10 - Am besten quält man sich immer selbst.

209 10 0
                                    


Dienstag, 20. September 2016, 15:30


Maura Isles schaut auf die Uhr, als sie die Autopsie abgeschlossen hat. In 24 Stunden könnte es vorbei sein. Nachdem sie Jane angerufen hat und Bescheid gesagt hat, dass sie fertig ist, geht sie in ihr Büro. Mit einem Lächeln stellt sie fest, dass Kelly mit ihrem Buch auf dem Sofa eingeschlafen ist. Die Mutter legt das Buch auf den Tisch, deckt sie vorsichtig zu und gibt ihr sanft einen Kuss auf die Stirn. Sie liebt den friedlichen Gesichtsausdruck ihrer Tochter wenn sie schläft. Als gäbe es keine Sorgen.
Sie setzt sich mit dem Laptop in den Sessel und surft gedankenverloren herum.
Schließlich landet sie auf dem Twitter Account von Abby Sciuto. Die ganzen Jahre hat Maura es vermieden zu verfolgen, wie es ihren ehemaligen Kollegen geht. Um sich nicht noch schuldiger zu fühlen und auch um nicht schwach zu werden.
Doch durch das Gespräch mit Gibbs, will sie wenigstens einmal kurz schauen, wie es Abby ergangen ist. Langsam scrollt sie durch ihre meist fröhlichen Posts von Konzerten, neuen Tattoos und Partys. Allerdings sind auch traurige Tweets zusehen, wie an dem Tag als ihre Kollegin Ziva David für tot erklärt wurde.
Als sie ein altes Bild von ihrer damaligen besten Freundin und sich sieht, dass diese an ihrem vermeintlichem Todestag gepostet hat, kommen ihr die Tränen. Maura wird klar, wie sehr sie Abby immer noch vermisst und scheinbar hat diese sie auch nicht vergessen.
Sie unterdrückt ein Schluchzen und steht entschlossen auf. Weinen hilft jetzt auch keinem.
Als sie wieder aus dem Büro zum Autopsietisch geht, stößt sie fast mit Jane zusammen.
"Irgendwas Ungewöhnliches gefunden?", fragt Jane, unterbricht sich aber dann selbst, als sie die Spuren der Tränen in Mauras Gesicht sieht: "Okay was ist los?"
"Nichts. Zumindest nichts Wichtiges", antwortet Maura mit fester Stimme und erzählt Jane, was sie über den Tod des Mannes noch herausgefunden hat.
Der Lockenkopf bedankt sich und ruft Korsak an, um ihm das Wichtigste mitzuteilen.
Dann sieht sie ihre beste Freundin an. "Und jetzt kannst du mir sagen, was dich bedrückt", sagt Jane und legt einen Arm um sie. Maura zögert kurz, holt dann aber wortlos ihren Laptop und zeigt ihr Abbys Tweet über sich. Jane seufzt und klappt den Laptop zu. "Maura, warum quälst du dich denn mit Absicht?", fragt sie, während sie die Blondine sanft an sich drückt. Diese lehnt den Kopf an und seufzt während sie das vertraute Gefühl der Geborgenheit genießt, dass sie bei Jane immer empfindet.
"Ich weiß nicht, ich bin irgendwie da gelandet", sie zuckt mit den Achseln, "Ich bin nicht mehr sicher, ob es damals wirklich die richtige Entscheidung war Gibbs und Abby zu verheimlichen, dass ich lebe. Vielleicht hätte ich es ihnen doch sagen sollen, als ich in Sicherheit war."
Jane schaut sie an und meint: "Rückgängig machen kannst du es nicht, also mach dich nicht wegen etwas runter, dass du nicht ändern kannst. Aber vielleicht überlegst du, was du in der Gegenwart ändern möchtest."
"Das klang schon fast wie Angela", muss Maura etwas grinsen. Jane schaut sie empört an. "Ich klinge nicht wie meine Mutter!", brummt sie und drückt ihre Freundin von sich weg. "Aber es war ein guter Rat", beschwichtigt sie die Blondine lächelnd. Jane boxt Maura kurz in die Seite und geht dann, ein wenig beleidigt, wieder nach oben.
Maura grinst und geht zu Kelly, die mittlerweile aufgewacht ist. Das Mädchen setzt sich auf, gähnt und reibt sich die Augen. Ihre Mutter setzt sich kurzerhand neben sie und nimmt sie in den Arm. Kelly kuschelt sich an sie und so bleiben sie eine Weile sitzen, denn Maura weiß, dass ihre Tochter ein bisschen Zeit braucht um wach zu werden. Während die noch recht geschlossen Augen sich langsam mehr und mehr öffnen, kann Maura nicht den Blick von ihr lösen. Auch wenn ihre Tochter mittlerweile schon etwas älter ist, ist sie für Maura irgendwie immer noch ihr kleines Baby. Und gerade wenn sie noch nicht ganz wach ist, erinnert sich Maura immer an die erste Zeit mit ihr.

Schließlich meint die Zehnjährige leise: "Mummy, ich hab langsam Hunger."
Maura streicht ihr sanft über die Haare und schiebt ihr eine Strähne hinters Ohr. "Ich bin fertig mit der Autopsie, wir können gerne essen gehen. Auf was hast du denn Lust?"
"Pizza", meint Kelly, die langsam wacher ist. Das ist, zu Mauras Leidwesen, ihr absolutes Lieblingsessen.
Maura seufzt und gibt ihr einen Kuss auf die Wange. "Dann los", meint sie und nimmt Kelly kurzerhand auf den Arm. Diese lehnt ihren Kopf noch etwas verschlafen an sie und schlingt die Arme um ihren Hals.

Die Pathologin steigt mit ihrer Tochter ohne groß darüber nachzudenken in den Aufzug.
Kaum kommt sie im Erdgeschoss an, hätte sie sich am liebsten mit der Hand vors Gesicht geschlagen. Wie konnte sie nur vergessen, dass das NCIS- Team hier ist.
Sie dreht ihren Kopf zur Seite, lässt ihre Haare vors Gesicht fallen und läuft so schnell es mit ihrer, nicht mehr ganz so leichten, Tochter geht zum Ausgang. Außer der neuen blonden Agentin hat sie zum Glück keiner gesehen. 'Und die kennt mich ja gar nicht', denkt Maura und geht erleichtert mit Kelly zu ihrer Lieblingspizzeria. Trotzdem ärgert sie sich über ihre Achtlosigkeit.
Agent Bishop schaut währenddessen verwirrt zum Ausgang. Irgendwie kam ihr das Gesicht, in dem kurzem Moment in dem die Gerichtsmedizinerin nach vorne gesehen hatte, bekannt vor.
Allerdings weiß sie, zu Mauras Glück, nicht woher. Sonst hätte sie sich vermutlich gefragt, warum eine gefallene Agentin putzmunter durch die Gegend lief. Schließlich hängt ein Foto von Agent Kate Todd an der Wand beim NCIS.

Während Maura und Kelly essen, arbeiten die Polizisten und Agenten weiter an dem Fall. Sie hoffen schon vor dem geplantem Zeitpunkt der Übergabe die Verbrecher finden zu können.

Korsak erklärt aber vorsichtshalber den Plan der Übergabe für den nächsten Tag.
Tony soll die Übergabe zwar allein ausführen, aber Gibbs, Korsak, Jane, Torres und Bishop werden in unmittelbarer Nähe sein. McGee wird ebenfalls dort sein, aber sich gemeinsam mit Nina um die Technik kümmern. Ein Einsatzteam wird auf Befehl von Gibbs agieren.
Mittlerweile ist allerdings klar, wer der Komplize ist: Petty Officer Randel. Da dieser einen großen Hass auf Tony hat, könnten Komplikationen entstehen.
Tony knetet unbewusst den Stoffhund Kalef, er hat große Angst um Tali. Er wird es sich nie verzeihen, wenn ihr etwas passiert.
Gibbs und Jane organisieren alles und scheinen sich gut zu verstehen, auch die Sucht nach Kaffee haben sie gemeinsam. Als sie sich mal wieder in der Cafeteria über den Weg laufen, beschließt Jane ihn auf Mauras früheres Leben anzusprechen.
"Agent Gibbs, wie war Maura früher?", fragt sie und Gibbs sieht sie überrascht an. "Kate... war eine sehr gute Agentin mit großem Herz. Sie hat mich einmal auch vor einer Kugel beschützt. Sie hat ihre Emotionen hin und wieder sehr für sich behalten und hinter Sarkasmus versteckt. Sie zu verlieren war ein großer Verlust für das Team", antwortet der sonst so wortkarge Agent.
Jane hat aufmerksam zugehört und nickt. "Sie ist der Mensch mit dem größtem Herzen den ich kenne. Ihrer leiblichen Halbschwester, die sie zu dem Zeitpunkt kaum kannte, hat sie eine Niere gespendet", erzählt sie nicht ohne etwas Stolz.
"Sie bedeuten ihr viel, Detective", hat Gibbs bemerkt. Jane lächelt: "Das beruht auf Gegenseitigkeit."
"Maura hat sich vorhin Abbys Twitter Account angesehen", erzählt die Italienerin nachdenklich, "Meinen Sie, dass Abby ihr verzeihen würde den Tod vorgetäuscht zu haben?"
Gibbs runzelt die Stirn. "Erstmal wird sie vermutlich ein wenig sauer sein und wild diskutieren", überlegt er, "Aber im Grunde wird Abbs sie wiedersehen wollen."
Jane bedankt sich für seine Ehrlichkeit und die beiden wenden sich wieder dem Fall zu.

Maura und Kelly laufen etwas später langsam zum Revier zurück. Das Mädchen versteht, dass ihre Mutter dem Team noch helfen will. Maura ist darüber sehr froh, denn der Fall mit ihrem alten Team geht ihr doch sehr zu Herzen.
"Du hast ja heute Gibbs kennengelernt, oder?", fragt die Gerichtsmedizinerin ihre Tochter. Als diese nickt ergänzt sie: "Du sollst wissen, er war mal mein Boss. Und ich hab dich nach seiner kleinen Tochter benannt."
Kelly schaut sie erstaunt an, findet es aber interessant zu wissen, woher sie den Namen hat. "Warum ist seine Tochter so früh gestorben?", fragt sie dann vorsichtig und tastet nach der Hand ihrer Mutter.
Die Blondine schaut ihre Tochter traurig an. "Das erzähle ich dir ein anderes Mal", antwortet sie und lässt lieber aus, dass sie ermordet wurde. "Armer Gibbs", stellt Kelly fest und runzelt mitfühlend die Stirn. „Gibbs ist ein taffer Mann, du brauchst dir keine Gedanken machen Süße", beschwichtigt die Blondine ihre Tochter und drückt ihre Hand. Sie sieht es immer als ihre Aufgabe an ihrer Tochter die Sorgen zu nehmen.
Als sie durch den Eingang für Leichentransport reingehen, sitzt Jane bereits auf Mauras Sofa.
"Hallo Tante Jane", umarmt Kelly sie fröhlich. "Hey Kelly", Jane erwidert die Umarmung, "Ich muss mal eben mit deiner Mummy über den Fall reden."
Sie schiebt Maura aus dem Büro. "Ich hab mit Gibbs geredet. Wir denken, du solltest Abby sagen, dass du noch lebst", kommt sie direkt auf den Punkt. Ihre Freundin schaut sie unsicher an. "Gibbs denkt das auch?" Jane nickt, er hat es zwar nicht mit den Worten gesagt, aber im Grunde kommt es hin. Maura sieht hin und her gerissen aus. "Ich weiß nicht recht... Wenn ich sie anrufe, dann aber erst nach der Übergabe", überlegt sie. Jane nickt: "Macht Sinn. Dann lenkst du sie nicht ab." Sie drückt die Blondine kurz an sich, woraufhin diese wieder lächelt. "Du schaffst das schon." Maura erwidert die Umarmung, atmet den Duft von Janes Shampoo ein und lächelt.

Es ist nicht immer wie es scheint.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt