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Kapitel 12

„NEIN...!", begann Lay laut zu weinen und krallte sich in Kris' Hände, welche noch immer fest auf seinen Augen lagen, während ihn dieser an sich drückte und ihm sanft über den Rücken strich.
„Jungs, was ist los ? Was ist mit Xiumin ?", hörte er Jessis schwer atmende Stimme nun vom Flur aus in ihre Richtung kommen und vernahm kurz darauf ein abruptes, geschocktes Geräusch.
„Oh mein Gott...", war das Einzige das Jessi bei Xiumins Anblick von sich geben konnte, ehe sie sich langsam wieder fing und zu Kris und Lay sah, „Hat er es gesehen...?"
„Nein.", erwiderte Kris und griff dabei nach ihren Händen, welche er schnell auf Xumins Augen drückte und sie ernst ansah, „Und er soll es auch nicht sehen. Bring ihn bitte in sein Zimmer und bleib bei ihm. Kümmer dich um ihn und lass ihn nicht aus den Augen. Los ! Und...ruf mir bitte Chanyeol. Wir müssen ein weiteres Grab ausheben...", seufzte er leise weiter und sah zu Boden, „Chanyeol wird das nicht mehr lange durchhalten... Es muss endlich aufhören !"
„Wir werden es zum Stoppen bringen !", antwortete Jessi und sah ihm ernst in die Augen, „Wir werden herausfinden wer dafür verantwortlich ist und ihn zur Rechenschaft ziehen. Versprochen !"
Mit diesen Worten zog sie den noch immer weinenden Lay mit sich aus dem Zimmer und verschwand mit ihm ins obere Stockwerk, ehe ein paar Minuten später Chanyeol die Treppen heruntergelaufen kam und schließlich an Xiumins Zimmertür stehen blieb.
„Nicht auch noch Xiumin...", gab er traurig von sich und betrachtete wie Kris vorsichtig den schwarzen Schal von Xiumins Hals lockerte, „Kris...es gerät außer Kontrolle ! Das ist jetzt der dritte Tag in Folge, dass einer von uns stirbt ! Wenn das so weitergeht, sind wir innerhalb von zwei Wochen alle tot ! Und Jessi und Jay vermutlich auch ! Ich weiß dass du nicht an Flüche oder Geister glaubst, aber das ist schon lange kein Selbstmord mehr, der hier abläuft !"
„Ich weiß.", erwiderte Kris und hob Xiumin im Brautstil hoch, „Jessi meinte dass ich mich auf dem Dachboden, dem Keller und dem Stadtarchiv umsehen soll, um mehr über dieses alte Haus zu erfahren. Ich wollte es heute Mittag machen, doch dann war Xiumin auch schon tot... So schnell wie sie sterben, komme ich gar nicht mit meinen Ermittlungen hinterher..."
„Dann lass mich dir helfen, Kris. Du kannst nicht alles allein machen.", antwortete Chanyeol entschlossen und folgte ihm nach draußen in den Garten zu den beiden Gräbern, „Wir beerdigen Xiumin zusammen mit den anderen und danach sehen wir uns auf dem Dachboden und im Keller um, während sich Jessi im Stadtarchiv über das Haus schlau macht. Wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir vielleicht sogar den nächsten Tod verhindern oder wissen zumindest mit was genau wir es hier eigentlich zu tun haben. Vielleicht können wir es aufhalten."
„Das ist eine gute Idee.", antwortete Kris und legte Xiumin neben Kyungsoos Grab auf dem weichen Gras ab, ehe er eine Schaufel nahm und zusammen mit Chanyeol zu graben begann, „Jessi wollte mir sowieso helfen und wenn du noch mitmachst, kommen wir viel schneller voran."
„Gut, dann lass uns keine Zeit verlieren. Und...vielleicht wäre es ratsam den anderen zu sagen, dass sie ab sofort nicht mehr allein in ihren Zimmern sein sollen, sondern nur noch zu zweit.", schlug Chanyeol vor, ehe er plötzlich bedrückt zu Boden sah, „Kris...wie...wie sollen wir den anderen das mit Xiumin beibringen...? Das ist doch viel zu viel für ihre Psyche..."
„Ich weiß es nicht...", erwiderte Kris nachdenklich und blickte kurz zu ihrem Haus hinüber, „Ein Glück ist der Garten so riesig und wir müssen das Grab nicht direkt vor ihrer Nase ausheben, aber sie können trotzdem sehen was wir hier machen. Es ist zumindest von Vorteil, dass keiner außer uns beiden und Jessi, Xiumins Leiche gesehen hat, also wissen sie nicht wie er vorgefunden wurde. Ich glaube das nimmt einen Bruchteil des Schmerzes, wenn sie ihn später friedlich sehen."
„Das stimmt. Aber...wir beide werden diesen Anblick immer vor Augen haben... Genauso wie den Anblick von Kyungsoo und Chen... Wie sollen wir das jemals vergessen können, Kris...?"
„Das werden wir nicht können...", antwortete dieser leise und verharrte kurz in seiner Position, um Chanyeol anzusehen, „Aber du musst mir versprechen aufzuhören, wenn du es nicht mehr ertragen kannst, in Ordnung ? Ich kann die Gräber auch allein ausheben und die Leichen beerdigen... Ich weiß dass es dich mitnimmt und ich weiß dass du nicht so lange wie ich standhalten und dagegen ankämpfen kannst. Ich will nicht, dass du irgendwann durchdrehst und ein Trauma fürs Leben davonträgst. Also hör auf, wenn du merkst dass es nicht mehr geht."
„Ich glaube der Anblick von Kyungsoos aufgespießtem Körper und das wir ihn danach auch noch vom Pfeiler hoch heben mussten, hat mir schon ein Trauma eingebracht.", erwiderte Chanyeol, „Aber ich verspreche dir, mich nicht zu quälen. Ich werde es nicht ausreizten, aber ich mache mir auch Sorgen um dich Kris... Du sagst zwar du verkraftest das alles, aber jeder Mensch trägt Schäden davon, wenn er so etwas Schreckliches sieht oder tun muss. Und je mehr in dieser Art passiert, desto schlimmer wird es für dich... Und Jessi sollte auch nicht so viel davon sehen."
„Ich werde auf mich aufpassen, versprochen. Aber jetzt lass uns das hier schnell zu Ende bringen, damit wir die anderen benachrichtigen und uns danach etwas genauer im Haus umsehen können."

Eine halbe Stunde später waren sie schließlich mit dem Grab fertig und legten Xiumin vorsichtig in die Grube, ehe sie zurück zum Haus eilten, um den anderen Bescheid zu geben.
„Also gut, dann mal los.", murmelte Chanyeol unwohl und öffnete die Wohnzimmertür, wo schon alle beisammen saßen und sie aus traurigen Augen ansahen, während andere leise weinten.
„Jessi hat es uns schon erzählt.", sagte Sehun traurig, als Chanyeol gerade seinen Mund öffnen wollte und stand auch schon von der Couch auf, „Sie wollte das wir wenigstens eine halbe Stunde haben, um zu trauern, ehe wir Xiumin sehen müssen.", erklärte er weiter und lief nach draußen.
„Verstehe.", erwiderte Chanyeol innerlich dankbar dafür, ihnen nicht die schreckliche Nachricht überbringen zu müssen und folgte Sehun, während Jessi nun mit Lay ins Wohnzimmer kam.
„Danke dir, Jess.", sagte Kris leise, als sie nun den anderen nach draußen folgten und sah kurz zu Lay, welcher still neben ihnen herlief, „Wie geht es ihm ? Er wirkt irgendwie abwesend."
„Das ist er auch...", antwortete Jessi besorgt und trat einen Schritt näher an Kris heran, „Er hat oben im Zimmer die ganze Zeit geweint, doch dann hat er plötzlich einfach aufgehört und nur noch still dagesessen. Wie ausgewechselt. Ich befürchte seine Psyche hat aufgegeben..."
„Oh scheiße...", fluchte Kris zurück und sah sie ernst an, „Vielleicht sollte er doch nicht bei der Beerdigung dabei sein. Es könnte nur noch größeren Schaden bei ihm anrichten."
„Kris, wir können ihn nicht allein im Haus lassen, während alle anderen bei Xiumin sind. Abgesehen davon sind wir sowieso schon bei den Gräbern angelangt. Er muss leider durch..."
„Ich hoffe wirklich dass er das durchhält...", seufzte Kris und blickte auf das offene Grab hinab, während Suho, wie schon bei Kyungsoo und Chen, ein paar Letzte Worte sagte, ehe Kris und Chanyeol erneut zu den Schaufeln griffen und das Grab im Beisein der anderen zuschaufelten.

Nachdem sie dies erledigt und für Xiumin noch ein provisorisches Holzkreuz zusammen gebastelt hatten, berichteten sie Jessi von ihrem Plan und liefen daraufhin geradewegs auf den Dachboden, während sich Jessi Kris' Auto auslieh und damit in die nahegelegene Kleinstadt fuhr, um dort im Archiv Informationen über das Haus einzuholen und sich den Grundriss des Gebäudes anzusehen.
„Nach was genau sollen wir denn jetzt hier suchen...?", fragte Chanyeol, während er sich in der hintersten Ecke des Dachbodens angewidert durch dicke Spinnweben und Staub kämpfte.
„Nach allem was dir alt oder seltsam erscheint.", antwortete Kris und nahm sich die andere Seite des Dachbodens vor, „Halte Ausschau nach alten Dokumenten, Bildern, Gegenständen oder irgendwelchen Auffälligkeiten am Boden oder den Wänden. Hinter jedem Riss könnte sich ein Hohlraum oder etwas Verstecktes befinden. Wenn wir nichts entdecken, gehen wir über zum Keller. Und wenn wir dort auch nichts finden, dann müssen wir hoffen das Jessi etwas hat. Ansonsten müssen wir die Idee verwerfen dass es am Haus liegt und neue Theorien überprüfen."
„Ich hoffe ja irgendwie das wir nichts finden.", seufzte Chanyeol leise und schob dabei ein paar Kisten beiseite, „Wenn wir etwas finden... Allein der Gedanke verursacht mir schon Gänsehaut."
„Es wäre zumindest unerwartet, wenn wir tatsächlich etwas finden würden.", antwortete Kris, während Chanyeol noch ein paar weitere Kisten wegräumte und schließlich vor einem seltsamen Tisch stehen blieb, welcher mit einem dreckigen, weißen Tuch komplett verhüllt war.
„Du Kris, sieh dir das mal an. Sieht das nicht seltsam aus...? Viel zu hügelig für einen normalen Tisch, aber die ganzen leere Holzkisten und das Gerümpel auf dem Boden standen darauf.
„Chanyeol... Das ist kein Tisch...", antwortete Kris und zog mit einem Ruck das weiße Tuch herunter, „Das...ist ein uralter Flügel... Warum wurde der nicht mitgenommen...? Diese Dinger bewegen sich in der gleichen Preisklasse wie Rolex Uhren. Wer lässt so etwas Teures zurück ?"
„Jemand der ihn wohl nicht wollte und genug Geld hat, um ihn einfach hier zurückzulassen ?"
„Oder aber, es war jemand der etwas gut verstecken und nicht mit sich mitnehmen wollte.", ergänzte Kris und begann sogleich damit den Flügel mit all seiner Kraft zur Seite zu schieben.
„Oh mein Gott. Meinst du wirklich da ist etwas darunter ?", fragte Chanyeol leicht angespannt und sah sofort zu Boden, als Kris sich um den Flügel kümmerte, „Hm...da ist aber nichts, Kris."
„Lass mich sehen.", erwiderte dieser und kniete sich neben den zerkratzen, alten Holzdielen zu Boden, ehe ihm jedoch eine leichte Erhöhung einer der Dielen auffiel und er sofort nach seinem Taschenmesser griff, „Die Diele ist einen Zentimeter höher als die anderen und scheint mir lockerer zu sein. Wenn mich nicht alles täuscht, dann liegt etwas darunter verborgen..."
Mit diesen Worten schob er die Spitze der Klinge vorsichtig unter den höchsten Punkt der Diele und begann sie damit langsam hoch zu hebeln und zu lockern, in der Hoffnung dass das Messer dem Druck auch standhielt und die Klinge nicht einfach durchbrach.
Nach einigen mühseligen Minuten, gelang es ihm schließlich die Kante der Diele zu fassen zu kriegen und einen Teil davon mit seinen Händen herauszubrechen, ehe er mit seinem Messer auch den hinteren Teil der Diele lockerte und diese vollständig herausriss.
„Heilige Scheiße...", gab er ungläubig von sich, als er nun eine uralte Holzkiste versteckt im Boden erblickte und sie vorsichtig heraus hob, „Das habe ich jetzt nicht erwartet... Wie alt ist das Ding ?"
„Das ist unheimlich.", flüsterte Chanyeol und starrte dabei immer angespannter auf die Holzkiste in Kris' Händen, „Erst der alte Flügel. Jetzt die Kiste. Ich habe Angst zu erfahren was darin ist..."
„Wir müssen sie öffnen Chanyeol, das weißt du. Wir haben angefangen nach Antworten zu suchen und jetzt gibt es kein zurück mehr. Egal was wir darin finden, es wird uns weiterbringen.", ermahnte ihn Kris ernst und öffnete die Kiste, in welcher zu ihrer beider Überraschung ein altes, schon vergilbtes Tagebuch zum Vorschein kam, auf dessen Einband 1820 geschrieben stand.
„Mein Gott...", gab Chanyeol erstickt von sich und sah Kris mit großen Augen an, „Dieses Buch ist 200 Jahre alt ! Kris...dieses Haus ist vermutlich noch älter als 200 Jahre !"
„Ich weiß, ich kann lesen Chanyeol.", antwortete Kris, legte das Buch zurück in die Kiste und zog Chanyeol zum Flügel, „Hilf mir ihn über die aufgebrochene Stelle zu schieben, mit dem Tuch zu verdecken und alle Kisten wieder drauf zu stellen. Wir nehmen die kleine Holzkiste und das Tagebuch mit in mein Zimmer und lesen es dort in Ruhe. Es sollte vorerst lieber keiner erfahren, was wir hier gefunden haben, also verrate es nicht den anderen, verstanden ?"
Mit diesen Worten schoben sie den Flügel zurück auf seine vorherige Position und verwischten ihre Spuren so gut sie konnten, ehe sie schnell zu Kris' Zimmer liefen, die Tür hinter sich abschlossen und das Tagebuch vorsichtig auf dem Bett ausbreiteten.
„Also dann...", begann Kris und schlug nun die erste Seite des Buches auf, „Mal sehen was uns dieses 200 Jahre alte Schriftstück so alles zu erzählen hat..."