Prolog

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Verträumt sah ich einem Vater zu, der sein Kind hoch in die Luft wirbelte, da ertönte das schallende Lachen des Kindes. Die Mutter stand mit einem Kinderwagen daneben und sah den beiden zu. Sie wirkten wie eine normale, glückliche Familie. Eine Familie, die ich nie gehabt hatte und nie haben werde. Nicht, dass ich keine Eltern hatte, doch es war kompliziert. Mit sechs Elternteilen wurde nichts einfacher, sondern nur noch schwerer. Nicht zuletzt, weil meine leiblichen Eltern immer das Gegenteil voneinander sagen müssen. Meine Adoptiveltern sassen wie ich dann dazwischen und mussten die endgültigen Entscheidungen treffen.

Auch wenn ich eigentlich bei meinen Adoptiveltern in der Schweiz lebte, so hatte ich immer kontakt zu meinen leiblichen Eltern. Schliesslich waren meine Adoptiveltern auch die Cousins vom Onkel, der Schwiegertochter von der Grosstante meiner Mutter. Blutsverwandt war ich nicht mehr direkt mit ihnen, doch für meine Mutter war es immer noch Familie gewesen. Sie selbst hatte mich nicht aufziehen dürfen, weswegen sie eine Familie in der Verwandtschaft gesucht hatte. Meine Mutter war 15 und mein Vater 16 gewesen als ich auf die Weltgekommen war. Als streng katholische, reiche Eltern hatten meine Grosseltern einen halben Herzinfarkt bekommen als sie von der Schwangerschaft ihrer Tochter erfahren hatten. Die Tatsache, dass mein Vater ebenfalls aus einer reichen katholischen Familie kam machte die Umstände nicht besser.

Gemeinsam hatten meine Grosseltern beschlossen die Schande zu beseitigen. Nur konnte meine Mutter nicht mehr Abtreiben, da sie schon im vierten Monat gewesen war. So hatte man schnell eine andere Lösung gesucht und sie in meinen Adoptivfamilie gefunden. Denn sie hatten bereits drei Kinder und gehörten immer noch zur Familie. Damit ja niemand etwas von der Schwangerschaft meiner Mutter mitbekommen hatte, hatte man sie bei meiner Pflegefamilie untergerbacht und öffentlich sie als krank entschuldigt.

Brav war meine Mutter nach der Geburt wieder zurück nach Spanien ins Klosterinternat gegangen und hatte kein Wort über mich verloren. Meinem Vater war sie so gut sie konnte aus dem Weg gegangen, was nicht schwer war, da er in Italien wohnte. Sie beide sahen im anderen den Schuldigen. Dies hatte sich in den zwanzig Jahren, in denen ich auf der Welt war, nicht verändert. Sie konnten nicht einmal in der gleichen Stadt sein, ohne miteinander zu streiten.

Das Beste an meiner Familien Konstellation ist Weihnachten, denn ich bekam drei Mal so viele Geschenke wie andere Kinder. Zudem versuchten meine leiblichen Eltern sich immer gegenseitig zu übertreffen, was toll sein konnte aber auch ziemlich nerven raubend. Zudem bedeutete Weihnachten auch immer reise stress für mich. Erst feierte ich am 24. Dezember mit meiner Adoptivfamilie, danach fahre ich immer die drei Stunden in den Süden zu meinem Vater und am 26. Dezember flog ich immer nach Barcelona zu meiner Mutter.

Allgemein war mein Leben voll von reisen, denn ich wuchs zwischen den drei Welten auf. Meine Ferien verbrachte ich immer zur Hälfte bei meinem Vater in Monza und meiner Mutter in Barcelona. Wobei meine Eltern meistens nicht einmal Zeit für mich hatten, da sie mit ihren Unternehmen zu viel um die Ohren hatten. Daran hatte ich mich beinahe schon gewöhnt, enttäuscht war ich aber doch jedes Mal. Denn die Hoffnung, dass es einmal anders sein könnte, konnte ich nicht abstellen. Jedes einzelne Mal brach es mir doch das Herz, obwohl ich es eigentlich schon vorher wusste. Doch war es zu viel verlangt einmal wenigstens einen halben Tag mit meinen Eltern zu verbringen. Bei meinen Eltern anscheinend schon, denn selbst meine Stiefelternteile hatten mehr Zeit für mich als meine Leiblichen.

Mein Vater mochte den Mann meiner Mutter ganz und gar nicht, da dieser mich als seine Tochter sah und auch dem nachbehandelte. Dies hatte öfters für grösseren Streit gesorgt und ich war immer mittendrinn gewesen. Wobei ich nie verstanden hatte, wieso sich die Erwachsenen stritten. Schliesslich stritten sie sich immer in ihren Muttersprachen und ich konnte weder spanisch noch italienisch. Meine Eltern hatten es mir nie beigebracht, da sie Englisch als wichtiger empfunden haben. Vielleicht war es auch besser, wenn ich nicht immer alles verstanden hatte. Denn zimperlich gingen die beiden nicht miteinander um, dies war mir schon immer klar gewesen.

Wo das Leben uns hinführt                   (Lando Norris FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt