Nasse Kleidung

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Müde öffnete ich meine Augen. Sanfte klänge einer Flöte hatten mich geweckt. Im roten Schein der Flammen unseres Lagerfeuers erkannte ich Manuel. Er saß dort und spielte etwas auf einer Flöte, die wie eine Panflöte aussah. Ich beobachtete ihm beim spielen. Wie das Licht gegen ihn flackerte und die Klänge mit dem Knistern des Feuers harmonierte.

Manuel nahm die Flöte von seinen Lippen und fing leise an zu singen. Seine Stimme war so melodisch und wunderschön. Was er sang, verstand ich nicht. Doch noch nie hatte ich jemanden so schön singen hören. Mir wurde im Inneren warm, als ich seiner Stimme lauschte.
Genussvoll schloss ich meine Augen und hörte ihm zu, bis ich wieder seelenruhig einschlief.

In der Nacht träumte ich von meiner Oma. Ich saß mit ihr auf der Wiese, hinter ihrem Haus. Am Teich mit den großen Fischen drin. Es war Spätsommer. Gerade ging die Sonne unter. Sie sagte mir, das sie mich lieb hätte. Das sie stolz auf mich ist und froh ist, das ich bei ihr bin. Das ich ihr wertvollster Schatz bin. Und das sie weiß, dass ich das alles schaffte.

Als ich meine Augen aufschlug, sah ich auf die erloschene Feuerstelle. Die Glut war noch rot und ein wenig rauchte sie noch. Manuel sah ich nicht. Erschrocken richtete ich mich auf und sah mich um. Er war nicht zu sehen. "Manuel!", rief ich Ängstlich. In mir stieg Panik auf. Was, wenn er entführt wurde? Wenn er gegangen war? Mich allein gelassen hatte. "Manuel!", rief ich erneut und kroch aus dem Bett. In dem Augenblick raschelte es hinter mir. Ich drehte mich um und sah Manuel, der mit strähnig nassem Haar aus dem Unterholz kam. "Was schreist du den Wald zusammen?", meckerte er mich an. "Ich dachte du bist weg!" Ich war fassungslos über seine Ruhe. Am Vortag noch sagen, ich solle mich nicht entfernen und mich dann schlafend und schutzlos allein lassen.

Manuel wrang sich sein Haar aus und seufzte genervt. "Darf man nicht einmal, für fünf Minuten, sich waschen damit man nicht irgendwann so aussieht wie du, als wir dich von deinen Trollen geholt haben? So unrein und wie ein Tüpfelschwein, welches sich gesuhlt hatte." "Warum bist du jetzt wieder so schlecht gelaunt? Ich habe dir nichts getan!" Ich verstand diesen Elfen nicht.

Manuel schwieg zuerst. Dann sagte er im ruhigen Ton: "Pack dein Bett zusammen, wir gehen weiter." Mit raschen Bewegungen trat er die Glut aus und hob seine Tasche vom Boden auf. "Toll", murmelte ich und ging zu meinem Bett, um es irgendwie zusammen zu falten. Unter den ungeduldigen Augen von Manuel.

Als ich es dann endlich hinbekommen hatte und den Stoffsack in meinen Rucksack gestopft hatte, gingen wir los. Stundenlang gingen wir durch den Wald. Manuel hatte nichts zu sagen und auch ich ging meinen Gedanken nach. Sie kreisten noch immer um die Situation, in der ich steckte. Um den Wunsch, dass das doch alles nicht wahr sein konnte. Und darum, was Manuel gegen mich hatte. Alle waren erfreut über meine Ankunft. Nur er, er hasste mich. Ob er vielleicht gar nicht wollte, dass der Wald befreit wurde oder ob er grundsätzlich solch ein Miesepeter war? Ich konnte mir diese Frage nicht beantworten.

Durch die Bäume hindurch fielen schwere Regentropfen. Erst nur ein paar, bis der Regen immer stärker wurde, sodass Manuel beschloss einen Unterschlupf zu suchen. Ganz in der Nähe soll eine alte Höhle sein, in der man eine Pause machen könnte, bis der Regen weniger wurde.

"Dort." Manuel zeigte den schmalen Weg entlang. Nur ein paar Meter entfernt sah man einen Eingang in Form einer Tür. "Wir sind da. Endlich." Wir beschleunigten unseren Gang und betraten die trockene Höhle. Anders als ich gedacht hatte, war sie eingerichtet. Es gab eine Feuerstelle, wo man kochen konnte. Ganz voll Ruß war das Gestein drum herum und darüber. Ein Holztisch stand in der Ecke. Dran zwei Stühle. Selbst auf dem Tisch war ein kleines Spitzendeckchen. "Gemütlich", grummelte Manuel. "Dir kann man auch nichts recht machen", sagte ich leise vor mich hin und setzte mich erschöpft auf einen der Stühle.

Mir taten die Beine weh und die Kälte kroch durch meine nasse Kleidung. Bibbernd nahm ich mich selbst in den Arm, um mich ein wenig zu wärmen. "Dir ist kalt", stellte Manuel fest, nahm seinen Rucksack vom Rücken und holte einen Mantel hinaus. "Hier. Der war für die kalten Nächte gedacht. Aber wenn du ihn jetzt schon brauchst." Mit einem schiefen, eher gezwungenen Lächeln, reichte er mir den braunen Mantel. Dankend nahm ich ihn an mich. Gerade als ich ihn anziehen wollte, räusperte Manuel sich. "Du solltest deine nasse Kleidung ausziehen." In dem Moment zog er sich sein Hemd über den Kopf, das vom Regen tropfte. "Was?", fragte ich. "Ich mach mich doch nicht nackig!" Schnell sah ich von Manuel ab, der sich die triefenden, schlammigen Schuhe auszog. "Memme. Aber, zieh dich wenigstens um. Sonst wirst du krank." "Ich habe keine Kleider dabei." Frustriert sah ich auf den Mantel auf meinem Schoß. "Denkst du, ich habe nicht daran gedacht dir Kleidung einzupacken? Ich wusste, dass du keine hast." Er griff wieder in seinen Rucksack und warf mir nach und nach Hose, ein Hemd und sogar Unterwäsche zu.

"Du hast echt an alles gedacht", lächelte ich. Stolz warf sich Manuel sein Haar über die Schulter. "Ich mache sowas auch nicht zum ersten Mal." Manuel stand auf und ging zum anderen Ende der Höhle, samt seinem Rucksack. "Ich zieh mich um. Kannst du ja auch machen", sagte er und ging um eine Ecke. Ich hörte noch, wie er anfing zu summen und den Rucksack auf den Boden fallen ließ.

Schnell stand ich auf, tauschte nasses gegen trockenes Hemd, zog mir die Hose runter, noch bevor ich meine pitschnassen Schuhe ausgezogen hatte. "Mist." Schnell schlüpfte ich aus ihnen und striff mir nun die Hose ganz ab, um mir danach die Unterhose runter zu ziehen und die trockene an. Ebenso die Hose. Als letztes warf ich mir den dicken braunen Mantel über die Schultern und setzte mich zurück auf meinen Stuhl.

Der Wald der Elfen || KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt