Als mir jemand Wasser über das Gesicht schüttet, schrecke ich hoch. Schnappe nach Luft und spüre, wie mein Herz wie wild gegen meine Brust hämmert.
„Gut. Und jetzt steh auf", höre ich die Person wieder. Ich kneife die Augen zu, versuche das Wasser aus meinem Gesicht zu wischen und starre die Hand an, die sie mir entgegenstreckt.
Ich liege auf dem Boden und starre in ein Gesicht, dass durch die Sonne nicht zu erkennen ist. Es ist nur ein schwarzes Loch, was erschreckend ist, doch irgendetwas sagt mir, dass ich die Hand ergreifen soll. Also tue ich es und erinnere mich wieder.
***
Hitze breitet sich im Innern des Wagens aus, der Geruch von verbranntem Fleisch steigt mir in die Nase und ich habe ein Klingeln im Ohr, das sogar das Rauschen meines Blutes übertönt. Benommen versuche ich bei Bewusstsein zu bleiben, doch die Explosion einer Tretmiene war zu heftig und der Aufprall zu stark, sodass mein Gehirn sich irgendwie zu schützen versucht und das geht nur, indem ich ohnmächtig werde.
Ich will noch die Hand nach meinem Vorgesetzten ausstrecken, doch da greift die Dunkelheit nach mir und verschlingt mich mit Haut und Haaren.
Ein stechender Schmerz durchfährt mich, als ich flatternd die Augen öffne und versuche mich zu bewegen. Das Klingeln in meinen Ohren ist nicht mehr so stark, doch es ist noch deutlich zu hören. Hustend versuche ich den Sicherheitsgurt zu lösen, der sich in meine Armeekleidung geschnitten hat.
Heftige Schmerzen strömen pochend, stechend durch meinen Körper und lassen mich fast wieder ohnmächtig werden. Doch ich muss hier raus, muss meinen Vorgesetzten finden. Von Major Hunter Brown ist nichts mehr zu sehen, denn wie es scheint wurde er von der Wucht der Bombe herausgerissen.
Ich kann meine Hände, meine Arme und meine Beine einigermaßen bewegen, was bedeutet, dass weder mein Rückgrat noch meine Extremitäten verletzt wurden. Die Tür auf meiner Seite fehlt und ich kann von Glück sagen, dass ich nicht auch hinausgeschleudert wurde. Mit Müh und Not kämpfe ich mich aus dem Wrack und setze die Füße auf den sandigen Boden ab.
Doch meine Knie zittern so stark, dass ich unsanft auf runterfalle und für einige Sekunden benommen liegen bleibe. Meine Atmung ist beschleunigt, aber mein Puls fühlt sich normal an, den ich mit den Fingern an meiner Halsbeuge ertaste. Lillys Bild erscheint mir, lässt mich nach ihr greifen, doch sie ist nicht hier. Nicht physisch jedenfalls.
Ich bin dehydriert, vielleicht habe ich innere Blutungen, denn mein ganzer Körper schmerzt und da ich keine sichtbaren Verletzungen davongetragen habe, müssen sie von Prellungen, Quetschungen oder eben Blutungen der inneren Organe wie Leber, Milz oder Nieren sein. Das Wissen aus dem Trainingscamp zahlt sich aus, denke ich und mit dieser Erkenntnis kämpfe ich mich auf die Füße und versuche nicht wieder umzukippen.
Meine Lippen fühlen sich spröde und trocken an und durch das getrocknete Blut an meiner Schläfe, muss ich eine ganze Zeit lang bewusstlos gewesen sein. Ich brauche dringend Wasser, denn ohne das bin ich verloren. Vorsichtig drehe ich mich zum Autowrack um und realisiere, wie knapp ich dem Tod wirklich entronnen bin.
Denn vom hinteren Teil des Wagens ist nicht mehr viel übrig. Wir müssen mit dem linken Hinterrad die Miene losgetreten haben, denn dort ist die Zerstörung am schlimmsten, was auch erklären würde, weshalb Major Brown nicht mehr im Wagen gesessen hat, als ich zu mir gekommen bin.
Ich schlucke leer und kämpfe gegen das Durstgefühl an, das meine raue Kehle hochsteigt. Ich laufe um den Wagen herum und versuche irgendetwas zu erkennen.
Doch vor mir erstreckt sich nichts weiter außer Sand. Tonnenweise Sand, aber keine Spur von Major Brown. Außer meiner Pistole bin ich unbewaffnet, doch die kann mir unter Umständen das Leben retten. Ich suche die Umgebung im Umkreis von einigen hundert Metern nach meinem Vorgesetzten und Kollegen ab.
Doch erfolglos, einige Trümmerteile stecken im Sand, doch sonst finde ich keine Spur von ihm. Er muss von der Explosion erfasst und...
Ich schüttle den Kopf, kann den Gedanken nicht zu Ende denken. Also salutierte ich ihm zu Ehren und gehe in die entgegengesetzte Richtung.
***
Ich atme schwer und versuche mich so gut es geht auf den Beinen zu halten.
„Wo sind wir?", frage ich krächzend. Meine Kehle fühlt sich an wie Sandpapier und das Schlucken tut verdammt weh.„Keine Ahnung, vielleicht ein paar hundert Meilen vom Camp entfernt", erklärt mein Gegenüber achselzuckend. Ich nicke, kann mich aber durch die Kopfschmerzen kaum konzentrieren. Doch als sie aus dem Licht tritt, kann ich erkennen, dass es sich um eine Frau handelt.
„Wie ... wie ist dein Name?", frage ich sie, denn ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern. Sie hält mich fest, beugt sich zu mir runter und lächelt mich an.
„Nenn mich Lucy. Ich bin Unfallchirurgin und habe dich auf der Hauptstraße aufgegabelt", erklärt sie. Ich nicke, doch ich kann mich nicht erinnern. Es ist, als wäre alles, was nach der Explosion passiert ist in einem gigantischen Nebel verschwunden.
„Komm, wir müssen weiter. Wir werden nicht mehr lange brauchen, dann kann ich mir deine Verletzungen genauer ansehen", reißt sie mich aus meinen Gedanken. Wir setzen uns in Bewegung, machen einen Schritt nach dem anderen. Ich versuche mich weiter zu erinnern und verliere mich schließlich erneut in der Vergangenheit.
***
Stark bleiben, du musst stark bleiben. Diesen Satz sage ich mir immer und immer wieder, während ich einen Fuß vor den anderen setze. Stück für Stück kämpfe ich mich den Hang hoch, was eigentlich keine so gute Idee ist.
Denn es könnten Kämpfer der Taliban auf mich warten und mich als Geisel nehmen, im schlimmsten Fall würden sie mich erschießen.
Doch sie hätten schon viel früher angreifen können, was sie aber nicht getan haben. Was darauf schließen lässt, dass sie noch nichts von der Explosion mitbekommen haben und genau deshalb erklimme ich unter starken Schmerzen den Hang, den wir vielleicht Stunden zu vor hinuntergerollt sind.
Meine Schuhe haben im tiefen Sand fast keinen Halt und ich strauchle immer wieder und drohe Gefahr das Gleichgewicht zu verlieren und hinunter zu stürzen. Also grabe ich meine Finger tief in den heißen Sand, laufe in gebückter Haltung nach oben und das, obwohl ich das Gefühl habe, meine Haut würde sich von meinem Rücken ablösen.
Vielleicht habe ich Verbrennungen, die schnellstens versorgt werden müssen. Aber das kann ich erst, wenn ich Hilfe gefunden habe. Der Stützpunkt meiner Einheit liegt noch einige Kilometer entfernt und das Funkgerät wurde durch die Explosion beschädigt.
Ich bin also auf mich gestellt. Endlich erreiche ich die Straße und stelle verzweifelt fest, dass niemand da ist der mir helfen könnte. Kein Wagen, keine Soldaten.
Nichts! Ich bin allein, völlig allein! Ich stehe auf einer einsamen Straße mitten im Nirgendwo und weiß nicht, ob ich es jemals lebend zurück zu meiner Einheit schaffe. Der Ruf eines Falken reißt mich aus meinem Gefühlschaos, ich hebe den Kopf und schaue nach oben in den Himmel. Sehe wie er über mir kreist, seine langen Schwingen gleiten durch die Luft und der Anblick dieses majestätischen Tieres, gibt mir die Kraft, die ich brauche.
„Ich schaffe das, ich bin stark", sage ich und atme tief durch. Unbewaffnet, dehydriert aber nicht hoffnungslos laufe ich die Straße rauf, die zurück zu meinem Stützpunkt führt.
Ich weiß nicht, wie lange ich ihr schon folge, doch lange werde ich es nicht mehr aushalten. Mein Körper kämpft gegen die Verletzungen und die Schmerzen an, doch irgendwann wird er aufgeben. Und dieser Zeitpunkt wird schon bald kommen.Ich taste nach dem Abschiedsbrief in meiner Brusttasche und als ich das zusammengefaltete Stück Papier ertaste, atme ich erleichtert auf. Die Gedanken an Lilly und meine Familie habe ich bis jetzt erfolgreich verdrängt, aber jetzt drängen sie sich in mein Bewusstsein und das bedeutet nichts Gutes.
Immer wieder knicke ich ein, strauchle und falle beinahe hin, doch ich fange mich immer wieder auf und mache weiter. Laufe weiter, gebe die Hoffnung nicht auf, aber mein Körper schon. Ich falle auf die Knie und kann mich nicht mehr aufrappeln.
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Die Sein Reihe
RomanceDie Liebe seines Lebens. So würde Kidd seine Ehefrau Lilly bezeichnen, würde sie noch leben. Ihr junges Glück wurde je zerstört, als sie die Diagnose Hirntumor bekamen. Wie geht man mit einer solchen Hiobsbotschaft um? Zerbricht man daran, oder kämp...