Liz
Ich wickele meinen neuen schwarzen Mantel enger um meinen Körper herum. Es ist ein kalter Herbsttag den man eigentlich nur auf der Couch verbringen möchte. Stattdessen stehe ich mit mehreren Dutzend weiteren Trauernden vor dem frisch ausgehobenen Grab meiner Mutter.
Ich höre nicht was der Pastor sagt und nehme auch die Menschen um mich herum kaum wahr. Das einzige was ich sehe ist das Loch vor mir, in welchem der leblose Körper meiner Mutter in einem Eichensarg ruht.
Zwei Wochen ist es her seit ich sie ,in ihrem eigenen Blut liegend, gefunden habe. Zwei Wochen seitdem der Arzt mir mit entschuldigender Miene die Todesnachricht überbracht hat. Ich vermisse meine Mum, mir fehlt ihr Lächeln, ihre Zuversicht, ihre Anwesenheit. Aber ich habe eingesehen, dass ihr Ableben in gewisser Weise die Rettung für sie war. Sie hat die Krankheit endlich hinter sich gelassen. Ihr Leiden hat ein Ende.
Ich sehe meinen Vater in die Knie gehen und eine einzelne Rose auf den Sarg werfen. Tränen glitzern in seinen Augen, aber er fasst sich. Ihr Tod hat ihn härter getroffen als ich erwartet hätte. Bis vor kurzem dachte ich noch, dass die Ehe meiner Eltern schon lange kaputt wäre und er nur wegen ihrer Diagnose bei Mutter geblieben ist. Ich habe mich getäuscht.
Für meinen Vater waren die letzten Wochen die Hölle. Er hat nicht nur seine Ehefrau verloren, sondern auch seine Beste Freundin. Mama war die einzige die ihn nicht für seine Alkoholsucht und für seine Wutausbrüche verurteilt hat. Sie hat ihn immer bedingungslos geliebt. Jetzt wo sie nicht mehr da ist, ist es als hätte Papa einen Teil von sich verloren. Er ist leiser geworden, ruhiger und auf eine merkwürdige Art und Weise gelassener. Zwei Tage nach Mutters Tod hat er sämtlichen Alkohol weggeworfen. Kein einziger Tropfen ist mehr in unserem Haus zu finden. Und gestern hat er sich entschuldigt.
Er hat mich um Vergebung für all seine Gewaltausbrüche gegen mich gebeten. Wir wissen beide, dass es das nicht ungeschehen macht, ich werde noch eine Weile die blauen Flecken mit mir herum tragen und die Verletzungen meines Vertrauens werden wohl nie vollständig heilen, aber es ist ein Anfang. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und allein dafür war Mamas Tod zumindest doch für etwas gut.
Papa erhebt sich wieder und geht zurück auf seinen Platz neben mir. Ich lächle ihm zaghaft zu und er hebt für einen winzigen Augenblick die Mundwinkel nach oben. Ich weiß nicht ob sein Verhalten nicht nur die Ruhe vor dem Sturm ist, aber jeder Mensch macht Fehler und ich werde mein Bestes tun ihm über seine Fehler hinwegzuhelfen. Sollte es nicht funktionieren, habe ich Noah versprochen zur Polizei zu gehen. Wenn mein Vater noch einmal die Faust gegen mich hebt, werde ich ihn anzeigen. Doch ich hoffe dennoch, dass es so weit nicht kommen wird.
Ich bin dran meine Blume ins Grab zu werfen.
Zögernd mache ich ein paar Schritte nach vorne, bis ich am Rand der Grube stehe. Da liegt sie, eingebettet in den schönsten Sarg den wir finden konnten. Ich hoffe, dass sie jetzt an einem besseren Ort ist. Ich hoffe, dass sie irgendwo da oben sitzt, glücklich ist und auf mich aufpasst.
"Ich liebe dich, Mummy."
Meine Stimme ist so leise, dass ich mich selbst kaum hören kann, aber sie hat es gehört. Da bin ich mir sicher.
***
Alle haben sich von meiner Mutter verabschiedet und der Sarg ist unter dem Blumenmeer kaum mehr zu sehen. Zwei Männer treten heran, jeder eine Schaufel in der Hand. Jetzt wird sie endgültig von den Lebenden getrennt.
Ich muss meine Tränen unterdrücken, während ich zusehe wie die erste Schaufel Erde in das Loch fällt. Eine warme Hand greift nach meiner und drückt sie. Noah.
Mein Noah.
Ich weiß nicht was das zwischen uns ist, wir haben nicht über den Kuss im Krankenhaus gesprochen. Aber es spielt keine Rolle mehr für mich ob wir jetzt ein Paar sind oder nicht. Wir sind füreinander da und darauf kommt es an!
Ich liebe ihn, mehr als alles andere und ich weiß, dass es ihm genauso geht. Er ist meine bessere Hälfte und ich bin seine. Aber ich zerbreche mir nicht länger den Kopf darüber wie man unsere Beziehung betiteln sollte. Es ist nur ein Titel, der nichts an unserem WIR ändert. Natürlich werden wir in nächster Zeit darüber reden müssen was uns der Kuss bedeutet hat und wie es mit uns weiter gehen wird. Trotzdem habe ich keine Angst mehr davor. Noah hat mich die letzten Wochen auf den Beinen gehalten, so wie er es eigentlich schon immer macht. Er war für mich da, hat mich im Arm gehalten wenn mich die Traurigkeit wieder überrannt hat. Ob er das als Freund oder als Partner gemacht hat ist egal.
Das habe ich allerdings erst durch Mamas Tod verstanden.
In den letzten zwei Wochen habe ich so viel verstanden und eingesehen. Mir ist klar geworden worauf es im Leben wirklich ankommt, denn es kann so schnell vorbei sein. Ich sehe Papa nicht mehr als gewalttätigen Alkoholiker, sondern als meinem Papi der jetzt meine Unterstützung braucht. Cassidy ist keine Konkurrentin, sondern eine Freundin die vielleicht auch ihre Fehler macht, aber eigentlich nur das beste für mich will. Und nichts und niemand auf der Welt ist es wert, dass ich Noah verlasse.
Das Grab ist jetzt vollständig zugeschüttet und Tränen laufen mir die Wange hinunter. Ich versuche nicht es zu verhindern. Ich darf um meine Mutter weinen, aber ich darf mich von der Trauer nicht überwältigen lassen.
Noah hebt mein Kinn an und zwingt mich ihn anzusehen. Seine goldbraunen Augen suchen meine und unsere Blicke verschmelzen miteinander.
"Ich bin stolz auf dich, Lizi!"
***
***
Ende
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Sterben Muss Man Sowieso
أدب المراهقينSie sind wie Pech und Schwefel-einfach unzertrennlich. Noah und Liz gibt es nur im Doppelpack. Schon als Kind haben sie im Sandkasten zusammen Burgen gebaut und den Spielplatz unsicher gemacht. Aber sechzehn Jahre später funktioniert das, bisher bew...