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"Lenora bitte steh auf, Becky ist da, wir wollen Frühstücken!", weckt mich mein Vater. Zögernd kämpfe ich mich auf. Was eine nervige Art einen Menschen zu wecken, außerdem will ich Becky nicht mal begrüßen. Diese Frau verdirbt mir den Appetit, den ich eigentlich so gut wie immer habe. 

Ich schaue nach links, auf mein Wecker und bemerke, dass es erst 9 Uhr Morgens ist. Kann man nicht einmal richtig ausschlafen? Seufzend gehe ich ins Badezimmer und stelle mich unter die Dusche. Ich genieße das heiße Wasser auf meiner Haut, was mich augenblicklich entspannt, die Zeit in der Dusche ist wie eine Therapie für mich, auch wenn ich sehr oft diese typischen "Shower thoughts" habe. Zum Beispiel, dass Mayonnaise Bodylotion für Toastbrot ist, aber nachdem die Gedanken weg sind, was ziemlich unwahrscheinlich ist, bin ich sofort in meiner eigenen Welt ohne Kummer und Sorgen.

Ich ziehe mir frische eine schwarze Leggings und ein Pastell Violetten Hoodie an auf dem einfach nur klein das Wort "exquisite" steht, an und gehe runter. Gott, wie ich dieses Haus zu hassen gelernt habe und all die Bilder, die hier hängen,  sind einfach nur provokant. Als ob man mir es jeden Tag unter die Nase reiben möchte, wie mein Leben einmal war und wie sehr es sich zum negativen gewendet hat. Ich möchte nicht undankbar klingen, ich bin froh, ich habe es immerhin besser als manch andere, aber alles erinnert mich an Mom.  Ich stelle mir jeden Tag die Frage was sie wohl gerade macht. Ob sie ein eigenes Haus hat? Vielleicht hat sie uns für eine andere Familie verlassen? 

Seufzend gehe ich die Treppen herunter und stelle mir die Frage  wieso Dad diese Bilder nicht einfach abhängen kann und auf den Dachboden bringt? Es tut uns beiden nicht gut jeden Tag daran erinnert zu werden, auch wenn es Jahre her ist. 

Unten angekommen, begebe ich mich direkt in Richtung Küche um zu Frühstücken, denn auch wenn mein Appetit abwesend ist, ist das Frühstück immer noch die wichtigste Mahlzeit des Tages. 

"Oh wer ist denn da? Guten Morgen", werde ich von Becky begrüßt. Ihre schrille Stimme kriecht in mein Ohr und verteilt sich in meinem ganzen Körper und übersät mich mit Gänsehaut. Manchmal frage ich mich wie Dad es mit ihr aushält, sobald ich auch nur ihren Namen höre, verspür ich diese unangenehme Gefühl. "Hi", antworte ich knapp. Die Spannung im Raum steigt, als ich die Augen meines Vaters erblicke, er ist sichtlich unzufrieden mit nur einem Wort. "Guten Morgen", sage ich unfreiwillig freundlich mit einem erzwungenem lächeln. Becky grinst zufrieden Dad an und trinkt ein schluck von ihrem Kaffee, welcher bestimmt der 3. ist den sie heute schon getrunken hat. Vielleicht wäre sie weniger nervig wenn sie einfach mal aufhören würde so viel Koffein in sich zu schütten.

"Ich hoffe du hast dir für diesen Morgen nichts vorgenommen, kannst du bitte ein paar Sachen einkaufen?", mein Vater sieht mich erwartungsvoll an. Er weiß, dass ich immer etwas vorhabe, um so wenig Zeit wie möglich in diesem Haus zu verbringen. Es liegt nicht an ihm oder das er anders geworden ist, viel mehr an den Erinnerungen die hier drin schweben, aber auch an Becky und ihrem Verhalten. 

"Schreib einfach auf was ich holen soll...und ich hol es", sage ich schulterzuckend. Er nickt zufrieden und ich gehe wieder in mein Zimmer um mir etwas Make-Up aufzutragen und meine Haare in ein Dutt zu binden. Von der Situation genervt gehe ich an mein Handy und schreibe Pem, ich brauche Ablenkung und meine Beste Freundin ist eine super Idee dafür. Pemala kenn ich seitdem ich in diese Stadt gezogen bin, also mit sechs, Ich habe sie sofort geliebt und sie mich, wir sind quasi ein und die selbe Person. Ohne einander können wir nicht.

L-"Ich bin bald bei dir, muss nur noch schnell einkaufen."

P-"Okay geht klar :p"

Ich lege mein Handy in meinen Shopper und gehe herunter um meine weißen Sneaker anzuziehen und meinen Schlüssel zu schnappen. Bevor ich die Türklinke der Haustür berühre fällt mir plötzlich ein, ich habe vergessen die Einkaufsliste von Dad zu holen. Also...drehe ich mich um und gehe zurück in die Küche.

Ich komme genau zum passenden Moment, mein Dad und Becky essen sich quasi gleich auf. Beim Anblick von Becky und meinem Vater wie sie sich küssen kommt mir fast mein Frühstück wieder hoch. Manchmal glaube ich, dass sie da mit Absicht macht, weil sie spürt ich komme in den Raum und mir damit zeigen will wie sehr sie Dad um den Finger gewickelt hat und sie ihm wichtiger ist als ich. Ich schließe sofort meine Augen um nicht gleich im strahl zu kotzen.

"Oh entschuldige Lenora, dich hab ich gar nicht gesehen", lacht mein Vater währen der sich leicht seine Lippen abwischt. Ekelhaft...

"Schon klar.", antworte ich und reiße ihm den Zettel, den er mir rüberreicht, aus der Hand. Ich verdrehe meine Augen, setze meine Kopfhörer auf und gehe los.

Beim Supermarkt angekommen, nehme ich mir ein Korb und begebe mich in Richtung Regale.  Gerade läuft 505 von den Arctic Monkeys  was mich meine Lippen mit bewegen lässt. ich werfe einen kurzen Blick auf die Einkaufsliste, um zu wissen was ich kaufen soll.

-2x Eisbergsalat
-Eine Packung Tomaten, Paprika, Möhren, Sack Kartoffeln
-2 Gurken
-5L Milch
-4x Naturjoghurt
-etwas was du dir aussuchen darfst

"Etwas was du dir aussuchen darfst", äffe ich leise den letzten Punkt auf der Liste nach. Erstaunlich wie Dad mal etwas nettes tun kann, obwohl er seit einigen Monaten, seit Becky, keinerlei Interesse daran hatte nur im Ansatz irgendetwas für mich zu tun. Das einzige was rausgekommen war, wenn er für eine Minute nett sein wollte, war Geld. Um mich mit Pem und Adam zu treffen. Adam, mein anderer bester Freund, bei dem ich öfters übernachte, aufgrund der Situation zuhause, namens Rebecca.

....etwas was ich mir aussuchen darf.

Ich entscheide mich für gebrannte Mandeln, Mom und ich haben die ständig früher zusammen gegessen. Egal wann und wo, gebrannte Mandeln gab es immer. Auch wenn die aus dem Supermarkt nicht so gut schmecken wie ihre selbstgemachten oder die vom Weihnachtsmarkt, wecken sie wenigstens ein bisschen Erinnerung an Mom in mir wieder und wie wir Stundenlang in der Küche standen um für die ganze Familie zum Weihnachtsessen diese Mandeln zu machen und in kleine Tütchen zu verpacken mit einer Schleife die wir jedes Mal selber binden mussten, weil Dad es nie geschafft hat welche zu kaufen die vorher schon gebunden waren.

Bevor ich bei dem Regal allerdings ankomme, laufe ich volle Kanne in jemanden rein. 


"Oh fuck entschuldige", kichernd hebe ich  die Dinge auf, die ihm aus der Hand gefallen sind. Und genau in dem Moment als ich aufblicke, sehe ich den wohl attraktivsten Mann den ich je gesehen habe, ich dachte sowas gibt es nur in Filmen. Er erinnert mich ein wenig an Henry Cavill...obwohl nicht nur ein wenig, sogar sehr.

"Oh fuck?", sagt er belustigt und überrascht mit tiefer Stimme. Aufregung macht sich in mir breit und ich bekomme fast kein Wort mehr aus mir heraus. "Eh -ich schlucke- also...", ich bekomme ehrlich kein Wort mehr raus, mein Gott was ist denn mit mir. Das letzte mal als es mir im Leben die Sprache verschlagen hat, hatte ich eine Kehlkopfentzündung.

"Alles in Ordnung?", fragt er als nicht mehr aus mir rauskommt und ich ihn nur dämlich anstarre. Ich mache die Situation, für uns beide, gerade unangenehmer als sie sein sollte. Ich räuspere mich und nicke.

"Ich hab sie hier noch nie gesehen, sind sie erst in die Nachbarschaft gezogen?" 

"Ja ich bin tatsächlich erst hierher gezogen, allerdings nicht in die Nachbarschaft, ich besuche nur jemanden. Ich heiße Arvin Miller, schön sie kennenzulernen....", er reicht mir seine Hand und wartet auf meine Antwort.

"Oh eh Lenora, Lenora Green", erwidere ich lächelnd und drückte seine Hand. Seine Händedruck ist viel stärker und irgendwie einschüchternd, mit ihm würde ich mich nicht anlegen. 

"Gut, Lenora Green, ich geh dann mal weiter, vielleicht sieht man sich ja öfters.", verabschiedet er sich und geht.

"Hoffe ich doch", sage ich flüsternd zu mir selbst ohne zu wissen, dass mein Wunsch in Erfüllung gehen wird, allerdings nicht so wie ich es mir erhoffe.

just the two of usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt