Was meiner Meinung nach kompletter Bullshit ist.

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Es kommt, wie es kommen muss.
Irgendwann gehen auch die letzten Gäste und nachdem Kendall die Tür der Bar hinter sich schließt, eine weitere Runde Shots und Bier auf den Tisch stellt und sich dann endlich zu uns an den Tisch setzt, bin ich ziemlich betrunken.

Die Stimmung ist ausgelassen, wir lachen viel und ich bemerke, wie sehr mir solch ein Abend mit meinen Freunden gefehlt hat.
Leider kommt das Thema dann schnell auf Liam und meinen Urlaub und während ich mich verkrampfe, automatisch nach meinem Handy in meiner Hosentasche greife und dieses fest umschließe, erzählt Liam mit einem leuchten in den Augen von New York.
Er erzählt vom Empire State Building, von der Freiheitsstatue und vom Central Park. Außerdem schwärmt er von unserer Suite und dem Ausblick, den wir von dort hatten.
"Oh das klingt toll. Ich möchte auch nach New York", beschwert sich Kendall, sieht ihren Freund vorwurfsvoll an, während Joker lacht und seinen Arm um die hübsche Frau neben sich legt.
"Irgendwann fliegen wir, versprochen. Aber im Moment versinke ich in Arbeit und solange ich noch in der Übernahme des Betriebs stehe, kann ich leider keinen Urlaub machen".
Kendall nickt. Sie weiß, dass ihr Freund gerade allerhand zu tun hat und hat auch Verständnis dafür, trotzdem sieht sie weiterhin schmollend zu ihrem Freund.

"Aber das Beste wisst ihr ja noch gar nicht", mischt sich Zayn ein und sieht mit einem teuflischen Grinsen zu mir. "Unser Louis hier hat sich einen wirklich heißen New Yorker geklärt".
Meine Augen weiten sich, als Zayns Worte bei mir ankommen und sofort verengt sich mein Herz.
"Was?!".
Joker sieht mich an, auch Kendalls Blick hat sich geändert und es ist klar, dass die Beiden jetzt alles wissen wollen.
Danke Zayn.
"Und glaubt mir, er ist wirklich heiß", murmelt Zayn, sieht entschuldigend zu Liam und gibt ihm einen schnellen Kuss, als er dann wieder zu Joker und Kendall sieht.
"Ich habe ihn gesehen, als ich mit Liam geskypt habe. Damn, wenn ich nicht Liam an meiner Seite hätte, hätte ich ihn mir vermutlich auch geangelt".
Mein bester Freund verdreht seine Augen und sieht mich entschuldigend an, während ich versuche Luft zu bekommen.
Ich habe Harry die letzten Stunden so gut es geht verdrängt, doch jetzt - jetzt scheint die Erinnerung an ihn komplett auf mich einzubrechen und er fehlt mir mehr, denn je.
"Hast du ein Foto?", möchte Kendall neugierig von mir wissen und rückt ein wenig näher zu mir.
"Komm schon, Louis. Da hast du endlich mal jemanden kennengelernt und dann verschweigst du es uns? Nicht nett, Louis. Nicht nett."
Zähneknirschend hole ich mein Handy aus meiner Hosentasche.
Natürlich habe ich Fotos von Harry. Unmengen Fotos. Ich meine, er ist einfach so verdammt hübsch, dass ich ihn immer wieder fotografieren musste.

Mit zitternden Händen öffne ich meinen Fotoordner und sofort erscheint ein Selfie von uns.
Wir grinsen in die Kamera, sehen so verdammt glücklich aus.
Kendall entreißt mir mein Handy und sieht dann gemeinsam mit Joker auf den Display. Es bleibt still am Tisch und während Liam und Zayn leise diskutieren, bemerke ich die aufkommenden Kopfschmerzen. Zu viele Shots, zu viel Bier. Meine Zunge fühlt sich ebenfalls schwer und wie Blei an.
Ich muss ins Bett.
Schnell.
"Louis".
Kendall schiebt das Handy über den Tisch und sieht mich an. In ihrem Blick liegt irgendetwas, was ich nicht deuten kann. "Diese Bilder...er...er ist mehr als nur ein One-Night-Stand, richtig?".
Wie verdammt Recht sie damit hat, muss ich ihr nicht sagen. Mein Blick reicht wohl aus.
Liam ist verdächtig ruhig und auch Zayn scheint nichts mehr sagen zu wollen. Stattdessen sehen mich meine Freunde allesamt an, alle mit diesem mitleidigen Blick, der das Gefühl in meinem Inneren nicht wirklich bessert.
"Wollt ihr es versuchen?", möchte Joker wissen und greift nach der Hand seiner Freundin. "Nein".
Ich erschrecke über den Klang meiner Stimme. Sie klingt so fremd.
"Was meiner Meinung nach kompletter Bullshit ist".
Liam sieht mich herausfordernd an, dann wechselt sein Blick zu Joker und Kendall.
"Ihr hättet die Beiden sehen müssen. Ich habe noch nie in meinem Leben zwei Menschen gesehen, die sich so ansehen wie Louis und Harry. Man kann die Gefühle zwischen den Beiden förmlich sehen. Und wenn man von Liebe auf den ersten Blick spricht, dann ist es bei den Beiden auf jeden Fall passiert."
Mein Magen zieht sich zusammen und mir wird heiß. Liam soll aufhören.
"Ich habe Louis noch nie so gesehen und auch Gemma, Harrys Schwester, meinte, dass Harry sich noch nie so verhalten hat. Ich sage es euch, die Beiden sind füreinander bestimmt."
"Liam". Ich senke meinen Blick, schüttele meinen Kopf. Er soll bitte einfach nur aufhören.
"Was denn? Du bist doch derjenige, der das alles wegwerfen will. Du trittst Harry in den Arsch und-" - weiter höre ich Liam nicht zu, denn ein Schwall der Übelkeit überkommt mich und schneller als die anderen gucken können, springe ich auf und hechte in das Männerklo.
Gerade noch rechtzeitig schaffe ich es in eine Kabine, als auch schon mein Mageninhalt Bekanntschaft mit der Keramikschüssel macht.

Verfluchter Alkohol, verfluchte Gefühle, verfluchter Harry.

Erneut kommt ein Schwall Alkohol und Galle aus meinem Mund und angewidert rümpfe ich meine Nase. Na Super. Mir wird es morgen sowas von schlecht gehen, dass weiß ich jetzt schon.

Als ich mir sicher bin, dass nichts mehr aus meinem Magen kommt, verlasse ich die Kabine und erschrecke mich fast zu Tode, als ich Kendall am Waschbecken erkenne.
Sie wartet schweigend, bis ich mir kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt habe und meinen Mund ausspüle. Als ich dann meinen Kopf wieder hebe, sehen mich ihre braunen Rehaugen mitleidig an.
"Liam meinte, du willst es nicht versuchen".
Toll, mein bester Freund hat also gepetzt, während ich mir die Seele aus dem Leib gekotzt habe.
"Kendall, lass gut sein.", brumme ich, die Kopfschmerzen immer stärker werdend.
Ich muss nach Hause. Dringend.
"Aber dir geht es nicht gut damit, dass kann man dir ansehen. Ich kann dich ja verstehen, Lou. Eine Fernbeziehung kann einem Angst machen und sicherlich ist es auch nicht einfach, aber diese Fotos...eure Blicke... ihr...ihr seht so glücklich aus".
In mir zieht sich alles zusammen und das Gefühl von aufkommenden Tränen bildet sich in mir. Nein. Ich werde hier jetzt sicherlich nicht losheulen. Nein.
"Lou", beginnt sie erneut, legt ihre Hand auf meine Schulter, doch ich schüttele schnell meinen Kopf, merke wie ich die Tränen kaum noch zurück halten kann.
"Ich...ich gehe nach Hause".

Eilig renne ich aus der Bar, verabschiede mich erst gar nicht von meinen Freunden und versuche so schnell wie möglich in meine Wohnung zu kommen.
Der Weg schwankt, oder viel mehr schwanke ich. Die Umgebung ist komplett verschwommen und ich bin mir nicht sicher, wie lange ich wirklich für den Nachhauseweg brauche.
Doch als ich endlich die Tür hinter mir schließe, brechen die Tränen aus mir heraus und schwemmen gleichzeitig all die Gefühle mit an die Oberfläche, die ich gekonnt in den letzten Tagen versucht habe zu verdrängen.
Schniefend lasse ich mich an meiner Wohnungstür heruntergleiten. Mein Griff geht zu meinem Handy, meine Finger öffnen wie von alleine den Chat von Harry.
Meine Sicht ist verschwommen, trotzdem kann die den Satz von Harry deutlich lesen.

Du fehlst mir.

Japsend beiße ich mir auf meine Unterlippe, schniefe und lasse den Tränen freien lauf.
Oh Harry, du fehlst mir auch. So schrecklich.

Ohne lange darüber nachzudenken was ich mache, geht mein Zeigefinger auf das Anrufsymbol. Auf meinem Display erscheint ein schwarzes Bild mit seinem Namen, es tutet und dann...dann erscheint Harry vor meinen Augen.
"Louis".
Seine Stimme ist Balsam für meine Seele und gleichzeitig sorgt sie für noch mehr Tränen.
"Oh Louis", höre ich Harry, sehe sein besorgtes Gesicht und möchte mich am liebsten in seine Arme schmeißen.
"Du...du fehlst mir auch, Harry".

Amor manet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt