Bilder?

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Mister Gucci-für-Arme geht mir gewaltig auf die Nerven.
Er ist ein ganz toller Typ. Ohne ihn währe die Firma längst pleite und eigentlich ist er ja der Chef. Alle hören auf ihn und er ist verdammt wichtig. Dass er seinen, vermutlich, kleinen Penis mit einem teuren Sportwagen kompensieren muss, erzählt er natürlich nicht. Stattdessen muss ich mir anhören, wie er im Sommer auf den Malediven war und bei seinen unzähligen Freundinnen nicht immer weiß, wie sie heißen. - Bitte, ich will hier weg.

"Nun, wie dem auch sei, ich wette Sie kennen meine Probleme. Jemand, der so aussieht wie Sie und bei so einer erfolgreichen Agentur arbeitet, kann sich sicherlich auch nicht vor Frauen retten."
Innerlich verdrehe ich meine Augen.
"Ich bin eher gesagt kein Fan von diesem Lebensstil."
Der Typ möchte gerade etwas erwidern, als sich sein Blick ändert und er erfreut auf sich aufmerksam macht. Er winkt irgendjemanden hinter meinem Rücken zu und ich vermute, dass es der Fotograf ist, der mich aus dieser wirklich interessanten Unterhaltung befreien kann.
"Da sind Sie ja", ruft er euphorisch und richtet seine Krawatte.
Mit einem gefälschten Lächeln drehe ich mich um und - WAS?!.
Binnen weniger Millisekunden scheint der Raum einzufrieren. Die Zeit steht still, alles um mich herum bleibt stehen.
Das gibt es nicht.
Mein Herz beginnt zu rasen, Wärme steigt in mir auf und Tränen schießen in meine Augen.
Was zum Geier....
"Harry". Meine Stimme ist ein leises Hauchen, kaum hörbar und auch mein geliebter Lockenkopf ist in seiner Bewegung eingefroren, starrt mich mit großen Augen an, als wenn er nicht glauben kann, dass ich hier bin.
Ich glaube es auch nicht.
"Louis". Seine Stimme ist zum zerreißen Dünn und bei seinem Klang, jagt ein Schauer über meinen Rücken. Oh Scheiße, wie hat er mir gefehlt.
"Sie kennen sich bereits? Wunderbar".
Mister Gucci-für-Arme reißt mich aus meiner Starre. Mit viel Mühe räuspere ich mich, versuche meine Gefühle zu ordnen. Am liebsten würde ich Harry jetzt um den Hals fallen, aber will er das? Freut er sich überhaupt mich zu sehen? Immerhin war ich nicht nett zu ihm. Ich kann es ihm nicht verübeln, wenn er kein Wort mehr mit mir sprechen möchte.
Harrys linkes Auge zuckt. Seine Hände krallen sich krampfhaft um das Buch, welches er in der Hand hat. Wenn wir doch nur alleine wären.
"Setzen Sie sich, Mister Styles."
Doch Harry schüttelt seinen Kopf, nimmt den Blick nicht von mir.
"Ich...ich bleibe lieber stehen".
Der Vollidiot lacht leise, nimmt seine Tasse in die Hand und zuckt dann mit den Schultern. "Wie Sie meinen. Also...was haben Sie vor? Wie stellen Sie sich die Bilder vor?".
Harry ist nicht richtig anwesend. Vielleicht steht er kurz vor einem Schlaganfall, zumindest sieht er so aus. Sein Auge zuckt noch immer.
"Bilder?". Nun neigt er endlich seinen Kopf und sieht den Typen, der so wichtig ist, an. "Bilder, richtig. Hier. Das sind meine Entwürfe. Ich...schauen Sie sich die Bilder an, ich beginne mit meiner Arbeit."
Er pfeffert das Buch auf den Tisch zwischen uns und eilt davon.
Ich will ihm hinterher, will ihm erklären, wie sehr er mir gefehlt hat, wie sehr ich ihn vermisse und warum ich ihn blockiert habe, aber irgendetwas hält mich auf meinem Stuhl fest.
Nach dem Shooting. Ich muss nach dem Shooting unbedingt mit ihm reden.

~~**~~

Wie auf heißen Kohlen sitze ich auf meinem Stuhl, beobachte von Weitem das Shooting und bin kurz davor Liam anzurufen. Innerlich breit sich die Panik immer mehr aus. Das Gefühl, dass Harry mich jetzt hassen könnte, raubt mir fast die Luft zum atmen und legt sich wie ein Klumpen Blei auf meine Brust.
Aber was habe ich auch erwartet? Dass er sich freudestrahlend in meine Arme wirft?
Eines steht jedoch fest.
Ich habe einen Fehler gemacht.
Jetzt, wo ich Harry sehe, wo er nur wenige Meter von mir entfernt ist, bereue ich mein Handeln zu tiefst. Ich hätte ihn nicht blockieren sollen. Wir hätten ab und an schreiben können und...ja was und eigentlich?
Leugnen, dass sein Anblick enormes Herzklopfen in mir auslöst kann ich nicht. Er ist noch immer wunderschön und mein Herz sehnt sich so sehr nach ihm.
Ich muss mich bei ihm entschuldigen.
Er muss mir mein Verhalten irgendwie verzeihen.

Das Shooting wird offiziell für diesen Tag beendet.
Alle packen zusammen und während ich den Lockenkopf nicht aus den Augen lasse, mich innerlich darauf vorbereite mit ihm zu sprechen, kommt dieser nervende Typ wieder auf mich zu.
"Und? Sind Sie zufrieden?", will er wissen und lenkt mich einen Moment ab. Ich nicke, will wieder zu Harry schauen, doch der Typ stellt sich genau vor mich.
"Ich sage ja, dass dieser Mann ein unglaubliches Talent hat. Aber da Sie sich anscheinend kennen, wissen Sie das ja bereits."
Abwesend nicke ich, möchte an dem Typen vorbei, doch er streckt mir seine Hand entgegen.
"Gut, dann sehen wir uns ja Morgen. Einen schönen Abend Ihnen noch."
Nickend schüttele ich seine Hand, kann dann endlich an ihm vorbei und - er ist weg.
Harry ist nicht mehr zu sehen.
Eilig gehe ich in die Mitte des Sets, schaue mich um, kann ihn aber nirgends finden.
"Suchst du wen?".
Gigi stellt sich neben mich, grinst mich an und knufft mich in die Seite. "Ich habe doch gesagt, dass der Fotograf heiß ist."
Meine Augen huschen hin und her, aber er ist einfach nicht zu sehen. Wo verdammt steckt er denn bitte?
"Louis?".
Fragend richte ich meinen Blick auf das Model, welches mich skeptisch mustert. "Alles okay? Du siehst irgendwie aus, als wenn du einen Geist gesehen hättest".
Ich nicke zaghaft, lasse meine Augen wieder durch die Gegend huschen.
"Wo ist er?", möchte ich wissen und bin einem Nervenzusammenbruch ziemlich nahe.
"Wer? Der Fotograf?".
"Harry. Wo ist er hin?".
Meine Stimme zittert, Kälte kriecht in meine Knochen und aus Reflex schlinge ich meine Arme um mich.
"Wo ist er hin", hauche ich und merke, wie mein Puls sich beschleunigt.
"Ha- NO WAY! Scheiße, dass ist DER Harry? Der New York Harry?".
Gigi ist nicht dumm. Für ein Model ist sie wirklich verdammt schlau.
"Wo ist er?", hauche ich verzweifelt und merke, wie die Tränen sich einen Weg in meine Augen bahnen. Ich kann hier unmöglich anfangen zu heulen.
"Er ist ins Auto gesprungen und wollte sofort ins Hotel. Oh Gott, wenn ich gewusst hätte...scheiße."
Er wollte ins Hotel.
Er wollte so schnell wie es geht weg von mir.
"Er ist im gleichen Hotel wie wir. Na komm, du kommst mit und dann suchen wir sein Zimmer."
Er will mich nicht sehen.
Er hasst mich.

Amor manet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt