I.I Deidre

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Es war heiß. Kleine Schweißtropfen perlten meinen Nacken hinunter und wurden von meinem engen Kleiderkragen aufgesaugt. Ich blinzelte gegen das helle Licht und kleine Sternchen tanzten durch mein Blickfeld. Der Sommer im Kanton war unbarmherzig und heiß, ein Fakt, an dem die hohen glattpolierten Steinwände des Regierungspalastes nicht viel ändern konnten. Der Smog hing dann tief über dem umgebenden Stadtring und nur die Anhöhe des Regierungspalasts verschaffte allen darin arbeitenden Personen etwas weniger drückende Atemluft.

Ich blickte auf meine Uhr. Die drei kleinen goldenen Zeiger drehten sich schnell um die fünf abgebildeten Planeten und stoppten als ich mit meinem langen Zeigefinger ungeduldig auf das Glas tippte. Eilig wand ich mich vom Fenster ab und lief den Gang weiter hinab Richtung Büro meines Vorgesetzten.

Seit wenigen Jahren arbeitete ich nun unter der Führung meines Vaters, was mir manchmal mehr und manchmal weniger gut gefiel. Er hatte damals den Posten meines ehemaligen Chefs übernommen, der, unter tragischsten Umständen, bei einer Festlichkeit verstarb. Mord. Womöglich. Keine Seltenheit unter rivalisierenden Regierungsmitarbeitern.

Ich bog um die nächste Ecke, eilte einige Treppenstufen hinab und erreichte die große Flügeltür. Mit einer Hand löste ich die Identifikationsmarke von meiner Brusttasche und hielt sie gegen den Scanner. „Friede sei mit Euch", begrüßte mich die AI-Stimme des Scanners und die Tür vor mir öffnete sich. „Friede sei mit Allen", murmelte ich und trat ein. Der gewohnt schwere Duft von Parfüm schwappte mir entgegen und zwang mich dazu, die Nase zu rümpfen.

„Friede sei mit Euch, geliebte Tochter", die Stimme meines Vaters schallte mir von dem kleinen Podest entgegen, auf dem sein Schreibtisch thronte. „Verzieh nicht so das Gesicht, das gehört sich nicht."

„Jawohl, Admiral Jamart, Friede sei mit Allen", antwortete ich, packte meine Aktentasche fester unter den Arm und nahm auf dem Polsterstuhl ihm gegenüber Platz. Mein Vater war ein in die Jahre gekommener Shevu, mit eingesunkenem Gesicht und leicht vornübergebeugter Haltung. Die hochrangig dekorierte Militäruniform und die stechend orangenen Augen gaben ihm genügend autoritäre Ausstrahlung, um die Zeichen der Zeit in den Hintergrund zu drängen. Seine Hände ruhten vor ihm, gefaltet auf dem Tisch. „Nun?", fragte er forsch. Das kleine Stadtkarten-Hologram zu seiner Rechten flackerte.

Ich räusperte mich kurz: „Erai konnte von den Rebellen zurückerobert werden. Meine Männer haben es im Morgengrauen geschafft, die Tempel zu umrunden und die Brücke nach Enod zu sichern. Der Rest war ein militärisches Kinderspiel. Ich selbst bin erst vor einigen Stunden aus Erai zurückgekehrt. Zurzeit sichern wir den 5. Distrikt und kümmern uns um die Aufmüpfigen." Admiral Jamart verzog keine Miene. „Das Kanton wird sicherlich sehr zufrieden sein, wenn dem Volk mal wieder eine vernünftige Hinrichtung geboten wird, meinte Ihr nicht Vater?", lächelte ich verschmitzt. Mein Vater nickte bloß. Er schien keinesfalls beeindruckt. „Was ist mit Aedas?" Mein Lächeln verschwand sofort und ich straffte meine Schulter ein kleinwenig mehr. „Wir arbeiten daran, Aedas scheint tiefer mit Rebellen besiedelt, als zuerst vermutet. Der 6. Distrikt ist besser organisiert, wir müssen uns erst einen Überblick verschaffen, um die Mission geordnet und komplikationsfrei abschließen zu können." Ich griff in meinen Aktenkoffer, kramte zwei von mir in Eile skizzierten Missionspläne heraus und breitete sie vor ihm aus.

Es dämmerte, als ich zu meinen Räumlichkeiten zurücklief. Die schwüle Abendluft kroch durch die geöffneten Fenster der Gänge und ich atmete tief ein. Es war ein langer Tag gewesen und meine Knochen schmerzten. Meine Zimmer lagen am anderen Ende des Regierungspalastes, im Ostflügel, zusammen mit den Räumlichkeiten weiterer militärischer Offiziere.
Angekommen, legte ich die Uniform ab, löste den strengen Dutt im Nacken und eine Flut silberner Haare ergoss sich über meine muskulären Schultern, meinen Rücken hinab. Ich durchfuhr sie einige Male mit meinen Fingern und massierte meine Kopfhaut. Was ein anstrengender Tag. Langsam wanderte ich durch den schmalen Eingangsbereich und bog ins Badezimmer ein, öffnete die gläsernen Wasserhähne und die Wanne im Mittelpunkt des Raumes begann sich mit wohlig warmem Wasser zu füllen.

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