II.III Eugene

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Sandstein gab es hier nicht mehr. Er wurde abgelöst von glattem, kalten Marmor und grauem Beton. Distrikt 2. Nach passieren der Grenze zwischen Mor und Nodnol nahm meine Rettungsmission einen neuen Schwierigkeitsgrad an. Ich musste mich nun zügig an die Bewohner anpassen, sonst würde ich trotz nächtlicher Dunkelheit auffliegen. Hier trägt niemand beige Leinenhosen und verdreckte Fetzen als Oberteil, welche mal als weißes Shirt gegolten hatten. Zu schäbig für Distrikt 2. Bettler gab es keine. Nur das feine Goldkettchen, Erbstück meiner Mutter,  mit graviertem Plättchen, welches mein Familienwappen darstellte, passte in diesen Bezirk. Hier galt die Regel, je kultivierter und gehobener, desto besser. Keine Ahnung wie ich das anstellen sollte mit meiner zerzausten Mähne, dem Dreck, Schweiß und Blut der letzten Wochen. Nach dem hin und her wälzen meiner Gedanken, formte sich eine Idee. 

Ich richtete meinen Fokus nun auf die Hauswand, an welcher ich mich mit beiden Händen schon eine ganze Weile stützte und vor mir in den Himmel ragte. Das Gebäude war weiträumig, mit hohen Decken und spärlicher Einrichtung. Nur eine Menschenseele hielt sich in ihm auf, schlief in einer der oberen Gemächer. Ganz sachte drückte ich einen Block der Hauswand nach innen, gerade so dass ich reinschlüpfen konnte und das Haus die Stabilität behielt. Als sich der Stein wieder eingliederte, waren meine Sinne auf das Innere des Hauses geschärft. Also los. 

Da stand ich nun wieder auf den Straßen Nodnols. Tatsächlich gewaschen, gekämmt und eingekleidet. Zu meinem Glück, dass die relevanten Räume sich im Erdgeschoss befunden hatten. Schwierig war nur das Stumm bleiben beim Einwickeln der Wunde am Schulterblatt gewesen. Ein äußerst unvorteilhafter Ort, wenn man sich notgedrungen selbst verarzten musste. Gut, dass Sahara nicht mehr weit entfernt war...

Ich hatte mich anscheinend in das Haus eines Senatmitgliedes geschlichen, denn die Toga aus schwerem Stoff mit Seidengürtel war selbst für einen Bewohner Nodnols zu gehoben. Das Familiensiegel verbarg ich darunter direkt an meinem Herzen, dort wo es hingehörte. Die Sandaletten gefielen mir nicht. Ihre Sohle war so dämpfend. Nackter Boden gehörte zu meiner Kommunikation. Doch ich konnte es nicht riskieren barfuß durch die Straßen zu wandern. So verwirrte Senatoren gab es dann doch nicht. Die Haare hatte ich zu einem strengen Zopf zurückgebunden - das war der Hit bei den Kanton Leuten. Mir bereitete es nur Kopfschmerzen. Mein ganzes Aufbereiten hatte mich allerdings die Nacht gekostet und der Horizont bildete bereits einen gold schimmernden Ring. Nun gut, ich sah jetzt aus wie ein Teil der Menschen hier. Also schritt ich los, immer bedacht meine trüben eisblauen Augen wenn nötig zu verbergen, da sie mich schon oftmals verraten hatten. Noch schlief das edle, faule Volk und nur die ersten Soldaten bewegten sich aus ihren Sölbern. Meine eigene Müdigkeit versuchte ich zu unterdrücken, es galt nun erstmal eine Weile wach zu bleiben. 

Distrikt 2 war zügig durchkreuzt und ich passierte mit stummen Nicken das Tor zum Kanton. Ach was hatten die Senatoren es leicht die Ringbereiche zu wechseln. Niemand sprach mich an oder fragte nach meinem Anliegen. So schlenderte ich gezielt zu den Gewächshäusern, dort wo sich die Heilerinnen während ihrer Arbeit aufhielten, wenn sie nicht gerade in einem Lazarett an der Front schufteten. "Friede sei mit euch, Senator!" rief ein trabender Soldat mir zu. Ohne mein Haupt zu erheben, winkte ich ihm mit gebeugter Hand zu. "Friede sei mit Allen, mein Sohn." Ok, ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen, so lächerlich klang es in meinen Ohren. Das melodische ruhige Summen mehrerer weiblicher Stimmen drang nun in mein Gehör und bezirzte meine Sinne. Ich war nicht mehr fern.
"Senator, was eine Ehre Sie in unserem bescheidenen Gewächshaus willkommen zu heißen.".
"Friede sei mit Euch, meine Kinder"
"Friede sei mit ...."
"Jaja, was auch immer. Spart euch den Rest."
Schockierte Stille.
"Ich suche eine junge Dame namens Sahara. Sie schloss sich euch kürzlich erst an. Wo ist sie?" Dabei spürte ich ihre Anwesenheit längst.
"Ich bin hier,... Senator"
Nicht grinsen, Eugene.
"Lasst mich mit ihr allein. Bitte arbeitet in den Beeten solange weiter."
Das leise Rascheln der Kutten wich nach und nach, entfernte sich von mir und Sahara. Wenige Sekunden später lag ich in den zarten Armen meiner Schwester. Sie duftete wie eh und je nach frisch gemähtem Gras. Ich liebte es. Doch ich löste zuckend die Umarmung als meine Schulter Einwände erhob.
"Wie bescheuert bist du hier aufzutauchen? Und dann auch noch in dieser Montur?!"
"Sasa, komm schon, ich sehe doch bestimmt blendend in diesem Sack aus."
"Das ist nicht lustig, Eugene. Die anderen Heilerinnen haben bestimmt bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis sie dich melden." Während sie sich über mich ausließ, lag ihre Hand auf meiner schmerzenden Schulter, die nach einer Weile verstummte. Endlich geheilt.
"Bis dahin sind wir wieder weg und auf den Weg in die Sicherheit."
"Welche Sicherheit, Eug - RUNTER MIT DIR" zischte sie und drückte mich gleichzeitig unter einer der Arbeitstische. Sie stieß meinen Kopf an eine Holzkante, was mich kurz aufheulen ließ.  "Das ist Offizier Jamart. Sie zerlegt dich, wenn... oh gott sie schaut her." Wir beide hielten die Luft an, bis sie vorbeimarschiert war. An ihren Schritten spürte ich ihre Entschlossenheit und Disziplin. Wow, die Shevu machten wirklich aus jeder Menschenseele eine Kampfmaschine. 

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