VI.I Deidre

12 1 0
                                    


Als wir in Aedas angekommen waren, hatte uns nichts empfangen als weite leere Straßen. Nur die heruntergerissene Hauswand durch eine detonierte Miene war übrig geblieben. Von einem offensichtlich kurzen Spektakel. Ich war abgesattelt, hatte mir die Ruine kurz angeschaut und ein paar Steine aus dem Weg gekickt. Der Staub tanzte noch immer durch die Luft und ein seltsamer Geruch ließ mich innehalten. Hätte ich es in diesem Moment beschreiben sollen, so hätten mir die Worte gefehlt. Mein Gefühl blieb.

„Wir ziehen weiter!", kommandierte ich Killian zurück auf seine Echse. Der hochgewachsene Mann hatte mir tief in die Augen schaut, auf der Suche nach dem, was ich in all dem ganzen Szenario sah.

Wir ritten durch die immer dunkler werdenden Gassen in Richtung Grabor. Das Risiko, dem wir gerade entgegensteuerten, verdrängte ich. Killian schaute immer wieder zu mir rüber. Doch ich blickte nicht zurück, richtete meinen Blick stur nach vorne. Die langen Gassen wurden nach und nach zu breiten Schotterwegen und ich entschloss mich dazu, weiter über die Felder zu reisen; in Richtung Wald. Die alten Häuser Grabors wollte ich erstmal vermeiden. Zielsicher steuerten wir ins Dickicht durch das Unterholz hindurch, hinein in die Dunkelheit. Intuitiv zog ich meine Waffe aus dem Halfter und verlangsamte das Tempo. Die Mongoose bewegten sich geschickt durch das Geäst, kaum ein Ton war zu hören, bis auf das letzte Zwitschern der Vögel, bevor auch sie sich der Nacht hingaben. Weit und breit konnten meine Augen nichts verdächtiges erhaschen, nichts was mir die kleinste Annahme geben konnte auf der richtigen Fährte zu sein, und doch trieb mich meine Intuition tiefer und tiefer in die Wälder Grabors. Killian folgte mir treu und stumm, bis wir an einem kleinen Teich hielten. Frustriert stieß ich die Luft aus.

"Wir sollten umkehren, Captain. Wir haben nichts gefunden. Weder in Aedas noch hier", Killian hielt neben mir. Ich schüttelte den Kopf und ließ den Blick über das Wasser gleiten. "Nein... Ich gebe noch nicht auf. Diesmal ist etwas anders, ich kann etwas spüren..." Ich schwang mich aus dem Sattel, zupfte meinen Wams zurecht und verstaute die Waffe wieder an meinem Oberschenkel. Das Wasser des kleinen Sees spiegelte glatt die Schatten der Bäume wieder, ich kniete mich ans Ufer und tauchte meine Hand ins kühle Nass. „Sattelt ab Kilian, wir geben unseren Echsen eine Verschnaufpause und entscheiden währenddessen, wie wir weiter vorgehen wollen." Killian tat, wie ich befahl, Band die Tiere an eine nahegelegenen Tanne und trat an mich heran. „Was ist es, was ihr hier seht, mein Captain? Was treibt euch diesen Abend so weit weg aus dem Kanton?" Seine Stimme wusch sanft über mich hinweg. „Ich weiß es nicht, es ist ein Gefühl, es hat mich gepackt und lässt meinen Kopf nicht frei." Enttäuscht klappte ich das Visier meines Helms hoch, um ihn nur kurze Zeit später gänzlich abzulegen. Killian legte seine Hand auf meine Schulter, er würde ein kleines Feuer machen. In diesem Moment realisierte ich, wie sehr ich ihn eigentlich mochte. Wir hatten schon einige Missionen zusammen durchgestanden, er folgte mir, würde mich mit seinem Leben beschützen und vermittelte eine unglaubliche Ruhe. Ein Fels. Ich konnte seine Bewegungen im Spiegelbild des Wasser verfolgen. Wie er einen kleinen Haufen trockenes Laub zusammenwarf, mit etwas Zweigen ausstaffierte und mit einer Leichtigkeit eine winzige Flamme erschuf. Er hielt sie klein, gerade genügend für einen zarten Lichtring, der sanft über den Boden tanzte und ein klein wenig Wärme in der immer dunkler werdenden Nacht gewährte. Dass sich etwa durch den Strich bewegte, sah ich nicht, zu tiefschwarz war das Wasser nun geworden. Und so stand ich auf und nahm neben meinen Lieutenant Platz. Er bat mir ein Nhelin an und brach mir eine Hälfte ab, als ich ihn dankend anlächelte. Mein Magen knurrte. Mit jedem kleinen Bissen den ich nahm, schweiften meine Gedanken weiter ab, die Dokumente von vergangenem Nachmittag stießen in meine Erinnerung und ich erinnerte mich an einen Offiziersbericht über eine der ersten von fünf Säuberungen. Grausam und gewissenhaft war man damals gegen die Elementals vorgegangen, hatte Familien gehängt, ganz Blutlinien vernichtet und Häuser abgebrannt. Überlebende gab es laut dieser Berichte kaum, laut offiziellen Aussagen keinen einzigen. Vielleicht hatte ich unrecht. Und das war hier gerade die absolute Zeitverschwendung... 

Ildeas ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt