1. Unerwarteter Besuch

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So schnell ich konnte rannte ich über die nächste Strasse. Ich war zu spät, schon wieder. Zum Glück war in dem Dorf, in dem ich lebte, nie wirklich viel los, weshalb so jemand wie ich schneller unterwegs sein konnte. Das lag wohl daran, dass es ein kleines Dorf war. Jeder kannte jeden. Dafür bekamen wir auch nie neue Einwohner, doch das war nicht schlimm. Neue Einwohner würden vermutlich nur Probleme bringen. Vor allem die, die an ein Stadtleben gewöhnt waren.

Bis zu dem Gebäude, zu dem ich musste, war es zum Glück nicht mehr weit, denn auch wenn es nicht ein besonders heisser Sommertag war, bildeten sich dennoch bereits Schweissperlen auf meiner Stirn. Wie ich diese Jahreszeit hasste.

Vor dem grössten Gebäude im ganzen Dorf, blieb ich erst einmal schweratmend stehen, obwohl ich wusste, dass die Zeit nicht anhielt, nur weil ich erschöpft war. Schliesslich zog ich an der hölzernen Tür des Gebäudes. Die Tür war aus einem dunklen Holz mit silbernen Verzierungen darauf. Ich bewunderte sie gerne, doch heute hatte ich wieder einmal keine Zeit. Die Zeiger der Uhr tickten weiter, also durfte ich mich nicht ablenken lassen.

Normalerweise blieb ich erst einmal vor dem Lift des Gebäudes stehen, da es mir immer davor graute hineinzugehen. Dieses Monstrum passte sowieso nicht hier her. Alles war aus Holz und sah eher alt aus, doch dann wurde die wunderschöne, mysteriöse Wendeltreppe, die früher einen Platz hier haben durfte, durch dieses hässliche Ding aus Metall ersetzt. Sie sei angeblich zu unmodern.

Wie auch immer, heute hatte ich auch für das keine Zeit. Ich hastete hinein, sobald sich die Türen öffneten und drückte sofort mehrmals auf den obersten Knopf. Die Türen schlossen sich langsam vor meiner Nase, wie ein Metallmonster, das mich genüsslich verschlang.

Das Ding setzte sich langsam in Bewegung. In der zweiten Etage, eine Etage vor der obersten, stockte der Fahrstuhl ein wenig und blieb dann abrupt stehen. Sofort wurde ich panisch! Was wenn der Lift jetzt stehen bleiben würde? Was wenn er mich nie wieder auspuckte?

Wie eine Verrückte schlug ich auf den Knopf, der die Türen öffnen sollte. Deshalb schaute mich der Mann, der den Fahrstuhl betrat, vermutlich auch so seltsam an. Erleichtert legte ich eine Hand an mein Herz. Gott sei Dank, war mein einziger Gedanke. Dass der Mann neu im Dorf war, fiel mir in diesem Moment nicht auf.

Sobald sich die Türen im obersten Stock öffneten, murmelte ich, während ich wie eine Wahnsinnige aus dem Monstrum hinausstürmte, noch irgendwas von, ich hätte Stress. Damit mich der Mann, der mir komisch nachschaute, nicht für vollkommen verrückt hielt. Obwohl, dass konnte ich vermutlich nicht mehr verhindern.

Mein Arbeitszimmer lag am Ende des Ganges, in den ich gerade abbog. Der Gang war hell erleuchtet, im Gegensatz zu meinem Raum, in dem eine einzige Lampe auf meinem Schreibtisch für ein wenig Licht sorgte. Das Licht der Lampe war schummrig, doch es erhellte dennoch den ganzen Raum. Was eigentlich nicht sehr verwunderlich war, da das Zimmer gerade mal genug Platz für ein Gestell, einen Schreibtisch und einen Stuhl hatte. Alle anderen Arbeitszimmer wurden von vielen Lampen in grelles Licht getaucht, doch ich hasste das. Ich mochte es dunkel, ich fand es gemütlich. Genau deswegen arbeitete ich oft in der Nacht.

Meine Tasche stellte ich auf meinem Tisch ab, um meinen Laptop, wie auch Papier und Stifte hervorzuholen. Viel mehr brauchte ich nicht.

Gerade als ich mich setzte und anfangen wollte zu arbeiten, klopfte es an meiner Bürotür, die ich vor lauter Stress vermutlich offen gelassen hatte. Als ich den Blick hob, erkannte ich Sara, die Sekretärin meines Chefs. „Entschuldigen Sie Miss Scott, aber der Chef will mit Ihnen sprechen. In fünf Minuten sollten Sie bei ihm sein." Mit einem kurzen Nicken bestätigte ich, dass ich gleich kommen würde, woraufhin Sara wieder verschwand. Was er wohl von mir wollte? Hatte ich was falsch gemacht? War es, weil ich so oft zu spät kam? Hoffentlich wurde ich nicht gefeuert.

Unknown Love *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt