2. Kampfgeist

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Weil ich mich so über euer Feedback gefreut habe, gibt es heute schon einen neuen Teil 🙈

Die Tage in Untersuchungshaft waren alle gleich strukturiert. Geweckt wurde man um sieben, dann gab es Frühstück. Dann wartete man auf sein Mittagessen und dann wieder auf das Abendessen.

Um nicht durchzudrehen machte Marten Sport. Vermutlich sollte man die Zeit in Isolation nutzen, um über seine Taten nachzudenken, aber er bereute nichts. Eventuell hätte er das dem Richter so nicht sagen sollen - das bereute er, aber nicht dass er den Vollidioten zusammengeschlagen hatte.

Immer wieder dachte er über die kleine Anwältin nach - nicht, weil sie ihn sonderlich interessierte, sondern einfach, weil er sich über sich selbst ärgerte. Doch nicht, weil er sie abgewiesen hatte, sondern weil er sich überhaupt darauf eingelassen hatte. John hätte einfach irgendeinen Anwalt googeln sollen. Jetzt saß er in U-Haft ohne Verteidiger und seine Telefonprivilegien hatte er bereits gestern aufgebraucht, als er John angerufen hatte und ihm Instruktionen gegeben hatte. John war nichtmal zu Wort gekommen. Marten war zu sehr darauf bedacht gewesen, ihm die Dringlichkeit seiner Lage deutlich zu machen.

Dr. Bella Mertens. Was für ein langweiliger Name. Bella - er passte nicht. Sie war höchstens niedlich, aber eine dieser Frauen, die Martens Aufmerksamkeit genau für zwei Sekunden halten konnten. Sie hatte dieses Lehrerartige an sich, das Konservative, Spießige. Dabei erschauderte er. Sie war das Gegenteil von ihm.

Er presste die Lippen zusammen und starrte die kahle Wand an. Warum war Anna keine Strafverteidigerin. Die Frau hatte Biss, war impulsiv, aggressiv und auf ihre ganz eigene Art respekteinflößend. Den verschaffte sie sich anders als Marten. Marten sah gefährlich aus, das wusste er. Bei Anna war das anders. Zwar strahlte sie Arroganz und eine reiche Herkunft aus, aber sobald sie den Mund öffnete, merkte man, dass da auch etwas hinter steckte. Sie war wie ihr Bruder - sie machte weder leere Versprechen, noch leere Drohungen. Irgendwie waren er und Anna sich gar nicht so unähnlich.

Die graue Maus hingegen hatte ungefähr so viel Ausstrahlung wie Tschernobyl bevor dort ein Atomkraftwerk gebaut wurde, das in die Luft flog. Die und Strafverteidigung. Und dann auch noch ihn als Mandanten. Beinahe hätte er verächtlich gelacht. Wie würde das denn aussehen. Der Richter würde lachend vom Stuhl fallen. Vermutlich würden zu den drei Jahren, die er schon hatte, noch eins drauf kommen, einfach aus Prinzip.

Der Schlüssel in der Metalltür drehte sich. Marten runzelte die Stirn. Es war höchstens elf Uhr vormittags, außer sein Zeitgefühl täuschte ihn, was durchaus möglich war. Er durfte erst am Nachmittag eine Stunde auf den Hof. Er richtete sich auf dem Bett auf. Es war zu schmal und zu kurz für seinen Körperbau.

Die Tür schwang auf und ein Justizvollzugsangestellter stand vor ihm. Marten mochte ihn. Er war ein angenehmer Typ und hatte Marten tatsächlich mal Zigaretten gegeben. Die wenigsten Wachtmänner waren wirklich nett zu den Häftlingen. Es war bei weitem nicht so schlimm wie in den amerikanischen Filmen dargestellt - in Deutschland wurde das Personal einfach wesentlich besser bezahlt. Aber Schikanen kamen vor.

"Frieling." Er nickte ihm zu und winkte dann mit Handschellen.

Marten zog eine Augenbraue hoch. "Wieso das denn?"

"Ja, willst du hier raus, oder nicht?"

Sofort sprang Marten auf und hielt im die Handgelenke hin. Das metallische Klicken war ihm mittlerweile viel zu vertraut.

Marten wurde ganz unruhig. "Raus?", hakte er nach, als sich die Tür seiner Einzelzelle schloss. Die Einzelzelle war schon bloße Schikane gewesen. Er stellte keine Gefahr für andere Häftlinge dar.

Der Wachtmann nickte. "Ja, deine Untersuchungshaft wurde mit Anfechtung des Urteils aufgehoben. Es konnte bestätigt werden, dass keine Fluchtgefahr besteht."

La Vita è Bella | MARTEN81Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt