Die Tage vergehen weiter, nichts passiert, nur mein Zustand verschlechtert sich immer weiter. Ich habe beinahe jegliche Kraft verloren und stehe nicht mehr auf, beim Essen und Trinken muss man mir immer helfen, obwohl ich nicht wirklich Appetit habe. Eigentlich habe ich auf gar nichts mehr Lust, außer, Simón zu sehen. Nicht einmal mit meiner eigenen Familie möchte ich reden, es schmerzt mich einfach zu sehr, dass ich sie hier alleine lassen werde. Klar, es ist irgendwo scheiße von mir, das so anzugehen und nicht anders herum, aber ich bringe ich nicht übers Herz, außerdem soll Isa mich nicht so sehen. Sie soll mich so in Erinnerung behalten, wie ich war, als ich noch gesund war, nicht so schwach und schon beinahe halb tot.
Die Zeit vertreibe ich mir jetzt so, in dem ich mich an früher erinnere. An meine Kindheit, an meine Jugend, an meine Zeit als Mutter, eben an alles, was in meinem so kurzen Leben alles passiert ist. Manche Momente bleiben einem immer in Erinnerung, aber gerade jetzt erinnere ich mich auch an so kleine, wenig bedeutende, aber schöne Momente, an die man gar nicht mehr so denkt.
Zum Beispiel, als ich Isa zum ersten Mal gebadet habe. Ich weiß noch, sie hatte damals solche Angst vor dem Wasser und am Anfang wie am Spieß geschrien, aber dann wurde sie zur richtigen Wasserratte und hat Baden geliebt.
Oder als ich damals in der Grundschule zur Klassensprecherin gewählt wurde. Das war so ein Erfolg für mich und danach wollte ich diese Position nie wieder abgeben. So kam es dann auch nicht, denn bis zu meinem Abschluss war ich dann jedes Jahr Klassensprecherin.
Normalerweise würde ich niemals mehr an sowas denken und mich erinnern. Aber meine Situation und mein Zustand gerade sind eben nicht normal, rein gar nichts ist gerade mehr normal. Und es wird nie wieder normal, eigentlich war mein ganzes Leben nicht so normal, was man sich eben unter einem normalen Leben vorstellt.
Aber wenigstens kann ich sagen, dass ich mein Leben gelebt und dieses auch genutzt habe. Ich hatte ein wirklich schönes Leben bis hier hin, aber alles findet ein Ende.
Und bald kommt auch meins, viel zu früh, aber es kommt.
Man sagt ja immer, besser zu früh, als zu spät. Der Tod ist wohl mit die einzige Sache, wo das nicht drauf zutrifft.
Wenig später kommt Simón zu mir ins Zimmer, er bringt mir zwar Medikamente, trotz der Arbeit, die er aber noch hat, setzt er sich zu mir ans Bett. Er streicht mir vorsichtig über die Wange und durch die Haare.
"Na, wie geht es der schönsten Frau der Welt heute?", fragt er, obwohl er es genau weiß. Trotzdem ist es süß, wie er sich erkundigt.
"Ganz ehrlich, beschissen. Und schmeichele mir nicht so.", antworte ich darauf und er lächelt mich leicht an, schwach lächele ich zurück.
"Ich sag doch nur die Wahrheit, mi Amor.", erwidert er darauf und ich verdrehe die Augen.
"Würde ich dich nicht besser kennen, würde ich denken, du wärst ein übler Schleimer, Álvarez.", grinse ich leicht, mein Freund lacht darauf nur.
"Wenigstens kannst du noch scherzen.", lacht er immer noch, meine halbwegs gute Laune verschwindet dann aber auch wieder.
"Ja, wenigstens das...", murmele ich und Simón merkt wohl, dass er das besser nicht hätte sagen sollen, auch wenn es die Wahrheit ist.
"Tut mir leid, hätte ich nicht sagen sollen.. Hat die ganze Stimmung ruiniert.", meint er auch etwas bedrückt, ich winke dann aber ab.
"Nein, fühle dich jetzt nicht schlecht wegen mir... Es stimmt ja, viel kann ich wirklich nicht mehr. Aber was will ich auch erwarten? Mir war klar, dass es früher oder später so kommen würde..."
"Du bist aber immer noch meine Ámbar, die Liebe meines Lebens, egal, ob du irgendwann einfach nur noch wie eine Puppe im Bett liegst oder sonst was passiert."
Jetzt steigen mir glatt wieder Tränen in die Augen.
"Ach Simón... Halt nicht an mir fest, wenn ich weg bin. Ich werde dich immer lieben, dass verspreche ich dir. Aber du hast noch dein ganzes Leben vor dir, werde glücklich mit jemand anderem. Ich bin dir da nicht böse, versprochen."
Ich kann schwören, jetzt auch Tränen in seinen Augen zu sehen.
"Nein, Ambar. Du wirst immer meine Nummer eins sein. Ich weiß nicht, was noch alles auf mich zu kommen wird, aber ich werde dich niemals vergessen. Und wenn ich jemals wieder eine neue Freundin habe, muss sie damit klarkommen, ansonsten ist sie nicht die richtige für mich.""Du musst nicht deine potenzielle Beziehung wegen mir aufgeben... Ich würde auch nicht damit klarkommen, wenn mein Freund an seiner alten Freundin hängen würde, sei sie verstorben oder haben sie sich einfach getrennt..."
"Trotzdem. Ámbar, ich liebe ich so sehr, du bist das wichtigste für mich und wirst es auch immer sein, okay?"
Es bringt nichts, zu probieren, ihm das irgendwie auszureden. Und uns zieht das beide runter, wir sollten jetzt nicht weiter über das und meinen Tod reden. Lieber sollten wir die restliche Zeit, die uns noch bleibt, zusammen genießen.
Deshalb deute ich ihm dann an, ohne weiter auf das ganze Thema einzugehen, sich neben mich zu legen. Er macht das auch sofort und zieht mich nahe an sich heran, ich kuschele mich an ihn.
"Simón, du bist eine der besten Sachen in meinem Leben, die mir passiert ist.", murmele ich leise und male mit meinem Finger Kreise auf seiner Brust.
"Du bist auch das Beste, was mir passiert ist und je passieren wird.", erwidert er daraufhin auch leise und dann schweigen wir eine Weile, genießen die Zweisamkeit und vergessen, dass Simón eigentlich arbeiten muss.
"Vielleicht lebe ich morgen nicht mehr, Simón.", meine ich dann wie aus dem nichts, es lag mir gerade auf der Zunge und eigentlich sage ich mir das jeden Tag, es könnte in jeder Sekunde rheintheoretisch soweit sein.
"Nein Ambar, sag das nicht.", bittet er mich und klingt schon wieder so, als würde er gleich losweinen.
"Es ist doch so... Es kann in jeder Sekunde vorbei sein.. Ich liebe dich."
Er seufzt kurz und drückt mich fester an sich.
„Ich liebe dich auch."
Und vielleicht war es das letzte Mal, dass ich das gehört habe.
DU LIEST GERADE
Don't let me go || Simbar
FanficÁmbar hat Brustkrebs im Endstadium und liegt seit ein paar Tagen nun im Hospiz. Ihr letzter Wunsch: Die große Liebe finden. Doch wer will schon eine Frau, die in ungewisser Zeit stirbt? - Er will sie. Simón arbeitet seit kurzer Zeit im Hospiz auf Ám...