fourth chapter

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Am nächsten Tag bin ich bereits früh wach, Schlaf hatte ich die Nacht kaum, weiß Gott warum. Um kurz nach vierzehn Uhr werde ich hier aufbrechen, um Isa abzuholen. Ich freue mich schon sehr darauf, einen unbeschwerten Tag mit meiner Tochter zu verbringen. Ich muss ihr jetzt meine ganze Liebe geben, damit sie, wenn ich nicht mehr da bin, weiß, dass ich sie liebe und immer lieben werde.

Nach dem Frühstück sind mein Arzt kurz nach mir, und ich habe eine Ultraschalluntersuchung, um nach dem Tumor in meiner Brust zu sehen. Es gab leider kein Wunder, was meinen Tumor hat verschwinden lassen und mich vor dem Tod gerettet hat. Nein, der Tumor hat sich um einen Millimeter vergrößert, heißt, ich komme dem Tod wirklich immer näher.

Als ich am Nachmittag gerade aufbrechen will, klopft es an meiner Zimmertür.  "Ja!", rufe ich genervt und ziehe meinen Lippenstift nach. Meine Zimmertür geht auf und es tritt niemand geringeres als der neue Pfleger Simón Álvarez ein. "Hallo, Senorita Smith.", begrüßt er mich lächelnd. "Hey.", sage ich nur und stecke mein Handy in meine Handtasche. "Huch, wo wollen Sie denn hin?", fragt er. "Ich hole meine kleine Tochter von der Kita ab und verbringe den Tag mit ihr. Wer weiß, wie oft ich das noch kann." Ich lächle ihn traurig an. "Ach, sehr schön. Frische Luft tut Ihnen sicherlich gut. Darf ich vorher noch kurz Ihre Werte messen?" Er hält sein Blutdruckmessgerät hoch. "Ehm.. Natürlich.", antworte ich und setze mich aufs Bett. Er wickelt die Manschette um meinen Arm, seine Berührungen hinterlassen auf meiner Haut wieder eine Gänsehaut. "Blutdruck ist okay, dann noch Ihre Temperatur." Wie gestern streicht er mir meine Haare hinters Ohr und steckt mir das Thermometer ins Ohr. "36,9°C, ist gerade noch okay. Gut, dann dürfen Sie jetzt gehen. Viel Spaß!" Er lächelt, ich lächle, und für ein paar Sekunden fesseln mich seine Augen. "Ehm... Danke! Tschüss!" Ich will gerade schon aus dem Zimmer gehen, da ruft er mir noch etwas hinter her. "Passen Sie auf sich auf, Senorita Smith!" Ich gucke ihn nochmal an und lächle dankend. "Werde ich machen.", sage ich und verlasse mein Krankenzimmer.

Ein paar Busstationen und wenige Minuten Fußmarsch später komme ich an Isas Kita an. Ich erblicke sie schon vom Eingangstor aus auf dem Spielplatz, und sie mich anscheinend auch. "Mamá!" Sie rennt auf mich zu und ich nehme sie in den Arm. "Hey, meine Kleine, na? Wie war dein Tag?" "Toll! Mia, Ana und ich haben zusammen gespielt!", erzählt sie. "Klingt nach einer Menge Spaß." Sie nickt energisch. "Was hältst du davon, dass du und ich heute mal wieder Zeit zusammen verbringen? Nur wir zwei?" "Oh ja!" "Gut. Was denkst du, wollen wir zu deinem Lieblingsspielplatz?" "Ja, Spielplatz!" "Dann holen wir mal deine Sachen und machen uns auf den Weg.", sage ich. Meine Tochter scheint sich zu freuen, und ich freue mich auch. Das wird ein schöner Tag.

Da die Kita nicht weit weg von diesem Spielplatz in der Nähe unserer alten Wohnung liegt, sind wir nach nur fünf Minuten da. Isa rennt gleich zur Schaukel und will, dass ich sie anschubse. Lächelnd gehe ich ihr hinter her. "Schaffst du es alleine auf die Schaukel rauf?" "Mamá, ich bin doch schon groß!" Sie stemmt die Arme in die Hüften. "Weiß ich doch." Ich streiche ihr durch die Haare und Isa klettert auf die Schaukel rauf. Sachte schubse ich sie an. "Mamá, doller!", ruft sie. "Na gut, wenn du das willst.", erwidere ich darauf und schubse sie ein wenig doller an. "Wuhu, ich kann fliegen!" Ich muss schmunzeln. Das erinnert mich an meine Cousine Luna. Sie hatte auch immer das Gefühl gehabt, sie könne fliegen. Sei es beim Skaten oder beim Schaukeln. Wir waren wirklich wie ein Herz und eine Seele. Und sind es heute immer noch. Sie ist sogar Isas Patentante, und ich bin die Patentante ihres kleinen Sohnes. Jedoch wird er bald eine neue Patentante brauchen, wenn ich doch bald sterbe...

Das lässt mich für einen Moment wieder traurig werden und ich höre unbewusst auf, Isa anzuschubsen. "Mamá, nicht aufhören!", höre ich sie rufen. Ich schüttele mich kurz. "Natürlich, weiter geht's, du willst ja hoch fliegen." Ich lächle, um ehrlich zu sein etwas gezwungen, und schubse sie dann weiter an. "Mamá, ich kann schon fast die Wolken berühren!" "So, kannst du das?" "Ja! Die Wolken zu berühren, wäre so toll!" "Ist das dein großer Traum?" "Mh, ja!" "Verfolge deine Träume immer, Maus. Verfolge sie immer und lass dich nicht davon abbringen, sie weiter zu verfolgen."

Nach einer Stunde Spaß auf dem Spielplatz setzen wir uns in ein Eiscafé in der Nähe. Ich bestelle Isa eine Kugel Erdbeere im Becher mit Streuseln, wie sie es am liebsten mag. Für mich gibt es zwei Kugel Schokolade in der Waffel, so mag ich das am liebsten. "Mamá?", fragt sie, als wir uns gerade hingesetzt haben. "Ja, was ist los?" "Warum wohnst du jetzt eigentlich nicht mehr bei mir?" Gott, ist sie wirklich schon so groß, dass sie das alles verstehen kann? "Weißt du, Maus, es ist schwierig. Irgendwann wird dir jemand alles erklären, wenn du älter bist. Aber vergiss eins nie: Wenn ich mal nicht bei dir sein sollte, bin ich immer hier drin." Ich deute auf ihr Herz. "Für immer?" Ich nicke. "Für immer. Mamá wird dich immer lieben und dafür sorgen, dass es dir gut geht." "Ich hab dich auch ganz doll lieb, Mamá!" Sie fällt mir um den Hals und ich streiche durch ihre Haare. "Für immer.", nuschelt sie noch gegen meine Brust.

Spät am Abend kehre ich zurück ins Hospiz. Zum Abendessen war ich bei meinen Eltern, mein Papá hat mich dann mit dem Auto wieder her gefahren. Leise schleiche ich mich in mein Zimmer. In ein paar Minuten beginnt hier die Nachtruhe, und soweit ich weiß, haben es die Schwestern hier nicht gerne, wenn man erst kurz davor wieder kommt.

Unbemerkt schaffe ich es in mein Zimmer, wo ich mich abschminke und dann kurz duschen gehe, ehe ich mich in einen meiner Pyjamas werfe und Delfi in einer Nachricht kurz über meinen Tag berichte. Als ich gerade das Handy beiseite gelegt habe, klopft es an meiner Zimmertür. "Ja?", sage ich leise. Die Tür öffnet sich und er tritt ein. Er. Simón Álvarez.

"Hey, ehm, was wollen Sie so spät noch hier?" Ich lächle ihn kurz an. "Nach Ihnen sehen, ob Sie wieder heil hier angekommen sind." Er lächelt mich ebenfalls kurz an. "Wie Sie sehen, bin ich das. Sind Sie jetzt wirklich wegen mir länger hiergeblieben?" Er nickt kurz und mir wird ungewöhnlich warm ums Herz. "Das ist lieb, wäre doch aber nicht nötig gewesen." Ich spüre, dass meine Wangen sich rot verfärben. Er kratzt sich am Hinterkopf. "Also, ehm... Hatten Sie eine schöne Zeit mit Ihrer Tochter?", fragt er. Ich nicke. "Es war schön, einfach mal unbeschwert Zeit mit ihr zu verbringen.", sage ich. "Schön, dass Sie Spaß hatten. Ehm... Sie wollen sich sicher ausruhen, ich gehe dann jetzt mal wieder.", sagt er. "Gehen Sie nur. Und danke, für... ehm... Naja, dafür, dass Sie extra länger geblieben sind, um nochmal nach mir zu sehen." "Keine Ursache. Gute Nacht, Senorita Smith." "Gute Nacht, Senor Álvarez." Wir lächeln uns nochmal kurz gegenseitig an, ehe er auch schon wieder mein Zimmer verlässt.

Uh, Simbar kennt sich erst zwei Tage, und schon scheint sich etwas zu entwickeln^^ Was da wohl noch so alles zwischen den beiden gehen wird?







Don't let me go || SimbarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt