III.II Kane

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Der Weg nach Grabor war nicht weit und doch sehr anstrengend. Die fast schon wüstenähnliche Hitze und stehende Luft machten es unmöglich, ein moderates Reisetempo einzuhalten. Noch dazu reflektierten die Glas- und Marmorfassaden das gleißende Licht der Sonne und verbrannten mir die Haut. Ich musste schmunzeln, dass mir gerade diese Naturgewalt so zusetzte, obwohl ich doch meine Energie daraus entzog.
Der Weg wurde steiler, es musste nicht mehr weit sein bis ich die Tore Grabors passierte. Als ich gegen das grelle Licht blinzelte, konnte ich bereits die Ruinen und den Wald erkennen. Ich beschloss noch eine kurze Pause einzulegen, bevor ich den Anstieg in das 7. Distrikt begann. 

Das Gebiet zwischen Aedas und Grabor war nur licht besiedelt, kleinere einstöckige Hütten säumten den Waldrand. Vor ihnen lag ein besandeter Distriktplatz mit Brunnen. Naja, eher ein Wasserloch. Ich füllte meine Flasche auf und setzte mich in den staubigen Schatten einer Hauswand. Es war still in Distrikt 6. Nur ein paar Insekten surrten herum und Vögel ließen ab und zu ein Klagelied verlauten. Ich ließ meinen Kopf an die Ziegelmauer hinter mir sinken.
20 Jahre Bürgerkrieg. Natürlich hatte es immer wieder kleinere Friedensphasen gegeben, aber wirklich ruhig wurde es in Ildea nicht. Die Shevu hatten einst den König getötet und die Macht übernommen. Beschäftigte man sich mit diesem tragischen Zwischenfall, so konnte man durchaus herausfinden, was der Grund ihrer Tat war.
Jahrelang kämpften die Shevu um Anerkennung. Schufteten hart für das Königreich und stellten Waffen her, die ihresgleichen suchten. Der König schickte die kämpferische Rasse in Kriege, die sie nicht gewinnen konnten und verkaufte die hergestellten Waffen für viel Geld an Verbündete, welche später mit diesen Waffen gegen Ildea in den Krieg ziehen sollten. Ezra war kein großer Führer gewesen und hatte seine Machtposition schamlos ausgenutzt. Kein Wunder, dass die Shevu sich gegen ihn und das Königshaus stellten und ihn stürzten. Ich glaube sogar, dass sie etwas besseres mit Ildea hätten machen können, wäre nicht Mekka der erste Präsident der Shevu und Ildeas geworden.
Er sah das Problem in der Rasse der Königsfamilie. Elementals waren der Grund, warum die Shevu unterdrückt und ausgenutzt worden waren. Natürlich waren wir vom König bevorzugt worden und besetzten die hohen Positionen der Dynastie. Aber wir waren sicher nicht Schuld an Ezras Politik.
Und so ließ Mekka Waffen und Rüstungen anfertigen, welche gegen die Kräfte der Elemente resistent waren und begann mit der "Säuberung". Ich weiß nicht, wie viele Elementals damals starben. Ich weiß nur, dass eine handvoll von ihnen überlebte. Seither hatten sich zwei erbitterte Lager gebildet. Die neue Ordnung und Regierung der Shevu und die Rebellen, die die Dynastien vergangener Tage wieder herbeiführen und Rache für die grausamen Morde an den Elementals wollen. 

Seit ich die Oase verlassen und mich den Rebellen angeschlossen hatte, bestand mein einziges Ziel darin, die Überlebenden der Säuberung zu finden. Ich wollte das Gleichgewicht Ildeas wieder herstellen. Für einen Sinn und gegen die Unterdrückung kämpfen. Ich fand Karmin, Rebellenveteran und Elemental. Er bildete mich aus und zeigte mir, zu was ich imstande war. Gemeinsam suchten wir nach Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, Alten, welche auffällige Augenfarben aufwiesen und unterzogen sie einem Test, der feststellen sollte, ob sie in der Lage waren, Wasser, Feuer, Erde oder Luft zu bändigen. Nach Jahren des Suchens und Testens hatten wir fast jegliche Hoffnung verloren und ich dachte, dass ich mit Eugene und Karmin alleine gegen die Shevu antreten musste. Doch dann fanden wir Nia. Ihr folgten zwölf weitere Elementals bunt gemischten Alters. Viele von ihnen hatten ihre Fähigkeiten noch nicht entdeckt und es war ein langer und harter Weg, sie auszubilden und auf den Krieg vorzubereiten. Dass wir nicht alle das gleiche Element beherrschten, machte die Ausbildung umso schwerer. Doch wir hatten es irgendwie geschafft.
Wir hatten bereits einen Angriff auf die Lager des Kantons geplant, um die Ressourcen der Rebellen aufzustocken, als Karmin einen Herzinfarkt erlitt. Die Heilerinnen konnten nichts für ihn tun. Und kurz bevor er erschöpft die Augen schloss, zog er mich zu sich heran und prophezeite mir mit brüchiger Stimme: "Du wirst unser Anführer sein und diesen Krieg beenden."

Den ersten Teil der Prophezeiung erfüllte ich wenig später, als ich im engen Zirkel die Rebellenführung forderte. Der zweite Teil bereitete mir große Kopfschmerzen. Die verbliebenen 12 Elementals konnten zwar mit ihren Talenten umgehen, hatten aber keine Kampferfahrung. Würde ich sie zu früh als Geheimwaffe gegen die Shevu einsetzen, wären wir leichte Beute für die großen Silbermähnen. Hinzu kamen unsere Ressourcenknappheit, Unterlegenheit und Kriegsmüdigkeit. Nur mit schlauen Schachzügen hatte ich es in der Vergangenheit geschafft, die harten Angriffe der Shevu abzuwenden. Also wie sollte ich so einen Krieg gewinnen? 

Ich schüttelte den Kopf und entleerte dabei den Inhalt meiner Wasserflasche über meinen Nacken, um wieder in der Gegenwart anzukommen. Ich musste nach Grabor und mich mit meinem Zirkel über die nächsten Schritte beraten. Die ich noch nicht kannte, verdammt. Mir würde schon noch etwas einfallen. Das war es immer.

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