Kapitel 23

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Jayden

Tyler und Mila tauchen wieder vor uns auf. „Sie sind sicher", sagt Tyler und schnappt sich wieder seinen Energiedrink, den er auf dem Felsen zurückgelassen hatte.
    „Das ging aber schnell", meint Noah und ich kann ihm nur zustimmen. Tyler zuckt mit den Schultern. „Was soll ich sagen. Liam und Chloe haben alles bestens unter Kontrolle. Habe die Wachmänner nur noch schocken müssen." Tyler grinst und schüttelt den Kopf. „Ich frage mich inzwischen, warum sie überhaupt einen Beschützer braucht. Seit ihrer Spaltung habe ich nichts mehr zu tun."
    „Etwas muss wohl an ihr besonders sein, wenn sie die Prophezeiung erfüllen soll", sage ich und atme erleichtert auf. Ich hatte mitgehen und ihnen helfen wollen, aber er hatte gemeint ich solle hierbleiben, falls etwas schiefgeht. Da ist auch wohl die bessere Entscheidung angesichts der Tatsache, dass ich ein Elementor bin. Ich würde nur einmal bei irgendwas hilfreich sein wollen. Leider kann ich zusätzlich meine Fähigkeiten nicht richtig einschätzen und kontrollieren. Nie zuvor bin ich einem anderen Elementor begegnet, der mir hätte zeigen können was ich alles kann.
    Wir warten nur noch eine Minute, dann kommen Raymen und der Anführer herein. Gleich darauf kommt Chloe. Sie hat einen kleinen Kratzer auf der Wange, der aber bereits abheilt. Hinter ihr kommt ein großer Junge mit blonden Haaren herein.
    „Wir haben es geschafft", ruft er. Er hebt seine Hand und Chloe schlägt ein. Ich will mir einreden, dass ich nicht eifersüchtig bin, aber ich kann mich nicht gut selbst anlügen. Wieder einmal frage ich mich woher diese starken Gefühle kommen, da ich sie nicht kenne.
    Tyler neben mir schüttelt unmerklich den Kopf. Er sieht von Chloe zu Liam und schüttelt nochmal den Kopf. Ich nicke unmerklich zurück, etwas peinlich berührt davon, dass Tyler meine Gefühle genauesten kennt. Wahrscheinlich ist es ein Fluch und Segen zugleich für ihn.
    Chloe stimmt Liam zu, dann entdeckt sie Noah und mich und lächelt uns an. Ihren Blick kann ich nur schwer deuten. Es ist eine Mischung aus Vertrauen und Unsicherheit sowie der Freude uns wieder zu sehen. Aber ob ich das richtig deute...
     „Hi", sage ich und ich hoffe, dass man das Zittern in meiner Stimme nicht hören kann. „Hi", sagen Chloe und Liam. Liam wirkt aufgeweckt und ein wenig aufgedreht. Ich muss grinsen und er grinst zurück.
    „Du musst Jayden sein richtig? Und du Noah", sagt Liam und kommt auf uns zu. Wir begrüßen uns durch das Berühren unseres Kinns. „Richtig", antworte ich. „Und du musst Liam sein?"
Liam nickt. Wir sind genau gleich groß, schießt es mir durch den Kopf. Innerlich vergleiche ich mich mit Liam. Ich kann nichts dagegen tun. Er ist genauso stark wie ich, wenn man nur die Arme betrachtet und, wenn er kein Catcher wäre. Das sind viele wenns, denke ich.
    Ich versuche mich nicht länger mit ihm zu vergleichen und wende mich stattdessen wieder an alle. „Ich würde vorschlagen, dass wir von hier schleunigst verschwinden, bevor man unser Fehlen noch bemerkt." Ich zeige auf Noah und mich.
    Tyler nimmt einen sehr großzügigen Schluck des Energiedrinks. „Ich weiß nicht ob ich es schaffe. Vielleicht auf zweimal." Tyler verschwindet und taucht am Ende des Raumes wieder auf.
Ich beobachte Chloe und achte nicht mehr auf Tyler. Ihr Blick schweift über die Kuppelförmige Steinhöhle mit ihren vielen Tunneln, die von hier abzweigen. Ich warne mich nochmal selbst sie nicht anzustarren und hoffe, dass es mir auch gelingt.
    Wir stehen auf einem großen Felsen. Daneben ist eine Schlucht, die tief in den Boden führt. Man sieht nichts als schwarz. Die vielen kleinen Felsen, die noch in der Höhle verteilt liegen kann man nur schwer erkennen. Dazu reicht das spärliche Licht der Kerze, die ich vorhin angezündet habe, nicht aus.
    „Ich glaube vier könnte ich auf einmal mitnehmen", meint Tyler und nimmt nochmal einen Schluck des Energiedrinks.
    Wir teilen uns schnell in zwei Gruppen. Liam, Noah, Chloe und ich in eine, Mila, der Anführer und Raymen in die andere. Tyler nimmt Mila an der Hand und sie bilden zusammen mit den Catchern einen Kreis. Tyler zögert. „Vielleicht sollte ich zuerst die vierergruppe nehmen. Jetzt habe ich mehr Kraft." Liam stellt sich in den Kreis dazu.
    „Wo ist der sicherste Ort, an den ich sie bringen kann?", fragt Tyler. Ich zucke mit den Schultern und sehe zu Noah hinüber. „Ich würde die Mensa nehmen. Um diese Uhrzeit ist da niemand mehr", sagt Noah.
    „Gut. Bis gleich", meint Tyler und die fünf zerreißen vor uns.
    Kaum sind sie verschwunden setzt sich Chloe auf den Boden und lehnt sich an den Felsen. Sie zieht die Beine an und legt ihren Kopf auf ihre Knie.
    Ich werfe Noah einen Fragenden Blick zu. Er zuckt mit den Schultern. Es ist seltsam sie schwach vor sich zu sehen. Beim letzten Mal hat sie mir eine Heidenangst eingejagt. Weil es schnell merkwürdig wird, wenn wir uns nur schweigend anstarren setze ich mich neben sie. Ich will schon etwas sagen, da unterbricht sie mich. „Kann man jemanden ohne Ausbildung und gegen seinen Willen direkt zum Dienst rufen?", fragt Chloe. Ihre Stimme klingt seltsam abwesend.
    „Eigentlich nicht. Während der Ausbildung Aufträge auszuführen erfordert die Erlaubnis der Beschützers", sage ich ein wenig zögernd.
    „Und wenn es die Regierung einem befielt?", fragt Chloe.
    Noah schüttelt den Kopf. „Nein. In den ersten Jahren hat man hier einen Sonderstatus. Erst nach der Ausbildung ist man dazu verpflichtet dorthin zu gehen wohin einen die Regierung schickt. Aber selbst dort kann man selbst bestimmen, ob man das will oder nicht." Ich warte auf eine Reaktion von ihr aber sie starrt nur erschöpft in die Dunkelheit hinein.
    „Wieso fragt du?", will ich wissen.
    Chloe steht auf. „Weil sie genau das bei einer Freundin gemacht haben." Ihr Blick ist nicht mehr verletzlich, sondern spiegelt puren Zorn wider. Sie lehnt sich mit den Händen auf den Felsen vor ihr. „Jemand von der Regierung ist gekommen und hat sie mitgezerrt und ihren Willen genommen." Sie schlägt mit der Faust eine Kerbe in den Felsen. Den heraus gebrochenen faustgroßen Stein zermalmt sie in ihrer Hand und schleudert einen weiteren von sich. Er fliegt so schnell, dass ich ihn nicht mehr verfolgen kann. Irgendwo weit entfernt schlägt er auf. Noah verfolgt ihn staunend.
    Mir fällt etwas ein, das ich schon mal mit Noah gemacht habe, als er wütend war. Aus dem Stein heraus ziehe ich einen spitz zulaufenden, dicken Stab. „Versuch ihn in diesen Schlitz zu werfen, sodass er stecken bleibt." Ich deute auf einen in zweihundert Meter zerbrochenen Felsen, der von der Decke hängt. Ich reiche Chloe den messerförmigen Stein. Sie sieht mich zweifelnd an, nimmt ihn aber an. Sie wiegt ihn in der Hand und sieht kurz zu dem Schlitz an der Höhlenwand. Mit voller Wucht wirft sie den Steinstab auf den Schlitz zu. Er dreht sich in der Luft, wie beim Messerwerfen bis die Spitze schließlich in dem Schlitz stecken bleibt. Das überstehende Stück bricht ab und fällt zu Boden, wo es in kleine Einzelteile zerspringt.
„Wow. Sehr gut", sagen Noah und ich. Sie lächelt und ich forme für sie ein weiteres Messer. Sie wirft es wieder und trifft. Wir klatschen und jubeln. Chloe lacht als sie das dritte Messer in der Wand versenkt.
    Wir machen so weiter bis Tyler kommt.
„Tut mir Leid, dass es so lang gedauert hat. Ich bin fast zusammengebrochen und musste erstmal mehrere Flaschen Energiedrinks trinken." Tyler kommt torkelnd auf uns zu.
„Tyler. Wir können doch auch einfach laufen", sagt Chloe und kommt auf ihn zu.
Tyler schüttelt den Kopf. „Es geht mir wieder gut."
    Chloe schüttelt ebenfalls den Kopf. „Nein. Du bist völlig erschöpft."
    „Aber wenn ihr normal reinspaziert kommt, werden sie nicht zimperlich mit Noah und Jayden sein." Tyler atmet tief durch.
    „Dann...dann nimm nur Noah und Jayden mit und ich laufe. Ihr müsst mir nur sagen wohin."
    „Du würdest es nicht finden. Außerdem lasse ich dich ungern allein. Und wenn ich den Anführer hole und er Chloe begleitet?", fragt Tyler verzweifelt. „Er ist zu geschwächt. Bis er genügend gegessen hat ist es morgen, dann könnten wir gleich hier übernachten und sie würden unser Fehlen bemerken", sagt Noah.
    Wir alle überlegen angestrengt nach. „Wenn ich zusammen mit Noah und Jayden laufe und ihnen erkläre wer ich bin? Ich könnte ihnen sagen, dass sie mir geholfen haben. Der Anführer könnte das alles bestätigen, dass er Noah und Jayden die Erlaubnis dazu gegeben hat, nachdem er von Tyler und Liam zusammen mit den anderen gerettet wurde", schlägt Chloe vor.
Tyler legt seine Stirn in Falten. „Das könnte klappen."
    Noah und ich stimmen zu und Chloe macht ein zufriedenes Gesicht.

Zuerst waren da die AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt