Cassidy
War es ein Fehler? War es falsch was ich gesagt habe? Noch immer sehe ich die weinende Liz vor mir wie sie mich anschreit. Aber das ist nicht das Schlimmste, das schlimme ist, dass sie Recht hat. Ich wollte unbedingt den American Dream in England finden!
Ich weiß, dass das dumm ist. Den American Dream gibt es nicht einmal in New York, also erst Recht nicht in einer Kleinstadt in Großbritannien. Ich wollte in Brighton das finden was ich zuhause nicht hatte. Und ein Stück weit habe ich es sogar gefunden, aber ich habe es mir selbst wieder kaputt gemacht! Ich mache immer alles kaputt!
Erst habe ich das Leben meiner Eltern zerstörrt, dann meine Beziehung und jetzt auch noch meine Freundschaft mit Liz und Noah.
Ich versuche abermals Liz zu erreichen, aber weder sie noch Noah gehen ans Telefon. Ignorieren sie mich einfach oder haben sie sich wieder vertragen?
Super, jetzt sitze ich hier alleine in meiner Luxus Wohnung und das mit 17 Jahren! Naja, so haben sich das meine Eltern sicher vorgestellt. Vielleicht sollte ich sie anrufen und erzählen, dass ich keine Freunde habe, auf keiner Party bin und stattdessen brav drinnen sitze.
Ne, besser nicht. Jedes Gespräch mit meinen Eltern das nicht geführt wird, ist ein gutes. Irgendwie scheint der Einzige der keine Probleme mit seinen Eltern hat, Noah zu sein. Er lebt in der heilen Welt Familie. Liz Mutter ist krank und ihr Vater...ich weiß auch nicht und meine Eltern haben sogar getrennte Schlafzimmer! Ich würde so gerne in einer Familie leben in der alle zusammen halten und sich super verstehen.
Aber ich habe sowas gar nicht verdient. Wem ich das gönnen würde, ist Liz. Sie ist so unberührt, offen und überspielt alles schlechte immer mit einem Lächeln. Sie ist perfekt. Aber der Zug ist für mich schon lange abgefahren. Schon seit ich im Kindergarten war, habe ich immer versucht möglichst laut und auffällig zu sein. Mir war kein Weg zu hart, hauptsache ich wurde beachtet.
In der Middle School war ich gefürchtet und auf der High School wurde ich beneidet. Ich war Cheerleaderin, hatte immer einen gut aussehenden Freund aus dem Footballteam und war zusätzlich Tochter von reichen Eltern. Ich war jeden Abend auf einer anderen Party und war jedes mal ein bisschen mehr betrunken. Und das alles nur, weil ich hoffte meine Eltern würden sich für mich interessieren. Stattdessen haben sie mich mit einer Kreditkarte ohne Limit nach Brighton abgeschoben.
Ich habe sie dafür gehasst, aber eigentlich muss ich ihnen dankbar sein. Immerhin haben sie mir die Chance auf einen Neuanfang gegeben. Ich hätte hier neu starten können. Als die, die ich wirklich bin! Aber ich habe weiterhin die taffe Cassidy gespielt und mich nach Liebe gesehnt.
Ich wollte Noah um geliebt zu werden und ich wollte Liz um bewundert zu werden. Zugegeben haben sie es mir nicht leicht gemacht. Noah hat offensichtlich nur Augen für seine Beste Freundin und die ist nicht eines der Mädchen die sich nach Beliebtheit sehnen.
Noah könnte jede haben, die Mädchen liegen ihm allesamt zu Füßen, aber er will Liz. Und die könnte zum It-Girl aufsteigen, wenn sie auf ein paar mehr Partys gehen würde und ihre Berühreungsängste ablegen würde. stattdessen wartet sie in der früh auf einen Kaffee von ihrem Besten Freund, verbringt die Pausen zwar bei den Jungs, aber hat Kopfhörer in den Ohren und meidet jede noch so kleine Feier.
Aber genau das fasziniert mich irgendwie so an den Beiden. Sie könnten so viel haben und geben sich mit so wenig zufrieden. Sie sprengen jedes Klischee ohne mit der Wimper zu zucken.
Mein Handy piepst und ich greife hoffnungsvoll dannach. Es ist ein Snap von Liz. Das Bild zeigt eine Berglandschaft, sie hat Noah getaggt und unter dem Bild ist die Aufschrift: Weekend Trip zu lesen. Sie haben nie etwas von einem Urlaub erzählt.
Ich will mein Smartphone gerade wieder weglegen, als ein Anruf von meinem Vater eingeht. Was will der denn jetzt? Seufzend nehme ich an.
"Cassidy! Wie ist es in London?, legt mein Dad sofort los.
"Ich bin in Brighton, Dad.", antworte ich. Er weiß nicht einmal wo ich bin!
"Meinte er doch. Wir wollten nur mal hören wie es dir geht.", meldet sich meine Mutter zu Wort. Sieh mal einer an, das Ehepaar Wilson befindet sich in einem Raum!
"Es ist alles gut hier.", sie wollen die Wahrheit ja sowieso nicht hören.
"Wunderbar. Wir wollten auch nur schnell bescheid geben, dass wir die nächste Woche nicht erreichbar sein werden. Ich bin mit einer Freundin in Italien und dein Vater ist auf einer Geschäftsreise.", fährt meine Mum sofort fort. Sie mag es nicht, wenn man nicht über sie redet.
"Na dann viel Spaß.", murmle ich.
"Danke. Und du kümmer dich mal darum, dass deine Noten besser werden oder du bleibst in Bristol.", meint mein Vater.
"Brighton. Ich bin in Brighton."
Dann lege ich auf. Eigentlich dachte ich, dass ich schon im Keller meiner Gefühlswelt angekommen bin, aber das Telefonat mit meinen Eltern hat mich noch weiter runtergezogen. Sollten Eltern nicht zwei mal täglich besorgt bei ihrer miderjährigen Tochter die im Ausland lebt, anrufen und sich erkundigen wie es ihr geht?
Stattdessen wissen sie nicht einmal wo ich bin.
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Sterben Muss Man Sowieso
Roman pour AdolescentsSie sind wie Pech und Schwefel-einfach unzertrennlich. Noah und Liz gibt es nur im Doppelpack. Schon als Kind haben sie im Sandkasten zusammen Burgen gebaut und den Spielplatz unsicher gemacht. Aber sechzehn Jahre später funktioniert das, bisher bew...