Kapitel 3

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Er hat mich wahrgenommen, schaute hoch, stand auf und wollte gehen. Ich sah auch so schon traurig aus wegen Marc, aber das er ging machte mich warum auch immer noch trauriger. Er sah mich wieder an und haderte wohl mit sich selbst denn er stockte im gang und drehte nun sein restlichen Körper zu mir um. Er kam wieder näher. Ich öffnete mein Fenster, trat ein, zwei Schritte zurück und wartete drauf das er in mein Zimmer gesprungen kam. Gesagt getan da stand er nun. Er schaute mich ohne Worte an. Wir standen eine weile so da und schwiegen. Er tat ein Schritt nach vorne auf mich zu, wirkte sehr unbeholfen dabei und nahm mich doch tatsächlich in den Arm. Er fragte mich nur was passiert ist und ich fing an in seine Halsbeuge zu weinen. Ich kämpfte mit den Tränen und rang um Worte. Ich erklärte, so gut ich es eben unter Tränen konnte, die ganze Geschichte mit Marc und was ich heute mit anhören durfte. Er schob mich weg von sich und wollte gehen, er hatte ein Pokerface aufgesetzt. Ich wollte nicht das er geht und hielt ihn somit am Pullover fest. "Nicht" brachte ich zustande und er verstand. Er nickte sanft und begleitete mich zum Sofa dass in meinem Zimmer stand. Er wollte seinen Arm um mich legen aber ich legte meinen Kopf auf sein Schoß ab. Ich war so müde vom ganzen weinen. Ich spürte wie er meinen Kopf streichelte und leise summte. Es war beruhigend jetzt nicht alleine zu sein. Die Tatsache, dass er womöglich ein Serien Killer wie aus dem Buche ist, ignorierte ich denn ich habe mich noch nie so wohl bei jemanden gefühlt wie bei ihm. Ich spürte seine wärme, seine Güte und Sanftmut die er mir entgegen brachte in dieser Zeit und war einfach nur dankbar. Es dauerte nicht lange bis ich einschlief. Ich träumte nicht.

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Am Morgen wachte ich alleine auf. ich wusste dass ich alleine sein würde wenn ich aufwachte aber ich hatte mir dennoch irgendwo das Gegenteil erhofft. Ich gähnte und streckte meinen Rücken durch. Das Sofa ist doch unbequemer als gedacht. Ich sah rüber zu meinem Fenster das immer noch offen stand. Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Ich schaute auf mein Wecker neben mir auf dem Nachttisch. Es ist Sonntag und es ist 12 Uhr. Warum haben mich meine Eltern nicht geweckt? Ich glaube mein Vater hatte was erwähnt, dass sie bei Freunden sind. Ich ging runter und mein Gedanke bestätigte sich. Ich war alleine Zuhause. Ich machte mir was zum essen und ging Richtung Wohnzimmer. Ich setzte mich auf die Couch und schaltete den Fernseher an. Ich zappte ein wenig rum bis ich bei den Nachrichten hängen blieb. 

"19 Jähriger junger Mann tot am Waldrand aufgefunden, die Indizien deuten darauf hin, dass es Mord war". Ich starrte den Fernseher an und traute mein Augen nicht. Der Mann auf dem Bild den kannte ich. Es war Marc! Meine Augen füllten sich mit Tränen. Meine Hände fanden den Weg auf mein Mund als mir klar wurde dass ich daran wohl schuld bin. Ich hatte einem Serien Killer, der offensichtlich irgendwie gefallen an mir fand, erzählt was der Typ da mit mir gemacht hat. Ich habe sein Todesurteil nicht nur unterschrieben, ich habe es geschrieben! Ich schaltete den Fernseher aus und dachte nach während ich das große schwarze LCD anstarrte. Was mach ich denn nur jetzt? Es ist natürlich nicht auf mich zurück zu verfolgen aber Schuldgefühle kann man dennoch nicht abschalten. Ich kann nicht leugnen dass es ansonsten ein zu großer Zufall sei. Ja, vielleicht ist es ja das auch nur. Aber Mord? Das kann kein Zufall sein. Ein Autounfall wäre Zufall aber Mord ist nie ein Zufall. Oder? Was mach ich denn jetzt? Muss ich was machen? Sollte ich mit Jeff reden? Kommt er wieder? Wie soll ich mich dann verhalten? Sollte ich jetzt Angst vor ihm haben?  Ein Riesen großes schlechtes Gewissen packte mich.
Das Telefon riss mich zurück in die Realität. Ich ging ran. "Hallo?" stammelte ich abwesend. "Liv?! Geht's dir gut? Hast du die Nachrichten gesehen? Es tut mir ja soooo leid! Soll ich vorbei kommen?" Meine beste Freundin Yvonne kann fragen stellen wie ein Wasserfall. "Mir geht's gut, ja ich habe sie gesehen, ich bin alleine Zuhause du kannst gerne vorbei kommen. Ich muss dir sowieso noch was erzählen" sagte ich monoton. "In Ordnung ich bin in 10 Minuten da!" und legte auf. Ich seufzte. Ich weiß eigentlich nicht so genau ob ich jetzt jemanden sehen möchte. Und was ist wenn Jeff aufkreuzt? Ablenkung wird mir wohl nicht schaden. 

10 Minuten später stand wie versprochen meine Yvo vor der Tür. Ich musste schmunzeln als ich sie sah. Sie hat sich weder geschminkt noch irgendwie hübsch gemacht. Ihre Haare sahen aus wie die von Professor Einstein, sie ist einfach auf direktem Wege zu mir gekommen und genau deswegen ist sie meine beste Freundin. Ich bat sie rein und wir gingen in die Küche. "Willst du etwas trinken?" fragte ich leise. Sie aber starrte mich nur an. "Was denn hab ich irgendwas im Gesicht?" lachte ich leise. Sie ging auf mich zu und fing fast an zu weinen. "Es tut mir so leid...wegen Marc" flüsterte sie in mein Ohr. Ich sagte nichts nickte nur. Irgendwie war ich nicht mal so traurig wie ich es hätte sein sollen. Vielleicht weil ich einfach immer noch sauer war darüber das er mich betrogen hatte? "Ja witzige Geschichte, ich hab übrigens mitbekommen wie er mich betrogen hat. Ich mag mir nicht vorstellen wie viele er noch an der Angel hatte neben mir". Yvonne starrte mich an. "Wäre er nicht schon tot, wäre er es spätestens jetzt durch meine Hand. Was ein Wixxer! Ist es schlecht von mir zu sagen, dass er den tot jetzt verdient hat?" Sie lachte und ich stimmte mit ein. Sie hat ja keine Ahnung.
Es vergangen einige Stunden. Es war nun schon 19 Uhr und ich war so langsam müde. Meine Soziale Batterie leert sich leider auch in der Anwesenheit meiner besten Freundin. Der Nachteil eines Introvertierten mit Social Anxiety. Sie merkte dies und verabschiedete sich von mir mit einem Kuss auf die Wange. Sie ging alleine zur Tür und schloss diese hinter sich. "Wie nett ich doch bin" sagte ich mir höhnisch selbst und grinste aber sie ist einfach schon ein teil der Familie. Da muss ich sie nicht mehr bis zur Tür begleiten. Sich im Haus des anderen aufzuhalten ist schon ganz alltäglich und normal geworden. Ich blieb auf der Couch und wollte eigentlich auf meine Eltern warten. Doch ich war müde von all dem Stress und der Gefühle und bin wohl eingeschlafen. Ich hörte im Halbschlaf ein Geräusch aus meinem Zimmer. Bin aber nicht weiter drauf eingegangen. Jemand kam die Treppen runter und sah mich auf halben weg an. Das wusste ich weil derjenige stehen geblieben war, ging jedoch nach paar Sekunden weiter. Unser Haus ist mit dem alten Laminat und den lauten Treppen doch sehr verräterisch wenn sich jemand im Haus bewegt. Er, sie, es nahm sich eine Decke und deckte mich zu. Ich öffnete kurz meine Augen und sah Jeff lieblich lächeln. Wieso ist er eigentlich immer da? Er ist wie ein schlechter Stalker. Aber immerhin süß.

Ich schlief jedoch wieder ein. Ich wurde von meinem Vater geweckt. Dieser sah besorgt aus da ich blutete. "Wie?.." sagte ich zu mir selber als mein Vater anfing: "Oh Spätzchen was machst du denn immer nur! Und warum schläfst du denn überhaupt hier unten?" fragte er mich besorgt.

Ein Killer oder doch ein normaler Junge?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt