, ist alles totenstill um uns herum.

"Was denkst du wie lange wir noch warten sollen?", fragt Noah ein wenig ungeduldig. Er spielt nervös mit einem Medaillon, das er vor einem Jahr in einem Wald gefunden hat, in dem wir uns versteckt hielten. Es ist mit einer schönen Gravur versehen. Ich betrachte es gedankenverloren. Das kalte Licht des Mondes bricht sich auf dem Silber und wirft Lichtsprenkel auf die Blätter des Busches, hinter dem wir sitzen.

"Sie haben uns bestimmt schon bemerkt", sage ich und sehe im selben Moment einen Schatten hinter einem Felsen verschwinden.

"Jetzt", flüstere ich.

Chloe

Man sagt die Augen seien das Tor zur Seele. Die Pupillen vergrößern sich, wenn man etwas Schönes erblickt oder werden kleiner, wenn die Sonne das Gesicht bedeckt. Die Augen können uns verraten, ob wir Trauer, Freude, Schmerz oder Leichtigkeit verspüren. Doch was sie nicht können, ist sich in zwei Seelen zu teilen. Dachte ich zumindest...

Die Augen, die mich neuerdings ansehen, zeigen hauptsächlich Verwirrung und Abneigung. Und zwar sind es die der Menschen in dieser neuen Stadt. Ich hatte nie Probleme mich an eine neue Umgebung anzupassen, doch seit unserem Umzug in eine Kleinstadt nahe New York, fühle ich mich merkwürdig, weniger wie ich selbst. Ich frage mich, ob das daran liegt, dass ich meine beste Freundin Kara vermisse oder weil ich schlicht und einfach kein soziales Leben mehr habe. Das soziale Leben, welches ich trotz meiner manchmal introvertierten Persönlichkeit brauche und vermisse. Ich denke ambivertiert ist wohl das, was mich am besten beschreibt.

Da ich mich nach Menschen sehne und etwas Ablenkung von meinen eigenen Gedanken brauche, mache ich mich auf den Weg ein paar Besorgungen für meine Eltern zu erledigen und fahre mit dem Fahrrad in die Innenstadt. Die Bewegung tut mir gut und das Sonnenlicht kann mir etwas Vitamin D schenken, was ich nach dem vergangenen Winter in New York gut gebrauchen kann. Gott sei Dank ist bald wieder Sommer.

Wenn ich mich hier nicht oft so unwillkommen fühlen würde, würde mir die Stadt gefallen, denke ich. Sie besteht aus einem guten Mix zwischen süßen Kaffees und Büchereien, in denen man seine Zeit verbringen konnte. Ich stelle mein Fahrrad neben einer Brücke ab, die über einen schmalen Bach führt, und biege in die nächste Straße ein. Aus dem Augenwinkel bemerke ich wie mich jemand beobachtet. Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung und er senkt schnell seinen Blick. Sein Gesicht kann ich nicht klar erkennen, da er sich die Kapuze über den Kopf gezogen hat. Dann jedoch sieht er wieder vorsichtig von seinem Smartphone auf und schielt in meine Richtung. Ein Sonnenstrahl streift seine zerzaust gestylten Haare und ich erkenne ihn. Es ist Tyler.

Tyler hat zeitgleich mit mir an meine neue Schule gewechselt. Ich hatte zuerst gehofft dieses Merkmal würde uns zu Verbündeten machen, aber bisher ist er mir immer ausgewichen. Vielleicht will er einfach nur seine Ruhe. Doch angesichts der Tatsache, dass er genauso wenig willkommen zu sein scheint wie ich in dieser Stadt, sollte er sich langsam überwinden zumindest mit mir zu sprechen. Damit wären die Freistunden nicht ganz so langweilig.

In Gedanken versunken wäre ich fast an der Kaffeerösterei vorbeigelaufen, welche mein Ziel gewesen ist. Es war der erste Laden, den meine Eltern zu ihrem Stammgeschäft erkoren haben und ich muss sagen ich bin zufrieden mit der Wahl. Das sagt bereits einiges über meine Familie aus, wie ich annehme.

Beim Tür öffnen weht mir der Duft frischgerösteten Kaffees entgegen. An der rechten Wand befinden sich drei kleine Tische mit hübschen zusammengewürfelten Stühlen. Ein Pärchen sitz an dem Tisch ganz in der Ecke und beginnt zu tuscheln, sobald ich hereinkomme. Ich versuche es zu ignorieren und stelle mich in der Schlange hinter einer alten Dame an.

Als die Dame ihre Handtasche bis zum Rand gefüllt hat mit verschiedensten Sorten an Kaffee dreht sie sich um Richtung Tür, wobei sie direkt in mich hineinläuft. „Verdammtes Gör warum stehst du im Weg!", mault sie mich an. Ich ziehe meine Augenbrauen nach oben und will schon genauso garstig antworten, doch ich entschuldige mich nur schnell, um einen Streit inmitten des Geschäfts zu verhindern.

Weiter zeternd dackelt die alte Dame nach draußen. Ich seufze in Richtung des jungen Kassierers. „Was soll man da sagen." Ich lache, um die Situation zu entschärfen und um dem Kassierer vielleicht auch ein Lächeln zu entlocken. Doch dieser sieht nur grimmig drein und meint: „Beim nächsten Mal solltest du wohl besser schauen, wo du dich hinstellst!" Ich lache nervös und suche nach einem Hauch von Sarkasmus in deinen Augen, doch werde nicht fündig.

Verunsichert kaufe ich zwei Packungen der Golden Lion Sorte und verschwinde aus dem Laden. Was habe ich nur an mir, weshalb ich neuerdings nur in solch unangenehme Situationen gerate. Nun ja egal. Das wird schon wieder, sage ich mir. Vielleicht leide ich nur an Verfolgungswahn, da ich mich hier noch nicht richtig zuhause fühle.

Beim Aufschließen meines Fahrrads sehe ich mich um, ob ich den Kapuzentyp wieder sehe, doch er ist verschwunden. Als ich gerade losfahre bemerke ich noch, wie jemand mit einem schwarzen Kapuzenshirt in die nächste Querstraße verschwindet.

Zuhause rolle ich mich auf meinem Bett zusammen und döse langsam ein. Irgendwann gehe ich ins Bad, um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Ich funkele mein Spiegelbild an. Meine karamellblonden, kinnlangen Wellen standen auf allen Seiten ab.

Ich denke an meine Freunde auf der alten Schule, die leider viel zu weit entfernt sind. Die Erinnerungen an sie kommen mir vor wie aus einem anderen Leben, einem Leben, in dem alles besser war.

Meine funkelnden Augen sehen gefährlich aus was mir gefiel. Vielleicht sollte ich das für die Schule üben. Allerdings würde ich dadurch noch weniger Anschluss finden. Dennoch tröstet mich dieser Gedanke ein wenig.

Ich funkle mich weiter im Spiegel an. Meine blaue Iris scheint mehr als sonst hervorzustechen. Ich spüre eine merkwürdige Energie in mir hochkochen. Zuerst denke ich es ist Wut doch es ist vielmehr, als würden meine Muskeln vor Kraft zu pulsieren beginnen. Ich sehe an mir herunter und an meinen Armen entlang. Das Gefühl hört nicht auf und ich gerate leicht in Panik. Das kann nicht gesund sein, denke ich. Ich blicke wieder in den Spiegel und bleibe dann wie angewurzelt stehen, denn meine sonst blauen Augen haben sich um meine Pupille herum in ein leuchtendes gelb verfärbt. 

Zuerst waren da die AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt