9 - Hat man immer eine Wahl?

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Gibbs schaut Maura Isles ungläubig an. "Kate??", fragt er dann fassungslos.
Die ehemalige NCIS-Agentin schaut ihn mit schlechtem Gewissen an und nickt. "Ja. Mein richtiger Name ist zwar Maura, aber das wusste ich damals noch nicht", plappert sie nervös drauflos, bemerkt dann aber, dass das vermutlich nicht das ist, was er hören möchte.
Gibbs zieht die Stirn kraus und wirft ihr einen Blick zu, den sonst nur sein Gegenüber im Verhörraum zu sehen bekommt.

"Du warst tot! Wie kannst du hier stehen??", seine Stimme wird immer lauter und Maura ist froh, dass sie allein ist und es niemand mitbekommt. Wobei sie sich insgeheim Jane an ihrer Seite gewünscht hätte.
Ihre Augen füllen sich mit Tränen. "Ich hatte keine Wahl", sagt sie mit bebender Stimme, "Ari hätte mich sonst wirklich erwischt. Er hätte niemals aufgegeben."
Gibbs schaut sie enttäuscht und wütend zugleich an. "Man hat immer eine Wahl! Wie konntest du uns das antun?!", schimpft er wutentbrannt, "Du hast keine Ahnung, wie es uns damit ergangen ist!" Maura zieht den Kopf ein und kann nicht verhindern, dass ihr eine Träne über die Wange rollt. Als wäre es für sie einfach gewesen ihren Tod vorzutäuschen. Als würde sie sich nicht selbst ständig Vorwürfe machen.

Früher hätte sie es vermutlich über sich ergehen lassen, doch Jane hatte ihr schon oft gezeigt, dass ein Gegenangriff die bessere Strategie ist. „Denkst du etwa für mich war es leicht?! Ihr wart wie eine zweite Familie für mich!"

„Und warum hast du dich nicht gemeldet, als er tot war?!", kommt Gibbs gar nicht mehr aus dem Schimpfen raus. „Woher sollte ich dass denn wissen?? Ich war doch weder beim NCIS noch in D.C!" Ihr rollt nun eine weitere Träne über die Wange, genervt wischt Maura sie weg. Sie hasst es, dass sie weinen muss, obwohl sie wütend ist.
Das wiederum tut ihrem früherem Boss jetzt doch ein bisschen leid. "Warum hast du nicht wenigstens mich eingeweiht?", fragt er dann ruhiger aber ziemlich enttäuscht von ihr.
Die Blondine schnieft leise. "Ich war schwanger Gibbs", antwortet sie dann und schaut ihm in die Augen. "Es war am sichersten für meine Tochter, wenn gar keiner es weiß. Ich konnte nicht nur an mich denken."
Gibbs schaut sie an und schweigt. Insgeheim kann er sie verstehen, aber das zuzugeben fällt ihm schwer. "Trotzdem hättest du dein Team einweihen können."
Maura schüttelt langsam den Kopf. „Regel 4: Der beste Weg, ein Geheimnis zu bewahren: Erzähle es niemanden!" "Zweitbester Weg: Erzähl es einer Person, wenn Du musst", kontert Gibbs, „Ich wünschte wirklich du hättest wenigstens mir von deinem Plan erzählt." Er kann ihr nicht böse sein, aber die Enttäuschung spiegelt sich in seinem Gesicht wieder.
Die Gerichtsmedizinerin schaut auf den Boden und kann nicht verhindern, dass weitere Tränen über ihre Wangen laufen. Gibbs schließt sie kurzerhand in eine seiner seltenen Umarmungen. Maura erwidert die Umarmung mit ihrer freien Hand und lässt schluchzend ihren Tränen freien Lauf.
"Ich bin froh dich zusehen", gibt die ehemalige Agentin zu, während ihr der vertraute Geruch nach Sägemehl in die Nase steigt.
"Und ich erst Kate", erwidert ihr ehemaliger Boss und wischt sich eine Träne von der Wange. Dann streicht er Maura sanft über den Rücken und lässt sich geduldig das Shirt nass weinen ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Die Erleichterung darüber, dass seine Agentin lebt, hat seine Wut wieder verdrängt.

Jane Rizzoli schaut auf ihr Handy, ein"SOS" von ihrer besten Freundin ist nie ein gutes Zeichen. Und das sieht sie jetzt auch noch 10 Minuten zu spät. „Verdammte Sch...", flucht sie laut, wodurch sie ungewollt die Aufmerksamkeit sämtlicher Detectives und Agents erlangt.
Ohne eine Erklärung rennt sie kurzerhand die Treppen herunter. Fluchend stößt sie die Tür des Kellerflures auf. Sie will gerade ins Labor herein platzen, als sieht, dass Maura weinend im Arm ihres ehemaligen Bosses gehalten wird. Gerade noch rechtzeitig kommt sie vor der Tür zum Stehen und atmet auf.

Jane beobachtet die beiden kurz lächelnd und verschwindet dann unbemerkt wieder. Wenn ihr Boss ihr verziehen hat, dann würde es der Rest des Teams auch irgendwie. Vielleicht würde ja doch alles sich zum Besseren für Maura entwickeln. Das hat niemand so sehr verdient wie ihre beste Freundin.

Während Jane wieder oben ankommt, löst sich Maura langsam aus den Armen von Gibbs.
"Danke", lächelt sie. Dieser nickt nur lächelnd. Eine Weile schauen sie sich nur schweigend an. Keiner der beiden hat erwartet den anderen je wiederzusehen.
"Du hast deine Tochter Kelly genannt", durchbricht Gibbs die Stille
Maura nickt. "Ich hoffe das macht dir nichts aus", sagt sie unsicher.
"Nein im Gegenteil. Ich finde das irgendwie schön", lächelt er, "Ich hab sie schon kennengelernt, sie scheint ein tolles Mädchen zu sein." Die junge Mutter lächelt stolz. "Ja. Das ist sie."
Im gleichem Moment schauen beide auf die übergestülpten Fingerkuppen des Toten.
"Es könnte geklappt haben", stellt Maura fest, während sie die Hand an der Luft ein wenig trocknen lässt.
"Wieso Gerichtsmedizinerin?", fragt Gibbs, während sie warten."Ich wollte weiter Hinterbliebenen helfen", antwortet sie, "Und so hab ich zumindest meistens einen sicheren Job." "Meistens?", hakt er nach, das Wort ist ihm nicht entgangen.
"Ich bin einmal entführt worden", erklärt Maura, "Es wäre mir aber lieb, wenn wir nicht darüber reden."
Der ältere Agent nickt, das versteht vermutlich niemand so gut wie er. Die Pathologin scannt vorsichtig die Fingerabdrücke und gibt sie dann ins System ein. "Hoffentlich bekommen wir einen Treffer. Wenigstens das möchte ich für Tony getan haben", sagt Maura leise. Gibbs nickt nur. Das einzige Geräusch für eine Weile ist das Summen der Suchmaschine.
Als das Schweigen unerträglich wird, fragt sie leise: "Wie geht es Abby?"
"Nicht so gut, die Kollegin nach dir ist auch gestorben. Das hat uns alle getroffen", erzählt er traurig. "Oh, das tut mir leid, für euch alle", sagt Maura mitfühlend und schaut auf ihre Füße. Mal wieder ein Fettnäpfchen, typisch. Unsicher beißt sie sich auf die Unterlippe.
Gibbs wechselt das Thema. "Warum heißt du Maura Isles?", fragter.
"Das ist mein wahrer Name. Eigentlich wäre ich Maura Doyle", erklärt sie missmutig, bei der Erinnerung an ihren leiblichen Vater.
"Doyle??", fragt Gibbs irritiert, "Wie Paddy Doyle?"
Maura seufzt: "Leider ja, aber ich wie du weißt bin ich ja adoptiert, daher heiße ich Isles."
Gibbs nickt und runzelt die Stirn. "Und warum Kate Todd?", hakt er kurz-angebunden nach.
"Mein leiblicher Vater sollte mich nicht finden", erklärt sie. Gibbs nickt, das leuchtet ihm ein. "Außerdem wusste ich nicht, was mein wahrer Name ist, bis ich meinen Eltern für zwei Tage vorspielen musste ich sei tot", ergänzt sie, "Danach haben sie mir zumindest gesagt, dass ich Maura heiße."
Gibbs schaut sie an, er realisiert, dass es auch für sie eine harte Zeit gewesen sein muss. "Geht es dir hier gut?", fragt er dann väterlich besorgt und legt eine Hand auf ihre Schulter. Maura nickt. "Ja, ich fühle mich hier zuhause", lächelt sie. "Gut", nickt Gibbs. Trotzdem schaut er sie prüfend von der Seite an.

Als das vertraute "Pling" ertönt, wenden sich die beiden wieder dem Fall zu.
"Eine Übereinstimmung mit einem ehemaligen Marine. Petty Officer Clark", stellt Maura fest, "Kennst du ihn?"
Gibbs nickt und informiert sie: "Ja, Tony und Ziva hatten ihn und seinen Kollegen wegen Waffenschmuggels und Körperverletzung festgenommen, aber er bekam nur 4 Jahre. Ich glaube der Kollege war auch ein Petty Officer."
Maura sieht ihn fasziniert an, soviel hatte er sonst nie geredet. Der ältere Agent macht Anstalten zugehen. "Boss?", fragt Maura leise, "Kannst du es bitte erst mal für dich behalten, dass ich noch.. naja lebe?" Gibbs schaut sie ernst an. "Ich würde es dir nicht abnehmen wollen", sagt er und geht zur Tür. „Achja und ich bin nicht mehr dein Boss Kate", brummt er noch bevor er verschwindet. Maura grinst kurz und seufzt dann, sie hat das Gefühl, dass er es gar nicht gut findet, dass sie es nicht den anderen sagen möchte.

Kelly unterbricht ihre Gedanken: "Mommy, geht's dir nicht gut?" Sie ist unbemerkt hinter Maura aufgetaucht. Ihre Mutter zuckt kurz zusammen. Ständig schlich sich Kelly an, ohne dass sie es mitbekam.
Maura lächelt: "Alles gut Kelly." Sie drückt ihre Tochter kurz an sich und achtet darauf, dass diese nicht auf die Leiche sieht. "Ich mache die Autopsie noch zu Ende ja? Du kannst dir solange dein Buch auf dem Sofa durchlesen okay?"
Kelly nickt, umarmt ihre Mutter kurz erneut und legt sich dann aufs Sofa. Mit einem Lächeln schaut Maura ihr hinterher.

Es ist nicht immer wie es scheint.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt