Kapitel 3

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Ich vergrub mein Gesicht im Kissen. Am liebsten würde ich komplett darin verschwinden und nie wieder auftauchen. Vermutlich sehe ich schon längst aus wie ein Pandabär, wegen der verlaufenen Wimperntusche. Ich glaube mein Schluchzen war nicht zu überhören, denn meine Mum tauchte im Zimmer auf.
„Aber Schätzchen was ist denn los mit dir?" Ihre Augen waren weit aufgerissen. Ich weinte fast nie.
„Mum, Toby hat..." Ich schniefte. Meine Augen brannten. Ich konnte meinen Schmerz nicht in Worte fassen.
„Was hat Toby gemacht? Und um Himmels Willen, was hat er mit dirgemacht,  dass du so weinst?" Meine Mutter machte sich ernsthafte Sorgen.
„Ich weine nicht." Ich riss mich zusammen, wischte mir mit dem Handrücken über mein Gesicht und versuchte so sicher wie möglich zu klingen. Bis jetzt hatte es fast noch keiner geschafft, mich zum weinen zu bringen. "Er hat mit mir Schluss gemacht! Wegen Kylie Morgan!"
Mum sagte nichts, sondern zog mich einfach in eine lange, innige Umarmung. In einem gleichmäßigen Rhythmus streichelte sie mir meinen Rücken. Es war gut so, dass sie nichts sagte. So konnte ich meinen Tränen freien Lauf lassen. Manchmal tat es einfach gut.
Nach ein paar Minuten griff sie zum Telefon. "So, ich rufe jetzt Nelly an. Ich habe gleich einen Friseurtermin. Und du brauchst Liebe." Ich nickte. Ich war zu faul zum reden.

Fünfzehn Minuten später klopfte es an der Tür. "Oh Gott. Wie siehst du denn aus? Deine Mum hat mir erzählt, was passiert ist. Ich war noch schnell im Supermarkt und habe das hier gekauft." In ihrer linken Hand hielt sie fünf Tafeln Yogurette hoch. "Achja, ich hab auch noch paar Horrorfilme besorgt!" Ich musste lächeln. Meine beste Freundin wusste einfach genau, wie sie mir eine Freude bereiten konnte. "Sei froh, dass du keinen Freund hast." Nelly hatte irgendwie noch nicht den Richtigen gefunden.
Sie setzte sich zu mir auf's Bett. "Erzähl. Wie hat er's gemacht und warum?"
Ich musste tief Luft holen, um nicht noch einmal von einem Tränenschwall überrumpelt zu werden. "Er hat es mir per WhatsApp geschrieben. Dass er mit Kylie geschlafen hat und sich jetzt in sie verliebt hat. Nelly, wir wollten in ein paar Monaten zusammenziehen. In unsere erste eigene Wohnung. Ich habe schon so lange gespart und jetzt das. Alles weg."
„So ein Dreckskerl! Was hat diese Schlampe, was du nicht hast? Mehr als du hat sie nämlich nicht zu bieten. Wenn du mich fragst, ist sie eine echte Hohlbirne.", sagte Nelly aufgebracht.

An diesem Nachmittag fielen tausende von Beleidigungen über Kylie und Toby. Die Schokoladen hatten wir nach einer halben Stunde verputzt und so musste Nelly noch mal losfahren und Nachschub für die nächsten Tage kaufen. Ich war ihr so dankbar. Natürlich schlief sie bei mir. Sonst hätte ich die Nacht wahrscheinlich nicht überlebt. Wir sahen uns einen Horrorfilm nach dem anderen an und so verwandelte sich meine Trauer in Wut. Pure Wut. Und wenn ich wütend wurde, traten die blauen Adern auf meinem Körper stärker hervor als normal und meine Augen begannen zu leuchten.
„Ohje verwandelt sich da jemand in einen Wolf?", fragte sie besorgt. Ich schüttelte den Kopf und riss mich zusammen.

Ich dachte wirklich, es könnte nicht mehr schlimmer kommen. Irgendwann verfiel ich wieder in die Heulphase und der letzte Semesterferientag rückte immer näher. Ich wusste nicht, wie ich Toby gegenüber treten sollte. Ich dachte, dass ich nie mehr etwas so schlimmes erleben werde, doch da hatte ich mich gewaltig getäuscht. Denn das war erst der Anfang.

The half wolf bloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt