Kapitel 3: Kassadya

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"Wie bitte!?", unterbrach ich nun schon zum unzähligsten Mal das Mädchen mir gegenüber.

Es war die selbe, die mich und Nate nur ein paar Stunden zuvor belauscht hatte.

Sie hatte dunkelrote, kurze Haare und hellblaue Augen. Ich schätzte sie auf ungefähr Sechzehn.

Und jetzt erzählte sie mir Nathaniel Darius hätte sich entführen lassen? Einer der mächtigsten Hexenmeister der Welt!
Selbst Dämonen sollten es da schwer haben.

"Es waren Faringrays", wiederholte die junge Seherin wieder.

Wir hatten den lauten Club verlassen und saßen nun mit Max in der geschlossene Bar.

"Und du bist dir wirklich ganz sicher?", hakte ich nochmal nach.

"Zu hundert Prozent. Ihre Aura würde ich überall wiedererkennen!", bekräftigte sie finster.
"Scheiße", fluchte ich leise.

Die Faringrays waren die mächtigste Dämonenfamilie der Welt.
Und wahrscheinlich auch die grausamste.

Als ich noch jünger gewesen war und in den Dämonenkriegen gekämpft hatte,  war eine Bekannte von mir in Gefangenschaft bei ihnen geraten.
Ich vergesse den Moment lieber, indem ich sie wiedergesehen habe.

"Okay, es wird definitiv alles andere als einfach, ihn da raus zu holen", murmelte ich und vergrub meinen Kopf in den Händen.

"Ihn rauszuholen!? Erstmal müssen wir ihn überhaupt finden! Wie gedenkst du das zu tun?", warf Max nun ein.

"Kannst du einen Ortungszauber?", wandte ich mich an die Seherin.
Sie nickte.
"Aber nur mit Blut."

"Und?, hast du zufälligerweise Nates Blut in der Tasche? Ich nämlich nicht", meinte Max deprimiert.

Jetzt konnte ich mir ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen.

Nachdem ich und Nate in einer ähnlichen Situation vor ein paar Jahrhunderten fast draufgegangen wären, hatten wir uns gegenseitig etwas von unserem Blut gegeben, damit wir uns im Notfall immer finden konnten.

"In der Tasche nicht ", erwiderte ich lächelnd und zeigte den beiden triumphierend das kleine Glasfläschchen, das an einer Kette um meinen Hals baumelte.

Die einst dunkelrote Flüssigkeit darin war zwar nur noch eine undefinierbare bräunliche Masse, aber funktionieren sollte es trotzdem.

Das Mädchen nahm das Fläschchen entgegen.  "Hast du einen Stift?", fragte sie Max, der nickte und hinter dem Thresen verschwand.

"Na dann, zeig mal, was du drauf hast,  Sehermädchen", sagte ich zu ihr, als sie das Fläschchen öffnete.

"Mila", sagte sie plötzlich.
"Was?"
"Ich heiße Mila", erklärte sie.

"Na dann, hier ist dein Stift, Mila", sagte Max, der plötzlich wieder hinter uns aufgetaucht war und Mila nun einen Kugelschreiber unter die Nase hielt.

Wir zuckten beide zusammen.
Vampire und ihre Lautlosigkeit!

Mila schien das selbe zu denken, als sie den Stift entgegen nahm und anfing ein paar Runen auf die Tischplatte zu kritzeln.

Sie war nicht die erste, die das machte. Die komplette Platte war schon mit gekritzelten und eingeritzten Runen übersät, Ortungs- und Schutzrunen, aber auch viele, die ich nicht kannte.

"Ich hoffe es stört euch nicht, wenn das Fläschchen explodiert. Das passiert mir manchmal", meinte sie dann. 

"Ich bin über tausend Jahre alt und habe die Anfänge der neuen Generation gesehen.
Da sind noch ganz andere Sachen explodiert als Glasfläschchen, glaub mir", bemerkte ich trocken.

Sie zuckte mit den Schultern, "Wollte euch bloß vorwarnen, nur für den Fall."

In den Anfängen der neuen Generation hatte kaum jemand von ihnen Kontrolle über seine Kräfte gehabt.

Eine zeitlang gab es deswegen sogar so ein großes Chaos, dass sowohl Engel als auch Dämonen Truppen abgestellt hatten, die sich um sowas kümmern sollten.

So hatte ich auch sie kennengelernt. Kurz flackerte wieder ihr Gesicht in meinem Gedächtnis auf, aber über neunhundert Jahre Übung halfen mir, alle Gedanken an sie tief in mein Unterbewusstsein zu verbannen.

Mila saß inzwischen mit geschlossenen Augen hochkonzentriert da.
Das Fläschchen mit Nates Blut war in der Mitte ihres Runenkreises aufgestellt.

Einige Minuten verstrichen, ohne dass etwas passierte. Dann

KNALL!

Es war so laut, dass es selbst die Magischen im Club gehört haben mussten.

Und definitiv lauter, als eine normale Glasflasche, wenn sie explodierte, ich hatte da Erfahrung.
Die Scherben waren in der kompletten Bar verteilt.

"Alles okay? Hast du was rausgekriegt?", fragte ich besorgt.

Mila war schweißgebadet und stützte sich schwer atmend am Thresen ab. "Ja und Nein", antwortete sie mit zittriger Stimme.

"ja, es geht mir gut und nein, ich hab nicht die geringste Ahnung, wo Nathaniel Darius gerade ist."

"Was ist denn passiert?", wollte nun auch Max wissen.
"Eine Blockade ", lautete die knappe Antwort.

War ja klar.
Eine Blockade war eigentlich recht schwierig zu bewerkstelligen, aber für die Faringrays stellte sie vermutlich keine besonders große Herausforderung dar.

Sie ließ keinen Zauber durch und in den schlimmsten Fällen schickte sie sie sogar in doppelter oder dreifacher Stärke zurück. Das nannte man dann Spiegelblockade.

"Kennst du irgendeinen Hexenmeister, der in der Lage ist, eine Blockade zu durchbrechen?", wandte ich mich ohne viel Hoffnung an Max.

"Ich nehme mal an außer Nate? Nein."  "Verdammt", murmelte ich.

"Du willst uns also allen Ernstes weismachen, dass du nach über tausend Jahren nur einen einzigen Hexenmeister kennst, der in der Lage ist, eine Blockade zu durchbrechen?", mischte sich nun Mila wieder mit hochgezogener Augenbraue ein.
Die Kleine erholte sich erstaunlich schnell.

"Doch", murmelte ich und verzog mein Gesicht zu einer Grimasse, "aber ich weiß nicht, wo ich die finden soll.
Ganz abgesehen davon, dass sie wahrscheinlich nicht mal in der Nähe sind."

"Also, wenn du zufälligerweise auch Blut von denen dabei hast, könnte ich versuchen, sie zu finden", schlug Mila vor.

Ich schüttelte den Kopf. "ich hab kein...", dann unterbrach ich mich.

Es gab jemanden.
Und ich wusste auch, wo.
Eine Hexenmeisterin, die todsicher in der Lage war, eine Blockade zu durchbrechen. Das einzige Problem war... Nein! Ich musste es wenigstens versuchen.

"Ich kenne jemanden ", sagte ich und stand abrupt auf.

"Echt, wen?", fragte Mila begeistert und erhob sich ebenfalls.
Es tat mir fast leid, dass sie hier bleiben musste, als ich das Leuchten in ihren Augen sah.

"Eine alte Freundin. ...Die ich alleine aufsuchen werde", erklärte ich, mit der Betonung auf alleine.

"Oh, na dann, viel Glück", murmelte sie und setzte sich wieder.
Die Enttäuschung in ihren Augen machte mir zwar ein schlechtes Gewissen, aber wenn ich auch nur die geringste Chance habe wollte, sie zu überreden, mir zu helfen,  musste ich alleine kommen.

Max hatte in der Zwischenzeit die Scherben eingesammelt und drückte sie mir in die Hand.

Das Blut war auf dem Glas eingetrocknet, so konnte ich es sorglos in meiner Tasche transportieren.

"Ich begleite dich noch nach draußen", sagte er.

Draußen stand der Vollmond schon am Himmel.
"Du gehst zu Miriam, oder?", fragte er leise.

Ich schloss die Augen und ließ den kühlen Wind über mein Gesicht streichen.

Dann, im Schutz der Runen vor der Bar, breitete ich mit einem Schwung meine Flügel aus. Es tat gut. Ich war schon seit längerem nicht mehr geflogen.

"Ja", antwortete ich ihm leise.
Dann schlug ich mit den Flügeln und tauchte nur Sekunden später durch die nächtliche Wolkendecke.

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