zweiundzwanzig

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"Name?"

"Kim Taehyung."

"Alter?"

"Dreiundzwanzig."

"Verwandte?"

"Keine", flüsterte Jungkook.

Der Arzt schrieb die Informationen auf sein Klemmbrett, runzelte etwas die Stirn, sagte aber nichts. Jungkooks Blick flog immer wieder zu Taehyung, welcher in einem der Krankenbetten lag und schlief. In seinem Unterarm steckte ein Katheter, pumpte Nährstoffe und Mineralien in seine Adern.

"Wie ist ihre Relation zum Patienten?"

Jungkooks Blick flog wieder zu dem Arzt, der ihn interessiert musterte. Er spürte den Blick seiner Mutter auf sich.

"Ähm...i-ich...weiß nicht so richtig?", stammelte Jungkook überfordert. Über sowas sprachen sie nicht, sie brauchten keine Definitionen. Jungkook war froh, wenn Taehyung ihn in seiner Nähe duldete.

Jungkooks Mutter räusperte sich und zog damit die Aufmerksamkeit auf sich.
"Wie sieht es denn aus, gesundheitstechnisch?"

Der Arzt blätterte einen Moment in seinen Unterlagen und warf noch einen abschließenden Blick auf Taehyung, bevor er sich wieder an Jungkook und seine Mutter wandte.
"Also zuerst mal starke Unterernährung, Folgerscheinungen wie brüchige Nägel und trockene Haare. Außerdem eine fortgeschrittene Lungenentzündung."

Lungenentzündung.

Jungkooks Welt blieb für einen Moment stehen. "Lungenentzündung?", hauchte er. Der Arzt nickte leicht.

Mühsam blinzelte er die Tränen weg, die sich in seine Augen schlichen und versuchte den Arzt mit festem Blick anzuschauen. "S-stirbt er?"

Der Arzt schaute leicht erschrocken.
"Nein. Wir können das hier behandeln. Eine Lungenentzündung in dieser Fortschreitung zu kurieren, dauert seine Zeit, ist aber nicht lebensgefährlich, solange sie behandelt wird. Auch wenn es besser gewesen wäre, schon um einiges früher hierher zu kommen."

Jungkook nickte leicht mit dem Kopf, der Knoten in seinem Bauch entkrampfte. Zittrig atmete er tief ein und aus.

Der Arzt unterhielt sich noch einen Moment mit Jungkooks Mutter, bevor er das Zimmer verließ.

"Ich bezahls von meinem Taschengeld." Jungkook schaute seine Mutter flehend an. Sie beobachtete ihn für eine kleine Weile, bevor sie seufzte und sich die Schläfen massierte.

"Soviel Taschengeld bekommst du nicht, Jungkook. Wir bezahlen das. Aber ich hätte dafür gerne eine Erklärung, woher du ihn kennst, warum er so unterernährt ist und wie er sich eine Lungenentzündung zuziehen konnte."

Jungkook presste die Lippen zusammen, nickte aber leicht.

~

Einige Minuten später saß Jungkook leicht zitternd neben Taehyungs Bett, während Frau Jeon sich einen Kaffee holte. Ihr Blick war bestürzt, als sie das Zimmer verließ. Jungkook hatte ihr nicht alles erzählt, aber das, was wichtig war. Jetzt fühlte er sich, als hätte er Taehyung hintergangen, aber es war nunmal nötig gewesen.

Er konnte die Information selbst noch nicht so richtig verarbeiten, Taehyungs Worte geisterten ohne Unterbrechung in seinem Kopf herum. Sachte griff er nach seiner schlaffen Hand, verschränkte seine Finger mit seinen. Jungkooks Augen wechselten zwischen Taehyungs Gesicht und dem Beutel mit der Flüssigkeit, welcher an einem Standdings hing und mit dem Katheter in Taehyungs Arm verbunden war. Die Flüssigkeit wurde langsam weniger.

Sachte strich er Taehyung eine Strähne aus dem Gesicht, er sah noch blasser aus als sonst. Leise seufzte er auf, er hatte Angst vor Taehyungs Reaktion, er würde sich furchtbar aufregen und dann versuchen wegzulaufen. Vorsichtig rückte Jungkook noch ein wenig näher an Taehyung heran, nahm sein Gesicht zaghaft in seine Hände und lehnte seine Stirn gegen seine. Seine Augenlider schlossen sich langsam, er konzentrierte sich ganz auf das Gefühl von Taehyungs Haut und den gleichmäßigen Atemzügen, die sein Kinn streiften.

Taehyungs Finger zuckten leicht gegen Jungkooks, woraufhin der Jüngere sich ein Stück zurücklehnte. Taehyungs Augen öffneten sich langsam, flatternd. Er schien zuerst ziemlich orientierungslos, schaute sich mit immer größer werdenden Augen um, bis sein Blick an Jungkook hängen blieb.

"Hi", flüsterte dieser leise, rückte wieder näher und nahm beruhigend Taehyungs Hände in seine. "Wo bin ich?"

"Im Krankenhaus. Meine Mum meinte, es wäre gut, dich durchchecken zu lassen. Vorsorglich." Jungkook presste seine Lippen zusammen.

Taehyungs Blick lag für einen Moment  auf dem Plastikröhrchen in seiner Vene, bevor er wieder zu Jungkook sah.

"Du weißt ganz genau, dass ich einen Krankenhausaufenthalt nicht bezahlen kann." Sein Gesichtsausdruck verschloß sich. Doch das konnte Jungkook gerade nicht ertragen.

"Was hätte ich denn sonst machen sollen? Dich sterben lassen? Man Taehyung, du hast eine Lungenentzündung", weinte Jungkook, akzeptierte das durchbrechen seiner Gefühle, die wellenartig aus ihm herausstürmten.

Taehyung schluckte leicht.

Mit zittrigen Händen nahm Jungkook sein Gesicht wieder in seine Hände. Taehyung wehrte sich nicht, kam ihm aber auch nicht entgegen. Jungkook lehnte seine Stirn gegen seine, sah ihm aus verweinten Augen fest in die seinen. Einer seiner Tränen landete auf Taehyungs Wange.

"Der Arzt hat gesagt, dass alles okay ist, solange du die Behandlung machst. Du wirst wieder gesund. Ich weiß, dass du es nicht leiden kannst, okay? Meine Eltern bezahlen das hier und du musst damit leben. Ich lass nicht zu, dass du mich allein lässt. Du wirst weder flüchten, noch sonst was. Ich weich dir nicht mehr von der Seite, bis wieder alles okay ist. Und es wird wieder alles okay. Alles wird wieder gut. Ich liebe dich, verdammt." All diese Worte schwirrten wie kleine gute Feen aus Jungkooks Mund, die Barriere war gebrochen, es gab kein zurück mehr. Jungkooks Augen waren fest zusammen gepresst, seine Hände hielten Taehyungs Gesicht immernoch fest, als könnte er jeden Moment davonlaufen.

Er zuckte leicht zusammen, als er  Taehyungs Finger durch seine Haare streifen spürte. Langsam öffnete er seine Augen und blickte in Taehyungs Tränengefüllte. Seine Unterlippe zitterte. Jungkook war bewusst, dass das zu viel auf einmal war, ihm war bewusst, dass Taehyung die drei kleinen Worte nicht erwidern würde, aber all das war ihm egal, denn Taehyung war hier und er würde wieder gesund werden. Das war alles, was zählte.

Vorsichtig kletterte er aufs Bett, Taehyung rückte ihm entgegen und schmiegte sich an seine Brust. Vorsichtig, auf den Katheter aufpassend, zog Jungkook Taehyung an sich und schloss seine Arme um ihn. Taehyung vergrub seinen Kopf in Jungkooks Halsbeuge, weinte leise in diese.

𝐀𝐑𝐓 𝐃𝐄𝐂𝐎 | jjk.kth ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt