Das Schicksal des Funkers

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Alle schrien durcheinander. Er konnte die donnernden Schritte der Menschen hören, die in Panik durch die Gänge rannten, auf der Suche nach Rettungswesten und dem nächstgelegenen Rettungsboot. Doch von alldem durfte er sich nicht ablenken lassen, denn er musste weiterhin den Notruf senden und hoffen, dass jemand ihn hören und zu Hilfe kommen würde. Er hatte sich entschieden so lange zu funken, bis es nicht mehr möglich war. Alle anderen waren schon gegangen, hoffend, dass sie eine Chance hatten den dunklen, kalten Tiefen zu entkommen, die auf ihn zu warten schienen. Mit zitternder Hand bediente er weiterhin den Telegraphen „SOS", funkte er immer und immer wieder. Dazu die Position des Schiffes „41°46'N 50°14'W". Er dachte an seine Familie, seine Eltern, Trauer wollte ihn übermannen, verschlingen, wie es das Wasser bald tun würde, doch er musste konzentriert bleiben. Es hatte bereits Antworten auf den Hilferuf gegeben, doch wusste, für ihn war die Chance zu überleben verschwindend gering, also tat er das, weshalb er auf dem Schiff war, er funkte mit dem Telegraphen. S

Mittlerweile war das Wasser bereits in den Raum eingedrungen und stieg stetig und unaufhaltsam seine Beine hinauf, kalt, wie die Berührung eines Toten. Die Schreie wurden leiser, das Donnern der Schritte weniger, als hätten die Menschen ihr Schicksal akzeptiert.

Das Wasser stand ihm schon bis zur Hüfte, er konnte nur noch einen Hilferuf senden, dann wurde der Telegraph vom Wasser ertränkt.

Da er hier nichts mehr erreichen konnte, stand er auf, verließ den Raum und versuchte auf das oberste Deck zu kommen um vielleicht doch noch in ein Rettungsboot zu kommen. Draußen war es dunkel, das Meer peitschte und brodelte, Menschen riefen nach ihren Angehörigen, Freunden, Partnern. Viele weinten oder stritten um einen Platz im Rettungsboot, doch es gab keine mehr. Alle Boote waren besetzt, alle Plätze vergeben.

Eine Welle, hoch wie drei Häuser krachte auf das Deck, durchweichte seine Kleidung, riss an ihm, versuchte ihn mit sich in das kalte, schwarze Wasser zu reißen. Er klammerte sich mit aller Kraft an die metallene Reling, doch die Kälte ließ seine Finder taub werden, er konnte sich nicht mehr festhalten und stürzte in die gierig schäumende See.

Er bewegte sich nicht. So laut es über der Wasseroberfläche war, so still war es Unterwasser. Die Kälte kroch unter seine Haut, setzte sich in seinen Knochen fest, versuchte ihn in den schlaf zu lullen. Er wollte kämpfen! Er strampelte sich an die Wasseroberfläche, wurde von den Schreien der verzweifelten Menschen geweckt und sah ein Boot falsch herum im Wasser treibend, ein Mann, der sich daran festklammerte. Er versuchte darauf zu zu schwimmen, doch seine Glieder waren steif vor Kälte und wollten ihm nicht gehorchen, das anfängliche Zittern, das er beim Eintauchen ins Wasser noch gespürt hatte, wich einer angenehmen Wärme, die durch seinen Körper floss.

Er wusste, sich der wärme hin zu geben wäre tödlich, denn sie war nur eine Illusion, doch er hatte nicht mehr die Kraft, sich dagegen zu wehren.

Eine Welle drehte ihn und er erkannte, dass er neben dem Bug der Schiffes trieb, der Name war gerade noch über dem Wasser erkennbar. Fast wollte ihm ein bitteres Lachen entweichen. Nie hätte er gedacht, dass er auf dieser Reise sterben würde. Leise, nicht einmal er selbst konnte es hören sagte er abfällig: „R.M.S. TITANIC, doch nicht so unsinkbar."

Diese Geschichte wurde aus der Sicht Jack Phillips' geschrieben, einem der beiden Funker, die auf der Titanic stationiert waren.

Einige Teile stimmen mit den tatsächlichen Ereignissen überein, andere sind frei erfunden. Die Gedanken und Gefühle sind von mir verfasst, da nicht feststeht, was er gedacht und gefühlt hat und einen toten kann man schlecht fragen.

Phillips' Kollege Harold Bride überlebte den Untergang der Titanic, er war der Mann der sich an das umgekippte Rettungsboot geklammert hat.

Wenn ihr mehr über die Funker erfahren wollt, könnt ihr im Internet nach den ihnen suchen.

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