Keine Ahnung wie lange wir jetzt schon der Straße folgen, doch es kommt mir vor, als würden wir auf der Stelle treten. Kein Schritt vorwärts.
„Wie geht's dir?", erkundigt sich Lucy. Ich spüre ihren Blick auf mir ruhen, durch das sie mich stützt, spüre ich ihren Atem und frage mich, was sie ganz allein hier macht. Doch ich habe keine Kraft ihr diese Frage zu stellen.
„Schon mal besser", murmle ich und hoffe, dass wir es bald geschafft haben. Ich bin froh, dass sie mir hilft, ohne ihre Hilfe, würde ich das nicht überleben.
„Hast du ... hast du meinen Vorgesetzten gesehen?", frage ich sie nach einer Weile. Sie sieht mich mit zusammengepressten Lippen an. Ihre blonden Locken umschmeicheln ihr ziemlich langes Gesicht, was sie nicht unattraktiv wirken lässt. Sie ist dünn, aber dennoch kräftig genug mich über all die Zeit zu stützen.
„Hör mal, ich weiß du bist noch ziemlich frisch und ich glaube zu wissen, dass du so etwas noch nicht erlebt hast. Also lass mich dir eins sagen, dass du noch lebst, gleicht an ein Wunder", meint sie ehrlich. Ich schaue zu Boden, auf meine staubigen Schuhe, die über den Asphalt mehr schleifen, als darüber zu gehen.
„Es war ein schneller Tod, wenn dich das beschäftigt", fügt sie hinzu und bleibt kurz stehen, holt einen zweiten Wasserspender hervor und setzt ihn an. Ich sehe ihr zu wie sie trinkt, wie einige Wassertropfen über ihren Hals tropfen und in ihrem Shirt verschwinden. Ich wende den Blick ab und bin über meine Gefühle verwirrt. Wie kann ich unter diesen Umständen und nach allem was ich mit Lilly durchgemacht habe, jetzt an ihre Brüste denken?
„Hier, du musst etwas trinken", reißt sie mich aus meinen Gedanken, worüber ich wirklich froh bin. Ich trinke gierig, werde von ihr ermahnt es langsamer angehen zu lassen. Als ich fertig bin, verstaut sie alles wieder in ihrem Rucksack und richtet ihren Blick nach vorne.
„Wir müssen weiter."
***Die Sonne brennt auf mich hinunter und ich würde alles für ein Glas Wasser geben. Doch es ist niemand hier, keiner der mir helfen wird. Die Augen fallen mir immer wieder zu und ich drohe ohnmächtig zu werden.
Doch als ich den Ruf des Falken höre, der so eindringlich und voller Inbrunst nach mir ruft, hebe ich den Kopf und sehe eine Gestalt auf mich zu kommen.
Das Bild ist verschwommen und doch weiß ich ganz genau, dass mir gleich geholfen wird. Ich spüre wie diese Gewissheit meinen erschöpften und gezeichneten Körper erfüllt und mir neue Kraft gibt. Die Person ist am Anfang nur ein einzelner Punkt, der immer grösser wird. Ich falle auf die Knie, versuche meine Arme zu heben, um damit in der Luft zu rudern, doch ich habe keine Kraft mehr.
Ich knie auf dem glühend heißen Asphalt und zähle die Sekunden, bis die Person endlich so nahe ist, dass ich sie erkennen kann.
Doch zu meiner Überraschung ist es eine Frau und kein Kollege. Auch sie trägt Uniform, wirkt erfahren und scheint keine Angst zu haben. Sie kommt auf mich zu und als sie sich vor mich hinkniet, spüre ich so etwas wie Enttäuschung in mir. Ich sollte so etwas nicht fühlen, doch wie soll sie uns retten?
„Das scheint wohl dein Glückstag zu sein. Ich bin Lucy und werde dich zu meinem Camp bringen", sagt sie und streckt mir ihre Hand hin, nachdem sie sich aufgerichtet hat. Sie ist verdammt groß und ziemlich schlank, aber sie hat Kraft, denn ich ergreife ihre Hand und lasse mich von ihr helfen.
„Wie heißt du?", fragt sie und kneift die Augen wegen der Sonne zusammen.
„Kidd. Mein Name ist Kidd."
***
„Nicht schlapp machen, ja? Wir sind fast da, ich kann meine Leute schon sehen", höre ich Lucy sagen. Ich will mitmachen, ihr helfen nicht noch mehr Last zu tragen. Doch ich schaffe es einfach nicht mehr. Ich bin zu schwach. Immer wieder sehe ich Lillys Bild vor mir, wie sie lacht und mich ansieht. Vielleicht sollte ich aufgeben, dann wäre ich endlich bei ihr.
Doch ein Teil in mir will das nicht, obwohl ich mir nichts sehnlichster wünschen würde. Also kämpfe ich weiter, beiße die Zähne zusammen und schaffe es gemeinsam mit Lucy zum Camp ihrer Einheit.
Ich höre die Leute, doch ich kann meine Augen nicht länger offenhalten. Meine Beine geben nach und ich spüre, wie ich falle und auf den Boden aufpralle.
Lucy ruft etwas, beugt sich über mich und redet auf mich ein. Doch ich bin nicht mehr in der Lage zu antworten.„Kidd? Bleib bei mir, ja? Ich werde dich gleich operieren und dann sehen wir weiter. Aber du musst am Leben bleiben, okay?" Ich will ihr antworten, doch ich bringe keinen Ton über meine Lippen. Und dann, dann wird alles schwarz.
***
Ich wache auf, liege auf einer grünen Wiese und blicke in den babyblauen Himmel. Was ist passiert? Ich kann mich an nichts erinnern. Langsam fasse ich mir an die Stirn und überlege fieberhaft, was passiert ist. Doch es ist alles weg, als wäre eine Bombe direkt in meinem Kopf explodiert.
Ich setze mich auf, habe Angst, dass ich es nicht schaffe, doch ich habe keine Schmerzen. Es geht mir gut. Wieso erschreckt mich das so? Ich stehe auf und schaue mich um, die grüne Wiese zieht sich in alle vier Himmelsrichtung, weshalb ich einfach loslaufe. Ich habe keine Ahnung wohin, aber irgendetwas zieht mich dorthin.
Wie lange ich in diese Richtung laufe weiß ich nicht, doch irgendwann sehe ich jemanden auf einer Blumenwiese stehen und ich bleibe stehen. Ungläubig stehe ich da und kann es nicht glauben. Träume ich etwa?
Denn in einigen Metern Entfernung sehe ich Lilly stehen. Sie trägt ihr Brautkleid und lächelt mich an, sie sieht so wunderschön aus. Kann das sein? Ist sie es wirklich?
„Kidd?"
Ihre Stimme dringt in mein Bewusstsein und bringt mich dazu auf sie zu zugehen. Nein. Ich renne, werde immer schneller und als ich bei ihr bin, bleibe ich stehen, als hätte jemand die Zeit eingefroren.
Was soll das?
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Die Sein Reihe
RomanceDie Liebe seines Lebens. So würde Kidd seine Ehefrau Lilly bezeichnen, würde sie noch leben. Ihr junges Glück wurde je zerstört, als sie die Diagnose Hirntumor bekamen. Wie geht man mit einer solchen Hiobsbotschaft um? Zerbricht man daran, oder kämp...