VI.IV Sahara

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Die Tage im Kanton zogen an mir vorüber ohne, dass ich davon wirklich Kenntnis nahm. Es gab viel zu tun. Neben der Ausbildung sammelten sich die Verletzungen der Soldaten an und wir Heilerinnen versuchten unser Bestes am Ende des Tages alle versorgt zu haben. Ich wehrte mich vehement gegen meine heilenden Hände und nutzte die Tinkturen aus dem Gewächshaus. Niemand durfte von meinen Kräften erfahren, so gerne ich sie bei all dem Leid einsetzen wollte. Gleich ob meine Arbeit hier als Maulwurf galt, wuchsen mir einige Personen sehr ans Herz. Zu allernächst die Gruppe aus Heilerinnen, welche mit mir Seite an Seite schufteten. Sie sorgten um das Wohl Ihrer und hielten zusammen. Meist waren es nur die großen Regierungsköpfe, welche Missmut und Argwohn verbreiteten. Ihr hartes Auftreten mit Befehlen und Folter bei Missachtung sorgte für die Angst. Vor allem die öffentlichen Hinrichtungen, welche von der Bevölkerung der ersten Distrikte abartig bejubelt wurden, brachen uns das Herz. Wir wollten jegliche Leben retten und nicht grundlos zerstören.

Es war ein langer Tag gewesen und wie nach jedem harten Arbeitstag verabschiedete ich mich von meinen Schwestern, wünschte ihnen eine erholsame Nacht und zog mich in die große Bibliothek zurück. Der Raum, nein, der Saal bestand aus deckenhohen, Regalen aus weißem Mamor, randvoll mit Büchern aus allen Zeitaltern Ildeas. Ich liebte es hier. Der Ort war auf eigene Art beruhigend und anmutig schön. Die goldene Wendeltreppe zog sich im Zentrum bis in das dritte Geschoss hoch und war Hauptaugenmerk der ganzen Pracht. Von ihr gelangte man in die Höhe und konnte auf den anderen Ebenen stöbern.
Offiziell lernte ich hier an einem schweren Steintisch mit mosaiken Abbildungen die Salben und Kuren von Franziskus dem III. Es war das eine Buch, welches so riesig war, dass es meine tatsächliche Recherche bedecken konnte, sobald jemand Unerwünschtes auftauchte. Zum Glück schliefen die meisten um solch späte Uhrzeiten.
Mein Begehren war die Geschichte der Shevu und ihre Vergangenheit mit den Elementals. In meinen ersten Nächten erfuhr ich mehr über die Regentschaft der Na'hi - leider nicht sonderlich abweichend zu der jetzigen. Dort herrschte schon Missfallen zwischen den beiden Bevölkerungen. Eugenes und mein Vater schnitt als Anführer in den Büchern äußerst schlecht ab. Es brachte mich in stillen Momenten zum weinen. Sowas hatte ich nie gewollt. Immer mehr Verstand ich den Zwist, den niemand vermochte beiseite zu legen.
Heute Nacht hatte ich ein Familienverzeichnis gefunden, welches die Stammbäume der letzten Königsfamilien abzeichnete. Erneut mit Tränen in den Augen und schon fortgeschrittener Müdigkeit betrachtete ich das Abbild meiner Familie. Sie fehlten mir. Und es tat mir so unendlich leid, wie ich Eugene abblitzen ließ und er nun allein umher wanderte. Ich hoffte, dass sich dies nicht als gravierender Fehler entpuppte. Mit schwerem Herzen blätterte ich zum Stammbaum des aktuellen Herrschers. Zu meinem Erstaunen fand ich die Offizierin Deidre Jamart. Ihr Vater war Bruder des aktuellen Regents. Anscheinend hatte sie Geschwister, welches mich erneut überraschte. Sie wanderte meist allein umher, wenn man ihren schoßhundartigen Leutnant nicht einbezog.
Ich rieb meine müden Augen, um den Namen links von ihr zu entziffern. Ich rieb sie erneut, denn das konnte nicht stimmen. Doch auch bei näherer Betrachtung änderte sich die Zeichenfolge nicht. Und es ergab bei weiterer Überlegung auch Sinn. Sie sahen sich ähnlich.

Nia, ein Elemental, war Deidres kleine Schwester.

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