Kapitel 33

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//Dabi war hier!// Mein Blick ist noch immer starr auf den Balkon gerichtet. Langsam tapse ich in die Richtung der Tür und öffne diese, ich knie mich auf den kalten Boden. Vor mir steht eine Kerze mit einer blauen Flamme. //Das kann nur Dabi gewesen sein! Warum war er hier?// Ich zittere, doch wie ferngesteuert machen sich meine Finger auf den Weg, um die Kerze zu umschließen. Im blauen Licht der Kerze leuchten meine blauen Flecken zwischen den Fingern auf. //Warum war er hier? Wie kam er hier überhaupt hin?//

Ich springe auf und sehe mich um, während ich die Kerze noch immer festhalte, in der Hoffnung irgendwo in der Dunkelheit einen Anhaltspunkt zu finden, ob er noch da ist. Doch ich finde nichts. //Wie dumm von mir zu denken, er wäre noch da. Aber was hätte ich denn gemacht, wenn ich ihn gesehen hätte? Ich wäre wahrscheinlich nicht freudestrahlend auf ihn zu gelaufen nach unserer letzten Begegnung.//

Sofort habe ich das Bild vor Augen, wie er mir immer fester an die Schultern griff. Seiné raue Stimme und der Gesichtsausdruck, der mich so sehr an meinen Vater erinnerte. //Wut? Verzweiflung? Enttäuschung? Hass? Was wollte er mir mit seinem Blick sagen?//

Tränen fließen meine Wangen hinunter, in meinem Hals bildet sich ein Kloß. Mir fällt die Kerze aus der Hand, sie zerschellt am Boden. Überall liegen nun auf dem Balkon Wachsbrocken, die Flamme ging bereits im Fall aus. Ich lege meine Hände auf meine Schultern, als würde ich versuchen mich selbst zu umarmen. So verharre ich einige Minuten, mein Blick starr in den Nachthimmel gerichtet während Tränen sich den Weg von meinen Augen bis zu meinem Kinn machen.

Als ich es nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder schaffe, in mein Zimmer zu gehen, greife nach meinem Handy und schreibe Shigaraki. Noch immer weinend setze ich mich auf mein Bett.

Chat Shigaraki

(D/N)

Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe.

Shigaraki

Ist alles in Ordnung bei dir?

(D/N)

Nein.

Shigaraki

Haben sie einen Verdacht?

(D/N)

Nein.

Shigaraki

Was ist los? War Dabi bei dir?

(D/N)

Ja.

Shigaraki

Wurde er bemerkt?

(D/N)

Nein. Können wir uns reffen?

Shigaraki

Sicher. Ich werde dich finden.

Ich belasse es bei seiner Nachricht und versuche mir auch gar nicht erst auszumalen, wie er das machen will. Warum ich ausgerechnet in Shigaraki Vertrauen lege, darauf finde ich keine Antwort. Mir ist jedoch eine Sache mehr als klar: Ich will niemanden hier an der Schule weiter anlügen!

~ Timeskip, am nächsten Tag vor dem Unterricht

In der Nacht habe ich nicht geschlafen, stattdessen versuchte ich zu verstehen, was mit Dabi los ist. Auch nach dem mein Wecker klingelt, liege ich an die Zimmerdecke starrend in meinem Bett und denke darüber nach. //Sein Blick geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Warum..muss immer alles...so kompliziert sein? Wieso darf ich nicht glücklich sein? Warum machen sich in meinem Kopf stets die Sorgen breit? Warum sind Menschen so kompliziert?//

Ich beschließe, mich für den Unterricht fertig zu machen. Das ich bereits zu spät dran bin, fällt mir nicht auf. Meine Gedanken schweifen immer weiter ab, bis ich erneut auf dem Bett sitze und an die Wand starre. //Ich erinnere mich noch nicht an vieles aus meiner Kindheit, einige Fetzen von Ereignissen, Stimmen und Bilder. Will ich mich wirklich an alles erinnern? Kann ich überhaupt ein neues Leben beginnen mit all diesen Erinnerungen? Ich habe meine Eltern getötet! Und nun wächst in mir der Wunsch eine Heldin zu werden? Das passt doch nicht zusammen! Vielleicht sollte ich einfach wieder weglaufen...Weg von allen anderen...von allen...die mir wichtig sind...//

Ich denke nicht oft über die Erinnerungen nach, viele sind tatsächlich noch nicht wieder da. Das ist aber auch besser so, in meinem Kopf schwirren so viele andere Sachen herum, ich weiß nicht worauf ich mich konzentrieren soll. Dem Unterricht zu folgen, fällt mir schwer. Mich mit allen Klassenkameraden anzufreunden, genauso. Ganz nebenbei hatte ich von Shigaraki einen Auftrag bekommen, auch dem bin ich nicht nach gekommen. //Ich war einfach noch nie der Mensch, der viele Kontakte hatte oder der Aufgaben sofort erledigte. Ich bin niemandem eine Bereicherung – eher ganz im Gegenteil! Der Leaque bin ich keine Unterstützung, die Schule lüge ich mit meinem ganzen Sein an. Es ist wohl besser...wenn ich gehe...einfach weggehen..ganz einfach...//

Ich stehe auf und öffne meine Zimmertür, im Wohnheim ist kein einziger Ton zu hören. Ich nehme mir meinen Mantel und verlasse das Haus. Die Sonne steht hoch am Himmel, es ist weit und breit niemand der Schüler oder Lehrer zu sehen. Die Luft strömt frostig in meine Lungen, ein feiner Nebel bildet sich beim Ausatmen.

//Hoffentlich sieht mich niemand...// geht es mir noch durch den Kopf, als plötzlich wie aus dem Nichts jemand neben mir steht. Ohne sie genau anzusehen, ist mir bewusst, um wen es sich handelt und als die Person beginnt zu sprechen, bin ich mir sicherer denn je. >>Du hast es mir leicht gemacht, dich zu finden.<<

Ich stoße lediglich ein weinerliches >>Shigaraki...<< aus und drehe mich zu ihm. Sein Blick wirkt ungewohnt besorgt, das traut man ihm eigentlich gar nicht zu. Ist er doch sonst so von Hass geprägt, mag man nicht glauben, er könne auch empathisch sein. >>Was liegt dir auf dem Herzen, (D/N)?<< flüstert er beinahe mit seiner kratzigen Stimme. Er scheint sich selbst in einer ungewohnten Situation wiederzufinden.

Es dauert einen Moment bis ich antworten kann, doch als ich es endlich schaffe, sprudeln die Worte stotternd und unsicher aus mir heraus.

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924 Worte

~ Ocean Eyes ~ Dabi/Bnha x Female ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt