V.II Kane

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Der Nebel hinter meiner Stirn wurde immer lichter und mit ihm verabschiedete sich der wollige Druck auf den Ohren. Trotzdem vernahm ich die Geräusche um mich herum nur gedämpft und verzerrt wahr und musste enorme Kraft aufbringen, um meine Augen auch nur ein Stück öffnen zu können.
Ich lag rücklings auf irgendetwas drauf, was sich schwerfällig aber schnell bewegte. Das, was ich aus meiner Position erkennen konnte, waren dunkle Schemen in der Nacht, alle kopfüber. Meine Hände und Füße waren fest zusammengezurrt und ein breiter Gürtel verband mich mit dem Rücken des Tieres, auf dem mir langsam schlecht wurde.
Ich konzentrierte mich auf meine innere Hitze und sandte Energie in meine Arme und Handflächen, doch es tat sich nichts. Mist. Meine Stimme brauchte ich erst recht nicht bemühen, da ein dicker Knebel in meinem Mund steckte und jedes Geräusch aus meiner Kehle erstickte.
Jemand sagte etwas, zischend zwischen zusammengepressten Zähnen. Ein anderer antwortete... Moment mal, war das Eugene? Ich hob den Kopf, um besser sehen zu können. Dumme Idee, meine Schläfe kollidierte mit einem tief hängenden Ast und schon verschwand mein Bewusstsein in dumpfer Schwärze.

Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf sandigem Boden. Die Fesseln waren gelöst, kein Knebel mehr im Mund und eine wohlige Wärme strahlte mir ins Gesicht. Ich versuchte zu blinzeln, was ich jedoch umgehend bereute. Ein pochender Schmerz machte sich in meiner linken Gesichtshälfte breit. Ich konnte nicht anders und stöhnte auf.
"Gut, du bist wach." Die unverkennbare raue und viel zu tiefe Stimme ließ mir einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. Umständlich hob ich mich auf alle Viere und richtete meine Faust in Richtung der jungen Frau, die mich gekidnappt hatte. Kein Feuer, fuck. Ich zog mich weg von ihr, in die Dunkelheit, hauptsache weg von der Verräterin, doch ich kam kein Stück vorran. Als würde ich auf der Stelle kriechen oder der Boden mich immer wieder zurück ziehen...
"Hoooo Großer, du brauchst nicht in Panik verfallen - alles easy." Also war das eben doch keine Einbildung gewesen. "Eugene?!", keuchte ich verwundert. "Was machst du... wie bist du... was ist mit..."
"Nia? Ja ich dachte auch erst sie wäre ein verräterisches Miststück - Pardon Nia. Aber wir irren uns, sie ist auf dem gleichen Maulwurf-Trip wie Sahara." - "Sahara... lebt? Ich dachte sie wäre... in Gefangenschaft geraten. Getötet, enttarnt. Verdammt, bringt mich mal jemand auf den neuesten Stand?!" Ich kroch wieder näher zum Feuer, es wurde verdammt kalt hier draußen. Nia und Eugene saßen mir entspannt gegenüber und tranken Tee. Na deren Ruhe hätte ich gerne.
"Weißt du wie höllenschwer es war, das Feuer ohne dich anzubekommen? Puh ich sag's dir, bin froh, dass du wach bist... " Trockenes Husten und Stille. "Na gut, also der neuste Stand..." - "Ich übernehme", fiel ihm Nia ins Wort und Eugene widmete sich verdattert seinem Tee. "Es fing an mit Sahara. Sie hat einen Plan. Genaueres wollte sie mir nicht erzählen, dazu fand sie mich anscheinend zu unglaubwürdig. Jedenfalls habe ich euch verraten." Ich spannte mich an, bereit mich auf sie zu stürzen. Doch sie hielt nur ihre Hand hoch. Na gut, sollte sie doch ausreden. "Ich habe aber auch den Späher geschickt, um euch zu warnen. Ich konnte Gläubiger im Kanton gewinnen. Mein nächster Auftrag sollte die Gefangennahme des Rebellenführers sein. Auch Sahara wollte dich im ersten Distrikt wissen, warum, kann nur sie dir sagen." Sie verdrehte die Augen und nahm einen tiefen Zug aus ihrer Tasse. Ihre türkisblauen Augen strahlten im Licht der Flammen und verengten sich, als sie mich ansah und fortfuhr. "Ich habe dich alleine angegriffen, damit dein kleines heißes Talent geheim bleibt. Dann wollte ich dich mit den Shevu zu deren Anführer bringen. Doch der liebe Thronfolger hier-", mit einer abfälligen Handbewegung wies sie auf Eugene, der nur verschmitzt grinste -"hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht und meine Mission beinahe auffliegen lassen. Also haben wir die Shevu erledigt und sind jetzt im Wald vor Grabor." - "Aber in Grabor, da war doch..." - "Doch, es sind alle da, Kane. Ich habe Shila und den Zirkel eingeweiht und sie zogen sich direkt nach ihrer Ankunft in die Casinobunker zurück. Ich wollte sie da nicht mit reinziehen."
Ich brauchte einen Moment, um ihre Worte zu verdauen. Sahara im Kanton, Nia eine Doppelagentin und Eugene nach so langer Zeit wieder unversehrt an meiner Seite. Und all das hinter dem Rücken des Rebellenführers, ohne dass ich auch nur eine Ahnung hatte, was passierte. Ich rieb mir die Beule an der linken Schläfe, dachte dabei fast sehnlich an Saharas heilende Hände und griff dann nach einer Tasse Tee. Meine Stirn legte sich in Falten, ich senkte den Kopf und auch Eugene und Nia verstanden, dass ich einen Moment Ruhe brauchte, um mich zu sortieren.
"Okay, dein Plan mich ins Kanton zu bringen ist also gescheitert. Was jetzt? Sahara ist immernoch dort, hat sie dir weitere Anweisungen gegeben?" Nia schüttelte den Kopf. Auch der verärgert dreinblickende Eugene konnte mir nicht weiterhelfen. "Na gut. Also bleibt der ursprüngliche Plan, die Shevu aus Grabor anzugreifen, bestehen?" Nia senkte den Blick, als ich sie fragend ansah. "Ich habe die Befürchtung, dass jemand unsere Auseinandersetzung in Aedas mitbekommen hat. Ein Droka hat eine Mine ausgelöst. Und das hat mitten in der Nacht Aufsehen erregt." Meine Finger begannen zu glühen. Na immerhin.
"Und jetzt? Die Shevu auf dem Weg ins 7. Distrikt und wir sind noch nicht einmal vorbereitet?" Aufgebracht schossen kleine Funken aus meinen Fingerspitzen.
"Beruhig dich, Kane. Noch hat das Kanton keinen Grund uns anzugreifen. Wir warten ab und beginnen morgen mit dem Aufbau der Verteidigungslinien. Ich habe Informationen mitgebracht, die uns dabei vielleicht nützlich sein könnten."

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