37. Du kannst nichts dafür.

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Es war totenstill in Gryffindor Castle, als Hermine vor der großen Eichenholz Uhr im Flur vor dem Ballsaal herumwanderte und an dem Fingernagel ihres rechten Daumens herumkaute. Fünfmal schlug die Uhr mit einer dumpfen, schweren Glocke, als sie aufschrak und zum nächsten Fenster eilte, das ihr einen Blick auf das Tor schaffte. Sie wartete eine kleine Weile und starrte hinaus. Keine Spur war von Draco zu sehen, obwohl er es ihr doch versprochen hatte gegen fünf Uhr zurück zu sein.

Müde rieb sie sich die Augen und ließ sich auf einem mit tannengrünem Stoff bezogenen Schemmel nieder, um sich ihre Ballerinas anzuziehen, die sie beim Eintreten ausgezogen und in die Hand genommen hatte. Langsam fuhr sie über die Samtbänder der Schuhe und band eine Schleife oberhalb ihrer Ferse. Sie konzentrierte sich wie genau sie die Bänder ihrer Schuhe um ihre Fußknöchel binden musste, um nicht an das Wichtige denken zu müssen, das ihr im Moment so überflüssig erschien.

Ihr bester Freund saß gefesselt in einem der Kerkerräume des Schlosses, weil er seine Nerven und sein Gemüt nicht im Zaum halten konnte und ihr wie Draco selbst an die Kehle gehen würde, wenn er könnte. Mit Broco und Ron saß er in einer alten, modrigen Zelle und schrie sich die Seele aus dem Leib. Seine Geliebte war bei dem Tod seines unehelichen Kindes gestorben, das nun in Ginnys Obhut war. Hermine bewunderte ihre beste Freundin dafür insgeheim. Sie hätte wahrscheinlich nie diese Selbstlosigkeit aufgebracht, die dafür nötig gewesen wäre. Denn vermutlich war sie einfach zu stolz dafür.

Doch was ihr noch mehr auf dem Gewissen lag war das Schimpfwort, mit dem sie Harry beleidigt hatte. Er war der Letzte gewesen, von dem sie einen solchen Ausdruck erwartet hätte. Sie konnte sich noch zu gut an den Tag erinnern, als sie noch beide im zweiten Schuljahr in Hogwarts waren und Hagrid ihnen den Begriff „Schlammblut" in seiner Hütte ausführlich erklärt hatte, während Ron unaufhörlich dicke Schnecken in einen Eimer spuckte. Damals waren sie Kinder gewesen, die mit voller Gutmütigkeit durchs Leben gingen und nicht einmal daran dachten mit jenem Wort so derart ausfällig zu werden. Doch was die Zeit so mit sich bringen konnte, überraschte Hermine nicht mehr.

Sie war so vertieft in ihren Gedankengang, als sie erst beim zweiten Glockenschlag hörte, dass Mrs Fidelberg zum Abendessen aufrief. Das gellende Glockenschlagen war im ganzen Schloss zu hören, denn die Haushälterin musste nur in der Küche an einer Schnur ziehen und jedermann war sofort alarmiert, egal wo sie sich zu diesem Zeitpunkt aufhielten.

Als sie hinaus auf die Terrasse schlurfte, machten sich plötzlich Kopfschmerzen bemerkbar und sie hoffte zugleich, dass dieser Tag bald enden würde, damit sie früh ins Bett könne. Nur Ginny saß am Tisch und hielt Estelle, die ahnungslos und leer durch die Gegend starrte. Normalerweise war nun Zeit für einen Aperitif oder ein Glas Wein, das sie mit etwas Brot und Olivenöl hinunterspülten, doch dank Ginnys Hang zum übermäßigen Alkoholkonsum stand Hermines alte, schöne Kristallglaskaraffe mit Holunderlimonade auf dem Tisch. Das große Abendessen würde es erst in einer Stunde geben, doch Hermines Magen knurrte schon jetzt sehr.

„Ich verstehe dich nicht, Ginny.", meinte sie leise und ließ sich gegenüber ihrer besten Freundin nieder, nahm sich ein wenig Baguette und träufelte etwas Olivenöl auf einen Beilagenteller.

„Warum? Was meinst du?", kam es nur von dieser, die sich vom Anblick des Neugeborenen lösen musste, um Hermine zuzuhören.

„Wie du nur so...nun ja, wie du nur über die Tatsache hinwegsehen kannst, dass dieses Kind in deinen Armen aus einer Liebschaft zwischen einer fremden Frau mit deinem Ehemann entsprungen ist.", antwortete Hermine und nahm einen Bissen. Das Brot war noch warm und zerging ihr förmlich auf der Zunge.

„Das Kind kann dafür nichts. Wer weiß, ob Harry sich wirklich um sie kümmern kann. Und eine Mutter hat sie auch nicht. Also- also dachte ich, dass ich sie für eine Weile bei mir behalte.", sagte Ginny und ahnte schon, dass Hermine das nicht passen würde.

Saving Mr Malfoy. | Dramione Fanfiction (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt