Kapitel 9

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Das restliche Wochenende verlief relativ ereignislos.

Mein Plan, auf Matteos Party soviel zu trinken, dass ich mich am Tag danach an nichts mehr erinnern kann, war natürlich völlig sinnfrei. Nicht nur, dass ich am Sonntag den schlimmsten Kater meines Lebens hatte und mich mehrmals übergeben musste, obwohl ich nichts gegessen hatte; von meiner Tante Sharon bekam ich auch noch eine Standpauke. Sie redete solange auf mich ein, dass mir letztendlich nicht nur übel war, sondern dass ich auch Kopfschmerzen hatte. Irgendwie konnte ich ja sogar verstehen, dass meine Familie in der Öffentlichkeit als seriöse Unternehmerfamilie auftrat und mein verkatertes Bild da nicht so ganz ins Bild passte, aber so wie sie mit mir redete und die Strafe, die sie mir auferlegte, war eindeutig übertrieben. Denn ab sofort musste ich einen Peilsender mit mir herumtragen und musste spätestens 18 Uhr Zuhause sein - egal ob unter der Woche oder am Wochenende.

Ich beschwerte mich nicht darüber, denn erstens war ich dazu  in meinem Zustand gar nicht imstande und zweitens wusste ich, dass es keinen Sinn hatte mit meiner Tante zu diskutieren, wenn ich nicht alles noch schlimmer machen wollte.

Immerhin hatte ich es Samstagnacht auf der Poolparty geschafft, Matteo den Rest des Abends so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Ich hatte mit Delfi und Jazmin einen Shot nach dem anderen getrunken, irgendwann im Laufe des Abends einen Arschbombenwettbewerb angezettelt und ansonsten mit meinen Freundinnen und einigen Typen - abgesehen von Matteo - getanzt. Dabei hatte ich immer wieder das Gefühl, von Matteo beobachtet zu werden. Allerdings glaube ich eher, dass das eine Wahnvorstellung wegen des vielen Alkohols und meiner Erkenntnis zu den sieben Minuten im Himmel etwas früher am Abend gewesen war. Warum sollte er mich auch den ganzen Abend beobachten?

Aber egal ob Einbildung oder nicht, seine schokoladenbraunen Augen verfolgten mich auch noch am Sonntag. Egal was ich tat, er wollte mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Vor allem unserer Kuss beschäftigte mich dabei - ich konnte es einfach nicht glauben. 

Und so begleitete er mich während der Standpauke meiner Tante, während dem vergeblichen Versuch meine Übelkeit durch eine kalte Dusche verschwinden zu lassen und genauso als ich mich am Abend ins Bett legte. Selbst in meinen Träumen wollte er nicht aus meinem Kopf verschwinden.

Am Montagmorgen hatte ich immer noch keine Ahnung, wie ich mich verhalten sollte, falls ich Matteo in der Schule über den Weg liefe. 

*

Ich stieg aus dem Auto und starrte die Fassade des Blakes an.

Gedankenverloren schloss ich die Autotür, sodass Tino wieder vom Parkplatz fahren konnte. Aber auch nachdem er schon längst weggefahren war, stand ich noch immer an der gleichen Stelle. Mein Kopf stellte sich gegen den Wunsch meines Körpers, die Schule zu betreten, denn ich hatte Angst, Matteo zu treffen.

Im Augenwinkel bemerkte ich eine Person, die an mir vorbei auf die Schule zulief, dann stockte sie und drehte sich zögerlich wieder zu mir um.

"Hey Ámbar", sagte Nina zögerlich, "Ist alles in Ordnung?" 

Sie strich sich schüchtern eine Haarsträhne hinters Ohr und schob ihre Brille ein wenig nach oben, als ich ihr nicht antwortete, sondern meinen Blick nur langsam von der Fassade löste und auf sie richtete.

"Du sahst nur irgendwie so abwesend aus", fügte sie hinzu, um ihre eben gestellte Frage zu erklären.

Ich nickte nur und atmete einmal tief durch. "Alles okay, mach dir keine Sorgen. Ich hatte ein hartes Wochenende und bin ein bisschen durcheinander", antwortete ich wahrheitsgemäß und schenkte Nina ein kleines Lächeln. 

Solo Un Beso [Laufend]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt