IV.II Kane

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Die Sonne verabschiedete sich hinter der östlichen Bergkette und als ich den dichten Wald verließ und das Tor zu Grabor passierte, begrüßte mich ein frischer Abendwind. Die noch funktionierenden Straßenlampen begannen zu glühen und hüllten die Szenerie in ein unwirkliches Licht. Grabor war längst nicht mehr das, was es einmal war. Die schönen Straßen aus Marmorplatten und Stahlschienen waren aufgerissen und von Brocken der Häuser bedeckt, die einst die Wege säumten. Gräser, Büsche und Bäume hatten sich den Hügelstadtteil zurückerobert und verwandelten ihn in eine fast vergessene Ruine. Distrikt 7 war seit Beginn des Krieges nicht mehr bewohnt worden. Die unteren Bevölkerungsschichten konnten es sich nicht leisten, ein intaktes Versorgungsnetz aufzubauen und die Villen und Geschäfte Grabors zu unterhalten. Also blieb der Stadtteil größtenteils unbewohnt und verwitterte im Laufe der Jahre zu einer Geisterstadt.

Das war also unsere letzte Hoffnung. Sollten wir hier nicht die Stellung halten können, wäre unsere Rebellion besiegt. All die Jahre des erbitterten Kriegs umsonst. Ein stechender Schmerz durchzuckte meine Stirn und ich kniff die Augenbrauen zusammen. Das durfte nicht das Ende sein, dafür hatte ich nicht gekämpft. Doch unsere Chancen standen schlecht, das musste ich zugeben. Die Truppen der Shevu waren uns haushoch überlegen. In Zahl, Stärke und Ausrüstung. Unsere Vorräte wurden knapp und die Müdigkeit der Rebellen immer größer. Die Situation schien ausweglos, doch als Anführer durfte ich nicht aufgeben. Ich würde für die Gleichberechtigung der Rebellen kämpfen. Koste es, was es wolle.

Immer noch grübelnd, über die nächsten strategischen Schritte, zog ich durch die leeren Straßen des 7. Distrikts. Moment mal. Warum zur Hölle war es hier so ruhig? Wo war Shila und der Rest meines engen Zirkels? Die Elementals und Zivilisten? Auf meinem Weg zum Prunkplatz hatte ich weder erleuchtete Häuserruinen, noch irgendeine Menschenseele gesehen oder gehört. Verdammt, da stimmte etwas nicht.

Noch im selben Moment vernahm ich das Knirschen von Steinen auf Marmor zu meiner Rechten. Ich wirbelte herum und schoss eine Salve an Feuerstößen in die Richtung des Geräusches. Sie trafen auf einen Baum, der umgehend Feuer fing und seine Umgebung erleuchtete. Nichts. Ich atmete tief durch, verband meine Fingerspitzen mental mit den züngelnden Flammen und richtete sie in einer geraden Linie zu Boden. Das Feuer erlosch und der Stamm des Baumes blieb verkohlt zurück.

Dann durchzuckte ein sengender Schmerz meinen Oberschenkel. Ich riss meine Ellenbogen zurück und erwischte den unbekannten Angreifer in der Magengrube. Er taumelte prustend zurück, während ich die Klinge aus meinem Bein riss und wegschleuderte. Meine Handflächen begannen zu glühen und jeder Muskel meines Körpers spannte sich an. Ich ließ einen Strom an Flammen in Richtung des Unbekannten los, brachte meine Füße in eine stabile Grundposition und schoss abwechselnd mit den Fäusten Feuerbälle auf mein Ziel. Doch das war gar nicht so leicht zu erwischen. Leichtfüßig wich er den Flammen aus, als könne er vorhersehen, was mein nächster Angriff sein würde. Mein rechtes Bein begann taub zu werden und gab nach. Trotzdem schleuderte ich immer weiter Feuersalven vor mich, mittlerweile konnte ich kaum noch etwas erkennen. Rauch und Flammen vermischten sich zu einem orange-rot glühenden Inferno. Mit den Händen vor der Mitte änderte ich meine Kampfstrategie. Wildes Rumgeballer nützte hier nichts. Ich atmete tief ein und aus Mittel- und Zeigefinger schossen flammende Peitschen. Ich erwischte mein Gegenüber an der Fessel und riss ihn zu Boden. Dann setze ich zum Sprung an, um ihm den Rest zu geben, doch mein Bein gab nach und zwang mich zu Boden. Flammen entwischten meiner Kehle, als ich wütend schreiend im Staub landete. Und als mein Gegner sich aufrappelte und auf mich zukam, wollten meine Fingerspitzen nur noch mickrige Funken aufglühen lassen.

Verzweifelt biss ich mir auf die Lippe, um bloß nicht das Bewusstsein zu verlieren. Es half nichts, meine Lider wurden immer schwerer und ich drohte einzuschlafen. Im Licht der tobenden Flammen konnte ich nur schwer erkennen, wer sich nun mit Fesseln an mir zu schaffen machte. Doch im letzten Moment bevor ich weg dämmerte, sah ich ihre türkisblauen Augen aufblitzen. Nia. 

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