4|Heimweh, Friedhofgespräche und eine zickige Banknachbarin

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Homesick-Dua Lipa

Cassidy

"Pass doch auf!", ich funkle Liz wütend an. Nur weil sie heute schlecht gelaunt ist muss sie mir noch lang nicht ihren Rucksack in die Rippen rammen.

Für einen Moment sieht es so aus als würde sie sich entschuldigen, aber dann scheint sie sich zu erinnern, dass sie ja heute alle mit ihrer schlechten Laune anstecken will und sie drängt sich wortlos an mir vorbei zur Tür.

Es ist die 30 Minuten Pause, danach haben wir noch zwei Stunden Unterricht.

Noah hastet an meinem Tisch vorbei und packt Liz am Arm:"Hey, warte! Diese Pause bleibst du bei uns. Wo warst du eigentlich in der Mittagspause?"

Ja das würde mich auch mal interessieren! Die ganze Mittagspause war sie wie vom Erdboden verschluckt. Ich hab versucht ein bisschen mit Noah zu flirten, aber der hat entweder mit den anderen besorgte Blicke ausgetauscht oder seine Nachrichten gecheckt, in der Hoffnung Liz hat geschrieben. Mittlerweile glaube ich nicht mehr, dass sie wegen der Nachricht so sauer ist.

"Auf dem Friedhof.", höre ich Liz antworten.

Ein Schatten huscht über Noahs Gesicht:"Warum?"

Sie verzieht spöttisch den Mund:"Da werde ich bald ja öfter sein!"

Kurz glaube ich einen Anflug von Trauer in Noahs Gesicht zu sehen, aber im nächsten Moment ist da nur noch Wut:"Sag so was nicht, Liz! Verdammt nochmal, sie lebt! Also hör endlich auf sie für tot zu erklären!"

Aber sie dreht ihm nur trotzig den Rücken zu und marschiert aus dem Raum.

☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆

Noah seufzt und rennt ihr dann hinter her. Ich schnappe meine Tasche und folge ihm. Noah holt Liz in der Aula ein.

Er packt sie an den Schultern und schüttelt sie durch:"Geh nicht mehr auf den Friedhof! Der zieht dich nur runter! Bitte, Lizi!"

Sie verschränkt die Arme vor der Brust, aber kurz blitzt Unsicherheit in ihren Augen auf:"Und was ist wenn ich beten will?"

Aber Noah lässt sich nicht beirren:"Du betest nie, Liz! Und wenn du doch willst, dann kannst du das genauso gut hier!"

Ich gehe zu ihnen:"Kommt ihr mit? Die anderen sitzen draußen auf der Mauer."

Noah nickt und schiebt seine beste Freundin vor sich her Richtung Mauer. Während ich ihnen folge überlege ich was sie mit "da werde ich ja jetzt öfter sein" gemeint hat. Ist sie tot krank? Das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Aber was ist dann mit ihr los?

"Alles klar?", ich setze mich neben sie auf die Mauer.

"Hm."

Okay...einfach wird das definitiv nicht. "Wie ging es dir in der Mathearbeit?"

"Gut."

Wenn ihre Antworten weiterhin so einsilbig ausfallen, dreh ich noch durch! "Was machst du heute noch so?"versuche ich es weiter.

Sie zuckt nur mit den Schultern.

Vielleicht sollte ich einfach zum Punkt kommen:"Bist du krank?"

Sie schaut mich überrascht an:"Was?"

"Bist du krank?"

Sie schüttelt langsam den Kopf. So wird das nichts. Ich springe von der Mauer und ziehe Noah runter:"Ich muss dich mal kurz sprechen."

Er folgt mir bereitwillig, nicht ohne davor Liz noch einen besorgten Blick zuzuwerfen:"Was ist?"

"Was ist mit Liz los?", frage ich ohne groß nachzudenken.

Er zieht eine Augenbraue hoch:"Schlechte Laune halt."

Ja klar! Verarschen lass ich mich nicht:"DAS ist keine schlechte Laune mehr. Irgendwas stimmt nicht mit ihr! Ist sie schwer krank?"

Er durchbohrt mich mit seinem Blick:"Nein. Ist sie nicht."

"Was dann, Noah?"

"Cassidy, wenn sie es dir nicht sagt, werde ich es auch nicht tun. Vergiss es einfach! Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, ich hab die Sache im Griff!"

"Ich kann nicht helfen wenn ich nicht weiß, was los ist Noah!"zische ich. Langsam verliere ich die Geduld.

"Du hilfst genug wenn du dich normal benimmst!" mit diesen Worten dreht er sich um und geht zurück zu den anderen.

Nicht zu fassen! Er lässt mich einfach stehen! Ich dachte immer, Engländer haben mehr Anstand! Da hab ich mich ja scheinbar gewaltig geirrt. Plötzlich fühl ich mich alleine. In Amerika würde mich jetzt Jason küssen und mich fragen ob ich nacher noch mit zu ihm komme, während ich neidisch von den anderen Mädchen beobachtet werde. Jason. Wahrscheinlich knutscht er gerade mit einer anderen aus dem Cheerleader Team und nimmt sie später mit nach Hause. Ob er manchmal an mich denkt? Wahrscheinlich nicht, er hat mir ja nicht mal einen guten Flug gewünscht. Wobei, wünscht man seiner Ex einen guten Flug? Wohl eher nicht. Ich sollte sowieso aufhören an ihn zu denken. Ich sollte überhaupt aufhören an Amerika zu denken. Jetzt bin ich hier. In Brighton. Und da drüben sitzt meine Freundin, die mir aus welchen Gründen auch immer nicht sagen will warum es ihr scheiße geht. Aber eins ist klar, sie braucht meine Hilfe! Ich verscheuche also Jason mit seinen süßen Augen und Amerika endgültig aus meinen Gedanken und gehe zurück zu den anderen.

"Was wolltest du von Noah?" Wow! Liz hat ganze fünf Wörter gesprochen.

"Ich musste ihn nur kurz was fragen."

Sie zieht eine Augenbraue hoch:"Geht es auch ein bisschen genauer?"

"Liz es ist nicht wichtig!" Und ob es das ist. Zu meiner Überraschung hakt sie nicht weiter nach, sondern nickt nur.

"Liz, es tut mir Leid. Das mit der Nachricht. Du bist natürlich nicht im Weg."murmle ich.

"Schon gut. Du kannst süß finden wen du willst! Aber nur so ein Tipp: Noah ist nicht der Typ für was festes."entgegnet sie.

"Was bin ich?" Noah grinst uns fragend an.

"Ein Idiot!"antwortet Liz und gibt ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.

Er wackelt mit den Augenbrauen:"Ach kommt, ihr könnt schon zugeben, dass ich unglaublich sexy bin!"

"Ja genau. Und süß, lässig, super nett, hilfsbereit..."lache ich. Erst als ich es ausgesprochen habe, fällt mir auf, dass all das wirklich zutrifft. Auch Liz scheint es gemerkt zuhaben und mustert abwechselnd Noah und mich mit nachdenklicher Miene.

Wenn ich länger drüber nachdenke ist Noah wie Jason, nur, dass Noah nicht so ein Arsch.

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Sterben Muss Man SowiesoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt