Kapitel 57

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Jayden

Chloe schlug vor, dass wir in kleinen Gruppen per Anhalter zum Zentrum der nächsten Stadt fahren und so sitzen wir nun jeweils in zweiergruppen in verschiedenen Autos.
    Ich bin noch nie in einem Auto gesessen, geschweige denn mitgefahren und so wundert es Noah kein bisschen, dass ich schwitzige Hände bekomme. Das klapprige Auto hat quietschend vor unseren Füßen gehalten und der Fahrer, ein Typ in etwa unserem Alter, hat uns hinten einsteigen lassen. Ich zucke zusammen als das Auto schlagartig anfängt zu brummen. Noah lacht. „Er hat nur den Motor gestartet, keine Panik." Hoffentlich hat das der Kerl nicht gehört.
Während der Fahrt beobachte ich den Fahrer. Er ist groß und ein wenig schlaksig. Seine braunen Haare stehen zu Berge. Ich frage mich, ob er sie so gestylt hat oder, ob es hier die neuste Mode ist. Seine Hose sitzt viel zu tief und seine Unterhose, die mit kleinen gelben Männchen verziert ist, hängt über dem Hosenbund heraus. Minions steht auf dem Bund der Hose und wieder einmal bin ich total verwirrt von dieser Welt. Die Schule hat mich nicht im Geringsten auf solch skurrile Trends vorbereitet.
    „Also was macht ihr denn hier mitten in der Pampa?", fragt der Junge und wirft uns einen kurzen Blick durch den Rückspiegel zu während er an seinem roten ausgenutzten Shirt zupft. „Ihr seid schließlich kilometerweit von der Stadt entfernt."
    Ich versteife mich, weil mir keine Sinnvolle Antwort einfällt, doch zum Glück ist die Frage auch an Noah gerichtet worden. „Wir hatten eine Wette am Laufen."
    Der Fahrer lacht kurz auf. „Ach ja? Und was habt ihr gewettet?"
    „Ähm, wer weiter weg von der Stadt läuft als der andere ohne dabei etwas zu trinken", sagt Noah und wirft mir einen unsicheren Blick zu. Ich zucke leicht mit den Schultern und der Junge bricht in schallendes Gelächter aus. „Klasse Wette! Geniale Idee! Und um was habt ihr dabei gewettet?"
    „Wer den nächsten Kinobesuch zahlen muss", sagt Noah und grinst, „und wie es aussieht bekomme ich meinen gezahlt."
    Der Junge lacht immer noch schallend. „Meine Fresse! Welche Macke habt ihr denn? Ne geile schätze ich mal. Wie heißt ihr?"
    „Ich bin Jayden und das ist Noah", antworte ich.
    „Cool. Ich bin Ryan. Sagt mal, seid ihr neu hier? Ich hab euch hier noch nie gesehen."
    „So kann man es sagen. Wir nehmen an einem Austauschprogramm teil. Wir bleiben hier nur für eine Woche", erwidert Noah. Unsicher sieh Noah aus dem Fenster. Es ziehen bereits Häuser mit kleinen Gärten daran vorbei. Ein Windzug bringt die Blätter zum Rascheln. Jedes Haus ist mit einem anderen Farbton gestrichen. Dünne Vorhänge hängen hinter den Fenstern. Etwas scheint ihn zu beschäftigen und immer wieder beobachtet er verstohlen Ryan.
    An einer Kreuzung biegt Ryan ab und wir gelangen auf eine stark befahrene Straße. „Woher kommt ihr denn?", fragt Ryan.
    „Aus Europa, Deutschland", sagt Noah, dessen Kopf sich ruckartig wieder zu Ryan dreht. In diesem Moment kommt die Sonne hinter den Wolken hervor und scheint auf Noahs gold-blonde Haare. Noahs Gesicht nimmt einen gehetzten Blick an. Erst jetzt verstehe ich warum Noah während der ganzen Fahrt nervös aus dem Fenster gesehen hat.
    Goldene Haare gehören wohl zu den Dingen, die man in der Welt der Menschen nicht kannte. Und Noahs Haare sehen tatsächlich wie Gold aus. Wie echtes Gold. Nicht nur ein besonderes blond, sie sind golden wie der Ehering meiner Eltern, wie die Krone eines Königs, wie die Vergoldungen in einer Kirche. Mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt. Bei den Begabten sieht man überall übernatürliche Dinge und da kann es auch mal vorkommen, dass man goldene Haare sieht.
    Ich deute auf die Kapuze an Noahs Jacke und er setzt sie hastig auf. Noch immer kann man Noahs Haare hervorblitzen sehen. Die tiefschwarze Kapuze hebt diese zu allem Unglück auch noch hervor. Noah dreht sich so, dass nur noch ein Stück seiner Haare von der Sonne getroffen wird.
    „So so, aus Deutschland also. Da sprecht ihr aber ganz schön gut Englisch", sagt Ryan. Er hat noch nichts bemerkt und scheint sich wesentlich mehr um den Verkehr als, um unser Aussehen zu kümmern.
    „Wir haben amerikanische Wurzeln", sage ich und werfe einen Blick aus dem Fenster. Neben uns fährt ein Auto vorbei. Die Frau auf dem Beifahrersitzt sieht mich ängstlich an. Ryan schenkt sie ebenfalls einen merkwürdigen Blick und wendet sich dann ab. Es nervt ein wenig, dass jeder, der einem begegnet mich angewidert oder manchmal auch ängstlich (wie es vorhin bei dem Autofahrer war bei dem Chloe und Liv mitgefahren sind).
    Auf meine Antwort hin nickt Ryan nur und wir schweigen eine Weile. Schließlich bricht Ryan doch das Schweigen. „Wo müsst ihr gleich hin?"
    „Wir müssen zum Zentrum. Dort treffen wir uns mit ein paar Freunden", erwidere ich und lese auf einem Schild, dass unser Ziel nur noch zwei Kilometer entfernt ist.
    Ryan fährt von der Straße herunter und nimmt einen Weg durch engere verwinkelte Straßen, in denen sich keine Menschenseele befindet. Als wir durch die nächste Straße fahren treffen wir tatsächlich auf zwei Männer, die man hier ganz zuletzt erwartet hat. Die zwei schlendern auf dem Gehweg entlang und unterhalten sich. Als wir an ihnen vorbeifahren werfen sie uns einen Blick zu. Ryan hat sie ebenfalls beobachtet und lacht auf. „Wow krass. Habt ihr diese Augen gesehen?"
    Ich zucke zusammen. „Wie sahen sie denn aus?"
    „Gelb oder so. Richtig krass."
    Angstvoll sehe ich zu Noah, der ebenfalls beunruhigt wirkt.
    Ryan macht eine Vollbremsung. Ich möchte ihn schon fragen warum, als ich die zwei Männer vor uns auf der Straße stehen sehe. „Ach du scheiße", höre ich Ryan noch murmeln bevor der Mann mit der Geschwindigkeit eines Catchers vor meiner Autotür steht. Die zweite Person, ein älterer Mann mit bernsteinfarbenen Augen taucht neben ihm auf. Wie hypnotisiert starren sie auf mein Tattoo, dann auf Noahs goldene Haare.
    Der Beschützter wirft Ryan einen kurzen Seitenblick zu und nickt dann kurz. Mit einer Geschwindigkeit und so prompt, dass ich zu langsam reagiere reißt der Catcher die Tür auf und zerrt mich aus dem Wagen. Er packt mich am Nacken und schleudert mich zu Boden einen Moment später bin ich mit Handschellen gefesselt. Noah liegt ebenfalls neben mir auf dem Boden, gefesselt.
    Ohne Rücksicht auf Ryan zu nehmen, der das Geschehen fassungslos beobachtet und noch keine Gelegenheit hatte etwas zu sagen, da das Ganze innerhalb von Sekunden passiert ist, bündle ich Luft unter mir, die mich nach oben wirft. Ich mache einen Salto nach hinten und stehe.
    Ryan ist nun schon halb aus dem Auto gestiegen und fällt beinahe zurück auf den Autositz.
Das Metall der Fesseln drückt kalt auf meine Handgelenke. Der Catcher reagiert zu spät, vor lauter staunen einen Elementor vor sich stehen zu haben. Die metallenen Handschellen fließen von meinen Handgelenken.
    „Unmöglich", flüstert der Beschützer. Ich lächle, kurz, humorlos. Blitzschnell forme ich spitze Pfeile, die nun hinter mir schweben und schleudere sie auf den Catcher. Noch in dieser Bewegung forme ich aus Noahs Handschellen Pfeile, die nun auf den Beschützer lossausen. Er versucht sie beide mit einem Kraftfeld zu schützen aber es funktioniert nicht. Es zerbricht in tausend Splitter und rieselt zu Boden. Die Pfeile treffen auf Beine und Arme. Ich möchte sie schließlich nicht töten. Noah rappelt sich rasch auf und entreißt dem Catcher sein Cam und dem Beschützer die Schlüssel der Handschellen. Golden glitzernder Rauch verteilt sich in der Luft und verschwindet.
    „Geht nach Hause", sagt Noah und wirft die Schlüssel in ein Loch eines Gullideckels. Der Beschützer sieht verwundert aus, streckt seine Hand jedoch nach dem Catcher aus und sie zerreißen vor uns in der Luft.

Zuerst waren da die AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt