Kapitel 6

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Zunächst wollte ich meinen Augen nicht trauen und auch Euphemia war sichtlich erschrocken darüber, dass tatsächlich jemand eingegriffen hatte. Ich blieb erstmal wie erstarrt liegen und blickte zu der Frau hinüber, die mir gerade das Leben gerettet hatte. Es war zweifellos die Hexe aus meinem Kindheitstraum, die sich so liebevoll um mich gekümmert hatte. Doch gerade war ich mir ehrlich gesagt nicht mehr so sicher, ob es tatsächlich nur ein Traum gewesen war.
Neugierig betrachtete ich die Person, die mir so bekannt vor kam und bei der ich das Gefühl hatte, sie schon ewig zu kennen. Und das tat ich offenbar auch, denn einen solch großen Zufall konnte es einfach nicht geben. Sie musste tatsächlich all die Jahre in ihrer Katzengestalt über mich gewacht haben, anders konnte ich mir diesen vermeintlichen Traum von ihr einfach nicht erklären. Und in der Realität gerade wirkte sie noch viel eindrucksvoller als in meinen Erinnerungen.
Sie trug ein smaragdgrünes Gewand mit einem farblich passenden Spitzhut und eine Brille, deren Form mich ziemlich an die Zeichnung um die Augen der Katze erinnerten, die mich regelmäßig besucht hatte. Auch das konnte wohl kaum ein Zufall sein. In ihrer rechten Hand hielt sie unverkennbar ihren eigenen Zauberstab, während sie in der linken Hand den Zauberstab von Euphemia festhielt. Diesen hatte sie ihr gerade mit Leichtigkeit durch einen Zauberspruch abgenommen und nun stand die alte Hexe ohne ihren Zauberstab da, ohne den sie plötzlich nicht mehr so furchteinflößend wirkte wie noch vor ein paar Augenblicken.
„Wie kannst du es wagen?!“, rief Euphemia wütend, wovon sich die andere Frau allerdings wenig beeindruckt zeigte. „Ich wüsste nicht, ihnen das ‚Du‘ angeboten zu haben, Miss Rowle.“, lautete die Antwort der Hexe, die Euphemia gerade um ihren Zauberstab gebracht hatte. Mich wunderte es auch nicht sonderlich, dass sie Euphemias Nachnamen kannte, denn offenbar hatte sie genauso lange in ihrer Gegenwart verbracht wie ich. Wenn auch nicht 24 Stunden am Tag, das war jedoch gerade nicht wirklich relevant. Es zählte nur, dass sie zur richtigen Zeit hier erschienen war und mich gerettet hatte.
„Spar dir deine Förmlichkeiten!“, ging Euphemia sie weiter an. „Gib mir meinen Zauberstab, sonst...“ Sie wurde von der anderen Dame unterbrochen. „Sonst was?“, fragte sie und klang keinesfalls so, als ob sie Angst vor der alten Hexe hätte. „Das wirst du dann schon sehen!“, meinte Euphemia. Offenbar hatte sie gerade keinen besseren Konterspruch parat. „Das hier ist eine Sache zwischen mir und diesem elenden Balg!“, fuhr Euphemia fort. „Sie hat einen Namen.“, entgegnete die andere Hexe nun und weiterhin wirkte sie vollkommen ruhig. „Und ich glaube, das Ministerium wird sich sehr dafür interessieren, was sie Alya angetan haben. Zuerst der Cruciatus-Fluch und dann wollten sie auch noch den Todesfluch bei diesem kleinen Mädchen anwenden, zudem kommt noch was sie ihr all die Jahre über angetan haben! Wie abartig sind sie eigentlich?!“, fragte die Frau, die sichtbar und hörbar wütend war.
Allerdings wurde sie nun von dem Mann unterbrochen, der die ganze Zeit still neben ihr gestanden und zugehört hatte. Er sah um einiges älter aus, allerdings gleichzeitig sehr weise und ebenso eindrucksvoll wie seine Begleitung. Ich war mir nicht sicher, ob es ausschließlich an seinem langen weißen Bart lag, allerdings trug dieser wohl einen entscheidenden Teil dazu bei. „Minerva.“, sagte er und die Hexe neben ihm presste die Lippen aufeinander. Anscheinend hatte sie etwas gesagt, was in seinen Augen zu weit gegangen war. Er klang allerdings nicht wütend, sondern eher verständnisvoll, aber dennoch belehrend.
Ich war fasziniert von den beiden Zauberern und konnte meinen Blick einfach nicht von ihnen abwenden. Der Zauberer kam nun auf mich zu und als er sich an mich wandte, wäre ich am liebsten geflüchtet, denn schließlich waren sie im Augenblick noch Fremde und ich wusste ja nicht, was sie wollten. Jedoch setzte ich mich lediglich auf und blieb auch einfach auf dem Boden sitzen, denn dieser Mensch strahlte eine ziemlich vertrauenswürdige Aura aus. „Guten Tag, Alya.“, sagte er freundlich und meine Angst schien tatsächlich unbegründet zu sein.
Dennoch bekam ich nichts weiter raus als ein Stottern. „Ha..Hallo.“, erwiderte ich seine Begrüßung und nun kam auch die Hexe näher, deren Name wohl Minerva war. „Hallo, Liebes.“, begrüßte auch sie mich und es war, als würde eine alte Bekannte vor mir stehen. Genauso, wie sie jetzt vor mir stand, hatte ich sie in Erinnerung behalten und nun war ich mir sicher, dass sie damals wirklich hier gewesen war und sich um mich gekümmert hatte. „Bist du verletzt?“, fragte sie und klang ehrlich besorgt. „Ich.. Nein, bin ich nicht.“, antwortete ich unsicher. „Jedenfalls nicht ernsthaft, glaube ich.“, fügte ich hinzu.
Auch wenn die Hexe und auch der alte Zauberer freundlich wirkten, blieb ich weiterhin alarmiert und vorsichtig. Das fiel Minerva offenbar auf. „Du brauchst keine Angst haben.“, sagte sie. „Wir sind hier, um dir zu helfen.“ Jedoch war ich zu stolz, um zuzugeben, dass ich tatsächlich ein wenig Respekt vor ihnen hatte. „Ich habe keine Angst.“, stellte ich klar, zuckte jedoch zurück, als Minerva ihren Arm zu mir hinunter streckte. „Na wenn das so ist, lass mich dir helfen von dem dreckigen Boden aufzustehen.“, meinte sie lächelnd und ich zögerte, bevor ich nach ihrer Hand griff und mir von ihr auf helfen ließ.
Nun stand ich vor diesen zwei respekteinflößenden Gestalten, die von oben auf mich herab schauten. Euphemia befand sich ein paar Meter von uns entfernt. Sie schwieg, allerdings erkannte ich in ihren deutlich den Hass, den sie mir und den zwei anderen Anwesenden gegenüber empfand. Allerdings traute sie sich offenbar nicht, sich auch nur einen Schritt von der Stelle zu bewegen, schließlich war sie den anderen Zauberern ohne ihren Zauberstab deutlich unterlegen.
„Erlaube mir, uns dir vorzustellen.“, erhob nun der Mann das Wort. „Ich bin Professor Dumbledore und das ist meine Kollegin Professor McGonagall.“, sagte er und nun hatten sie beide einen Namen für mich, sie galten also nicht mehr wirklich als Fremde. „Professoren?“, fragte ich überrascht und Dumbledore nickte. Ich wusste zwar, dass das ein sehr angesehener Titel war, allerdings hatte ich nicht damit gerechnet je auf so hoch qualifizierte Menschen zu treffen.
„Ja, Professoren. So nennt man die Lehrer an der Schule, an der wir unterrichten. Ich bin dort der Schulleiter und Professor McGonagall meine Stellvertretung. Alya, hast du jemals von Hogwarts gehört? Der Schule für Hexerei und Zauberei?“, fragte Professor Dumbledore mich nun und ich dachte nach. Ich hatte über Hogwarts mal in einem meiner Bücher gelesen, aber was genau das gewesen war, war dort nicht erklärt worden. Mir fiel sogar wieder der genaue Titel des besagten Buches ein, es war ‚Phantastische Tierwesen & wo sie zu finden sind‘ von einem Autor namens Newt Scamander gewesen. Dabei handelte es sich um eines meiner absoluten Lieblingsbücher, aus dem ich mittlerweile schon vieles gelernt hatte und in einem Vorwort wurde erwähnt, dass Newt Scamander in Hogwarts gewesen war.
„Ich habe über Hogwarts einmal etwas in einem Buch gelesen, dort wurde es jedenfalls kurz erwähnt. Aber ich wusste nicht, dass es eine Schule ist.“, beantwortete ich die Frage des Professors. „Nun, jetzt weißt du es.“, meinte dieser lächelnd. „Und dort lernt man zaubern?“, fragte ich neugierig und sowohl Dumbledore, als auch McGonagall nickten. „So ist es.“, bestätigte Minerva zusätzlich und ich sah sie mit großen Augen an. „Haben sie es dort gelernt, sich in eine Katze zu verwandeln?“, platzte es einfach so aus mir heraus und dafür erntete ich überraschte Blicke der beiden Erwachsenen.
Dumbledore wirkte irritiert, McGonagall eher kurz entsetzt. Offenbar hatte ich sie mit meiner Frage vollkommen aus dem Konzept gebracht, weshalb ich nun nicht anders konnte, als zu versuchen diese zu erklären. „Naja.. es gibt da diese Katze und.. die begleitet mich schon seit ich denken kann. Und.. eines Tages hat sie sich vor meinen Augen in einen Menschen verwandelt, genauer gesagt.. bin ich mir sicher, dass sie das gewesen sind, Professor. Ich glaubte, es wäre eine gute Fee gewesen oder so und das die Katze auf mich aufpasst.“, stammelte ich. „Aber ich dachte jahrelang, es wäre ein Traum gewesen, doch jetzt.. naja..“ Ich traute mich einfach nicht mehr, weiter zu sprechen, denn irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los das ich das nicht hätte sagen dürfen. Doch kurz darauf wurde der Blick der Hexe wieder weich.
„Es war kein Traum.“, sagte sie. „Ich war hier, all die Jahre. Es durfte nur niemand wissen.“, ergänzte sie mit einem verachtenden Blick hinüber zu Euphemia. Anschließend sah sie ihren Kollegen an, was dieser erwiderte. „Darüber reden wir noch.“, flüsterte Dumbledore ihr zu und wieder war seine Stimme eine Mischung aus Strenge und Verständnis. Zudem glaubte ich auch noch ein wenig Belustigung heraus zu hören. Das Verhalten, beziehungsweise die Worte, des Professors gaben mir Rätsel auf. Jedoch schien Professor McGonagall genau zu wissen, worauf er hinaus wollte, denn sie nickte nur leicht.

The Heiress of Slytherin - Slytherins ErbinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt